Osterzeit

Sechster Sonntag

1.Lesung A

Apg 8,5-17

In jenen Tagen kam Philippus in die Hauptstadt Samariens hinab und verkündigte dort Christus. Und die Menge achtete einmütig auf die Worte des Philippus; sie hörten zu und sahen die Wunder, die er tat. Denn aus vielen Besessenen fuhren unter lautem Geschrei die unreinen Geister aus; auch viele Lahme und Krüppel wurden geheilt. So herrschte große Freude in jener Stadt.
Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Diese zogen hinab und beteten für sie, sie möchten den Heiligen Geist empfangen. Denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen; sie waren nur auf den Namen Jesu, des Herrn, getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist.

1.Lesung B

Apg 10,25-48

Als Petrus in Cäsarea beim Hauptmann Kornelius ankam, ging ihm dieser entgegen und warf sich ehrfürchtig vor ihm nieder. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch.
Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.
Noch während Petrus dies sagte, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen. Petrus aber sagte:
Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen. Danach baten sie ihn, einige Tage zu bleiben.

1.Lesung C

Apg 15,1.22-29

In jenen Tagen kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden. Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und den Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen.
Da beschlossen die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte auszuwählen und sie zusammen mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden, nämlich Judas, genannt Barsabbas, und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Sie gaben ihnen folgendes Schreiben mit:
Die Apostel und die Ältesten, eure Brüder, grüßen die Brüder aus dem Heidentum in Antiochia, in Syrien und Zilizien. Wir haben gehört, dass einige von uns, denen wir keinen Auftrag erteilt haben, euch mit ihren Reden beunruhigt und eure Gemüter erregt haben. Deshalb haben wir uns geeinigt und beschlossen, Männer auszuwählen und zusammen mit unseren lieben Brüdern Barnabas und Paulus zu euch zu schicken, die beide für den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, ihr Leben eingesetzt haben. Wir haben Judas und Silas abgesandt, die euch das Gleiche auch mündlich mitteilen sollen.
Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig. Lebt wohl!

2.Lesung A

1Petr 3,15-18

Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen. Dann werden die, die euch beschimpfen, weil ihr in der Gemeinschaft mit Christus ein rechtschaffenes Leben führt, sich wegen ihrer Verleumdungen schämen müssen. Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse. Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen; dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht.

2.Lesung B

1Joh 4,7-10

Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe.
Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.
Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.

2.Lesung C

Offb 21,10-23

Da entrückte er mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis. Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm. Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm.

Evangelium A

Joh 14,15-21

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet. An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Evangelium B

Joh 15,9-17

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.
Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.
Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.
Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
Dies trage ich euch auf: Liebt einander!

Evangelium C

Joh 14,23-29

Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.
Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück. Wenn ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
Heilige Schrift

Am sechsten Sonntag der Osterzeit hören wir Worte Jesu über die Liebe. Jesus fordert die Jünger auf, in der Liebe zu bleiben. Nur so können sie auch nach Jesu Weggang zum Vater mit ihm verbunden bleiben.
Jesus spricht auch vom Beistand, dem Heiligen Geist, den er den Jüngern senden wird. Er ist es, der die Liebe ermöglicht. Um seinen Beistand beten wir jetzt in den Tagen vor Pfingsten ganz besonders.

Lesejahr A - Das Herz an Jesus festmachen

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. (Joh 14,15)

Zum Beginn seiner Abschiedsreden an die Jünger hat Jesus zu ihnen gesagt: "Euer Herz lasse sich nicht verwirren, glaubt an Gott und glaubt an mich." (Joh 14,1) Der Glaube an Jesus Christus und an den Vater wird den Jüngern Halt und Orientierung geben. Zugleich führt er dazu, dass der Glaubende immer mehr eins wird mit dem Willen des Vaters, den uns der Sohn offenbart hat.
Wer Jesus liebt, wird das tun, was er gesagt hat. Nicht aus Zwang, sondern aus einem inneren Antrieb heraus. Wenn wir lieben, bekommen wir ungeahnte Kräfte, die uns Dinge tun lassen, von denen wir vorher nur geträumt haben. Was uns vorher unerreichbar schien, fällt uns dann unwahrscheinlich leicht. Aber diese Zeit, in der die Kraft der Liebe wirksam ist, kann vergehen, die Liebe kann im Alltag verblassen. Damit das bei den Jüngern nicht geschieht, sendet Jesus ihnen den Geist als Beistand. Er soll das Feuer der Liebe in den Herzen der Gläubigen stets brennen lassen.

Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. (Joh 14,16-17)

Hat Jesus zu Beginn der Abschiedsreden vom Vater gesprochen, zu dem er nun gehen wird und der auch für jeden Gläubigen einen Platz vorbereitet hat, so spricht Jesus nun vom Geist. Er ist der Beistand, den der Sohn uns vom Vater sendet. Wer den Sohn kennt, der kennt auch den Vater und wer Vater und Sohn kennt, der wird auch mit dem Heiligen Geist vertraut werden. In ihm ist die Liebe des Vaters und des Sohnes in der Welt bleibend gegenwärtig. Doch wer den Vater und den Sohn nicht kennt, die Welt, die gegenüber Gott feindlich eingestellt ist, wird den Heiligen Geist nicht empfangen.

Der Heilige Geist entflammt jeden, den er erfüllt hat, zum Verlangen nach den unsichtbaren Gütern. Und weil die weltlichen Herzen nur die sichtbaren Dinge lieben, daher kann die Welt ihn nicht empfangen.

Diese Worte Gregors des Großen zeigen deutlich, dass das Nicht-Empfangen-Können des Geistes nicht deshalb geschieht, weil der Geist den einen gewährt, den anderen aber verweigert wird, sondern weil es Menschen gibt, die ihn nicht empfangen wollen. Jeder kann selbst entscheiden, ob er den Geist empfangen möchte oder nicht. Wer ihn aber empfangen will, der muss bereit sein, Jesus zu lieben und nach seinem Wort zu leben.
Es ist ein gegenseitiges Wachsen. Wer die Bereitschaft hat, Jesus zu lieben, und sei sie noch so klein - als schwache Menschen sind wir nicht zu vollkommener Liebe fähig - dem wird Jesus den Geist schenken und der Geist macht aus der kleinen Flamme im Innern eines Menschen ein immer größeres Feuer. Ja der Geist kommt selbst wie Feuer vom Himmel herab, um jeden zu entzünden, der sich danach seht.

Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet. (Joh 14,18-19)

Oft geschieht es, dass Menschen, wenn sie einen lieben Mensch verloren haben, die Hoffnung aufgeben. Sie wollen dann selbst nicht mehr leben, meinen, ihr Leben sei sinnlos geworden. Sie kommen nicht über den Verlust des geliebten Menschen hinweg. Jesus kennt diese Angst der Menschen, daher wusste er auch, dass seine Jünger bekümmert sein werden, wenn er von ihnen geht. In den langen Abschiedsreden bereitet er sie auf die Situation vor, wenn er bald nicht mehr unter ihnen sein wird. Doch sie werden nicht allein sein. Jesus ist zwar nicht mehr in der Welt, wie er in ihr als Mensch gelebt hat, doch er lebt weiterhin beim Vater sein göttliches Leben und so ist Jesus allen Menschen immer und überall nahe, allen, die ihn lieben und seine Gebote halten.
Was meint nun aber Jesus mit seinem erneuten Kommen? Das Johannesevangelium überliefert uns nicht wie die Synoptiker eine Rede Jesu über die Endzeit, die seine Wiederkunft am Ende der Zeiten schildert. Für Johannes gibt es keinen Unterschied zwischen dem österlichen Kommen Jesu als Auferstandener und seinem endzeitlichen Kommen am Ende der Zeit. Jesus wird den Jüngern nur kurz genommen, für die Stunden zwischen seinem Tod am Karfreitag und der Auferstehung am Ostermorgen. Dann ist er für alle, die an ihn glauben, für immer gegenwärtig.
Doch die Welt wird Jesus nicht mehr sehen. Es gibt kein objektives Kriterium, das die Auferstehung Jesu für alle zweifelsfrei belegen kann. Allein der Glaube ist Garant für seine Gegenwart. Dabei meint Glaube jedoch nicht das subjektive Fürwahrhalten bestimmter Dinge durch einen einzelnen, sondern die Teilhabe an einer objektiven, das Irdische übersteigenden Wirklichkeit, die als solche real existiert und daher auch intersubjektiv vermittelbar ist.
Jesus wird sich für die Glaubenden als Lebender erweisen, und auch die Jünger werden auf der Seite der Lebenden sein. Wenn wir glauben, dass Jesus lebt, so ist das nicht nur ein persönlicher Trost für uns, sondern wir haben Teil an einer Wirklichkeit, die genauso real ist wie die Welt um uns herum. Wenn Jesus lebt und wir mit ihm leben, so ist unser Leben mehr als das, was sich auf Erden ereignet. Wir haben jetzt schon Anteil am ewigen Leben. Schon hier auf dieser Erde ist Jesus uns nahe, und wenn wir einst in jene Welt gelangen, deren reale Existenz unseren irdischen Sinnen verborgen, dem Glauben aber offenbar ist, dann werden wir die Wirklichkeit in ihrer ganzen Fülle erfassen.

