Osterzeit

Ostersequenz

Osterzeit

Ostersequenz Victimae paschali laudes

Ostersequenz Victimae paschali laudes

Unter einer Sequenz versteht man einen hymnenartigen Gesang, der auf das Halleluja der Messe folgt (von lat. sequi = folgen). Dabei folgt sie nicht nur zeitlich nach dem Halleluja, sondern greift auch dessen Melodie auf. Besonders im Mittelalter waren Sequenzen sehr beliebt, was zu mancherlei Wildwuchs führte, weshalb das Konzil von Trient (1545-63) die Anzahl der Sequenzen auf vier reduzierte: Neben dem "Victimae Paschali Laudes" an Ostern blieben das "Veni Sancte Spiritus" an Pfingsten, das "Lauda Sion" an Fronleichnam und das "Dies Irae" für die Totenmesse erhalten. 1727 kam das "Stabat Mater" an Mariä Schmerzen hinzu, während das "Dies Irae" von der Liturgiereform des 2. Vatikanum aus dem liturgischen Gebrauch gestrichen wurde.
Die Ostersequenz Victimae Paschali Laudes stammt von Wipo von Burgund (+ nach 1046). Sie wird gerahmt von einem Jubelruf auf den Auferstandenen. Dramatisch wird der Kampf des Lebens mit dem Tod geschildert, aus dem Christus, der Lebensfürst, als Sieger hervorgeht. In einem lebedigen Dialog schildert Maria von Magdala ihre Ostererfahrung, an der wir alle Anteil erhalten. Ich möchte mit einigen kurzen Erklärungen zur weiteren Betrachtung dieses eindrucksvollen Ostergesanges einladen.

Ostern
Singt das Lob dem Osterlamme,
bringt es ihm dar, ihr Christen!

Die Sequenz beginnt mit dem Aufruf zum Lobpreis. Lob ist es auch, was wir an Ostern darbringen. Das feierliche Halleluja erschallt zur Ehre Gottes, festliche Lieder erklingen. Die Kargheit der Fastenzeit und schließlich das Schweigen des Karsamstags haben unsere Sinne geschärft, dass wir nun die Farben des Lichtes und die Klänge des Jubels ganz neu wahrnehmen können.
Alles ist Freude, alles ist Jubel. Vergessen ist die Trauer des Karfreitags, zu Ende sind die Entbehrungen, die wir uns in der Fastenzeit auferlegt haben. Auch unsere Herzen sind frei durch die Vergebung, die wir in der Osterbeichte erfahren haben. So können wir hinzutreten und einstimmen in das festliche Osterlob, das unsere Kirchen erfüllt.
Wir feiern das Fest unserer Erlösung. Wir sind befreit von Sünde und Tod, weil Christus, das wahre Osterlamm, uns mit seinem Blut rein gewaschen hat von unseren Sünden.

Das Lamm erlöste die Schafe;
Christus, der ohne Schuld war,
versöhnte die Sünder mit dem Vater.

Eindrucksvoll schildert dieses Bild vom Osterlamm, das sein Vorausbild im jüdischen Paschalamm hat, die Offenbarung des Johannes:

Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob. (Offb 5,12)

Jubel herrscht um das Lamm, es ist der Jubel der Erlösten, die Christus für ihre Befreiung preisen:

Du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern, und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen. (Offb 5,9f.)

Der Tod ist überwunden, die Menschen sind befreit von der Macht des Todes. Auf der Osterikone wird dieses Geschehen lebendig, wenn Christus Adam und Eva und mit ihnen alle Verstorbenen aus den Gräbern zum Leben holt. Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten vor der Macht des Todes. Gott will uns nicht bestrafen, er ruft uns vielmehr zum Festmahl in sein Reich. Der Weg zum Himmel steht weit offen. Folgen wir dem Lamm auf dem Weg zum Leben und besiegen wir mit ihm die Macht des Todes.

Ostern
Tod und Leben sie kämpfen
unbeschreiblichen Zweikampf.
Des Lebens Fürst, der starb,
herrscht nun lebend.

Der Kampf zwischen Leben und Tod - wir erfahren ihn auf vielerlei Weise. Mir kam das zumindest aus dem Fernsehen vertraute Bild des Herzfrequenzmessers einer Intensivstation in den Sinn. Solange die Ausschläge regelmäßig sind, besteht Hoffnung für den Patienten. Doch wenn die Kurve unregelmäßig wird oder die Herzschläge aussetzen, besteht Lebensgefahr. Die Ärzte kämpfen um das Leben des Patienten.
Das Osterfest führt uns einen anderen Kampf auf Leben und Tod vor Augen. Gott geht in den Tod. Grausam gequält und gemartert stirbt Gottes Sohn am Kreuz. Er wird begraben und steigt hinab zu den Toten. Scheinbar hat der Tod gesiegt, doch der Kampf ist noch nicht zu Ende. Kein Mensch kann sich ausmalen, was in der Stille zwischen Karfreitag und Ostermorgen geschah, als der Herr nach seinem Tod zu neuem Leben erstand.
Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, den Gott selbst geführt hat, um uns das Leben zu schenken. Gott hat den Tod besiegt, ein für alle mal. Christus, der von sich sagt "Ich bin das Leben" ist dieser Lebensfürst. Ihn konnte der Tod nicht halten. Er hat die Macht des Todes gebrochen, er lebt. Seine Herrschaft ist unvergänglich. Immer wird fortan das Leben über den Tod triumphieren. Das ist die frohe Botschaft von Ostern. Der Weg zum Leben steht offen, auch wenn Menschen scheinbar den Kampf um Leben und Tod verlieren, wenn die Herzschläge aussetzen und die Ärzte die Hoffnung auf das Überleben des Patienten aufgeben.
Wie können wir daran glauben, dass das keine Illusion ist? Ist das Über-Leben nicht ein Privileg einiger weniger, während die große Masse dazu verdammt ist, unterzugehen? Können wir wirklich die Osterbotschaft verkünden in einer Welt, die voll ist von Leid und Ungerechtigkeit?
Es liegt an uns Menschen, die Osterfreude in die Welt zu bringen. Christus hat uns den Weg gezeigt. Sein Triumph über Gewalt und Tod steht seither als Hoffnungszeichen über der Weltgeschichte. Unter diesem Zeichen sammeln sich die Menschen aller Zeiten, die darauf vertrauen, dass Liebe stärker ist als Hass und Licht mächtiger als Finsternis. Auch wenn diese Menschen auf verlorenem Posten zu stehen scheinen, wird Gottes Kraft sie nicht untergehen lassen. Haben wir den Mut, uns Christi Siegeszeichen anzuschließen und den Menschen neue Hoffnung zu geben.
Was für unser Leben auf Erden gilt, das gilt auch für sein Ende. Gott selbst ist in die Finsternis gegangen, die am Ende eines jeden Lebens steht. Hinter der Schwelle des Todes, die wir alle einmal überschreiten müssen, wartet der Auferstandene auf uns. Auch wenn wir Angst haben vor dem was kommt, dürfen wir die Hoffnung haben, dass er da ist, um uns in das neue Leben zu führen, zu dem er den Weg erschlossen hat. Wir brauchen "nicht trauern wie die anderen, die keine Hoffnung haben" (1Thess 4,13), sondern dürfen darauf vertrauen, dass - auch wenn es aus menschlicher Sicht oft anders scheinen mag - der Kampf zwischen Leben und Tod immer siegreich für das Leben endet.

Maria Magdalena, sag uns, was hast du gesehen?
Ostern

Nun wendet sich der Sänger der Sequenz an Maria Magdalena. Sie ist die erste Zeugin der Auferstehung. Sie wurde vom Auferstandenen zu den Aposteln gesandt, um ihnen die Botschaft von der Auferstehung zu bringen. Weil sie diese frohe Botschaft den Aposteln gebracht hat, wird sie auch "Apostola Apotolorum" genannt. Schön zeigt die Ikone, wie die Apostel gespannt den Worten Marias lauschen. Auch uns gilt ihre Botschaft und wir fragen wie die Apostel damals nach dem, was sie gesehen hat.

Das Grab Christi, des Lebenden,
die Herrlichkeit des Auferstandenen,
Engel sah ich künden,
das Schweißtuch, Leinenbinden.

Jedes Detail ist hier wichtig. Wir wollen genau erfahren, wie es damals war, als Maria dem Auferstandenen begegnet ist, neugierig und erwartungsvoll wollen wir alle Einzelheiten wissen, nichts soll sie in ihrer Schilderung auslassen. Die unscheinbare Kleinigkeit, dass im Grab die Leinenbinden lagen und das Schweißtuch zusammengebunden an einer besonderen Stelle, kann beispielsweise von größter Bedeutung sein.
Maria hat Zeit gebraucht, um zu verstehen. Zuerst hat sie geweint. Das leere Grab, ein Toter der lebt, wer hat so etwas jemals gesehen? Der Engel sagt: "Frau, warum weinst du?" - Und dann sieht sie plötzlich Jesus. Sie erkennt ihn erst nicht, meint, es sei der Gärtner. Doch dann spricht Jesus sie an "Maria". Und sie weiß: Jesus steht vor ihr als Lebender, als glorreich Auferstandener.
Der Bericht Marias soll auch uns Hoffnung geben, soll auch uns zum Glauben an den Auferstandenen führen, nicht nur zum Glauben, sondern zu einer tiefen Gewissheit, dass die Auferstehung Realität ist, damals wie heute.

Ostern
Meine Hoffnung, Christus, erstand,
geht voraus ins Galiläische Land!
Gewiss, Christus ist erstanden,
wahrhaft von den Toten!
Du Sieger König,
erbarm dich unser.
Amen. Halleluja!

Der Auferstandene lässt die Jünger nicht allein. Er sammelt die durch die Verzweiflung des Karfreitags Versprengten wieder ein. Er ist bei den zwei Jüngern, die am Ostermorgen traurig nach Emmaus gehen. Er geht den Aposteln nach, die in ihre Heimat Galiläa fliehen - aus Angst vor den Juden und vielleicht auch, weil sie meinen, dass nun alles vorbei ist und es besser ist, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen, von der Jesus sie weggerufen hat.
Doch es ist nicht zu Ende, es fängt nun erst richtig an. Nun werden die Jünger zu den Bauleuten des Reiches Gottes. Ein neues Volk entsteht aus allen Völkern und Sprachen und breitet sich über die ganze Erde aus. Ein Volk, das Gottes große Taten verkündet und sie immer neu Wirklichkeit werden lässt.
Auch wir sind heute gerufen, am Reich Gottes mitzubauen. Wie die Jünger damals, will uns Jesus auch heute mit Kraft und Zuversicht erfüllen, dass wir die Hoffnung zu den Menschen tragen, die seine Auferstehung der Welt gebracht hat. Der Tod ist überwunden. Das Leben triumphiert. Wir wollen einander mit diesem Gruß der Zuversicht grüßen, wie es unter Christen seit alters her an Ostern Brauch ist:

Christus ist erstanden,
er ist wahrhaft auferstanden! Halleluja!
Ostern
Victimae paschali laudes
immolent Christiani.

Agnus redemit oves:
Christus innocens Patri
reconciliavit peccatores.
Mors et vita duello
conflixere mirando:
dux vitae mortuus, regnat vivus.

Dic nobis Maria,
quid vidisti in via?
Sepulcrum Christi viventis
et gloriam vidi resurgentis.
Angelicos testes,
sudarium et vestes.
Surrexit Christus spes mea,
praecedet suos in Galilaeam.

Scimus Christum surrexisse
a mortuis vere:
Tu nobis victor rex, miserere.
Amen. Alleluja.
Singt das Lob dem Osterlamme,
bringt es ihm dar, ihr Christen.

Das Lamm erlöste die Schafe:
Christus, der ohne Schuld war,
versöhnte die Sünder mit dem Vater.
Tod und Leben, sie kämpfen
unbegreiflichen Zweikampf;
des Lebens Fürst, der starb,
herrscht nun lebend.

O Maria uns sage,
was sahest du am Pfade?
Das Grab Christi des Lebenden,
die Herrlichkeit des Auferstandenen.
Engel hört' ich künden,
sah das Schweißtuch und die Binden.
Meine Hoffnung Christus erstand:
er geht voraus in's galiläische Land.

Lasst uns glauben,
was Maria den Jüngern verkündet.
Sie sahen den Herrn, den Auferstandenen.
Ja, der Herr ist auferstanden,
ist wahrhaft erstanden.
Du Sieger, König, Herr,
hab Erbarmen!