An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. (Joh 14,18-21)

Die Quelle des Lebens Jesu liegt in seiner Einheit mit dem Vater, dem lebendigen Gott. Wie aber Jesus in seinem Vater ist, so sind die Jünger in Jesus und Jesus in ihnen. So entsteht eine unzertrennliche Gemeinschaft zwischen dem Vater, Jesus und den Jüngern im Heiligen Geist, eine große Familie der Glaubenden, die durch diesen engen inneren Zusammenhalt keine Furcht zu haben braucht vor der Welt.
Diese Gemeinschaft ist nur in der Liebe möglich. Noch einmal weist Jesus daher auf den Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Halten der Gebote hin. Wer in diese Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe eintritt, der wird Jesus erkennen, weil er sich ihm zeigen, sich ihm offenbaren wird. Was die Welt nicht sehen kann, dass Jesus lebt, dass der Beistand da ist, das wird dem offenbar, der zu den Jüngern Jesu gehört. Diese Jüngerschaft ist nicht auf die Zeit des irdischen Lebens Jesu begrenzt, sondern die Menschen aller Zeiten können die Gegenwart Jesu Christi erfahren.

Jesus
Haltet aber in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! (1Petr 3,15a)

Die Aufforderung, die der Erste Petrusbrief den bedrängten Christen Kleinasiens zuruft, hat bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren. Nachdem die Christen in Europa über Jahrhunderte hinweg in christlichen Staaten gelebt haben, finden wir uns heute erneut in einer weitgehend unchristlichen Umgebung wieder.
Für viele bedeutet daher Christsein, nicht aufzufallen und so zu leben wie die anderen. Christliche Werte werden auf ein "Gut-Sein" reduziert, das oft nichts anderes bedeutet, als dass jeder machen darf, was er will. Nur nicht auffallen, nur nicht die Stimme erheben, denn dann kommt sofort die Antwort der Gutmenschen: Ihr seid doch Christen, ihr dürft doch andere nicht verurteilen. Wo ist eure Nächstenliebe?
Bis ins tiefste Innere der Kirche hat man sich weitgehend unkritisch die Gedanken der liberalen Gesellschaft zu Eigen gemacht, nicht zuletzt deshalb, weil sie ja auf den ersten Blick so gut mit den christlichen Werten zusammen zu passen scheinen. Aber dadurch wurde das genuin christliche Profil, mit dem die Christen der Gesellschaft neue Impulse geben sollten, weitgehend verwässert und die Stimme der Kirche wird immer weniger gehört.
Das Zentrum christlichen Glaubens ist aber nicht das "gute Leben", sondern Jesus Christus. Er ist die Mitte und das Ziel, von dem all unser Tun ausgeht und wohin es letztlich führt. Das "Gut-Sein" der Christen ist Abbild der Güte Gottes, der allein "der Gute" ist. Christliche Nächstenliebe erwächst also nicht allein aus "Menschenliebe", sondern vor allem auch aus der Liebe Gottes.
Vielleicht mag einer fragen, was das für einen Unterschied macht, letztlich wollen doch alle das Gute für den anderen. Aber rein menschliche Liebe hat nur den Menschen als Ziel und da der Mensch stets begrenz ist, wird sie nie zur vollkommenen Erfüllung finden. Ihr haftet stets etwas Brüchiges und Stückwerkhaftes an.
Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig!
Wir müssen unsere Herzen fest machen in Jesus Christus. Die Mönche, ganz besonders jene der Ostkirche, aber auch viele andere Gläubige pflegen das Herzensgebet. Dieses Gebet hat verschiedene Formen, in allen aber geht es darum, das Herz fest zu machen in Jesus Christus. Unser Herz soll so stark mit ihm verbunden sein, dass er in uns präsent ist, egal ob wir bewusst an ihn denken oder nicht.
Viele haben die Zeiten des Gebetes, in denen sie sich bewusst in die Gegenwart Gottes zu versetzen suchen. Aber unser ganzes Leben muss ein Leben in der Gegenwart Gottes sein. Jeder unserer Schritte, jede unserer Handlungen, ja jeder Gedanke soll Ausdruck der Güte Gottes sein, der stets in uns am Wirken ist. Um so zu leben, ist eine ständige Einübung erforderlich, und wir werden dieses Ziel vielleicht nie vollkommen erreichen, aber unser ganzes Leben soll ein Weg sein, diesem Ziel, in der Gegenwart Gottes zu leben, näher zu kommen.
Helfen kann uns dabei ein Gebet des hl. Ignatius von Loyola:

Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit,
mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen,
meine ganze Habe und meinen Besitz.
Du hast es mir gegeben, dir, Herr, gebe ich es zurück;
alles ist dein, verfüge nach deinem ganzen Willen.
Gib mir deine Liebe und Gnade, das ist mir genug.

Wenn sie jemand nach dem spezifisch Christlichen fragt, was antworten sie? Nun, die Frage mag auf den ersten Blick schwierig erscheinen, aber sie ist in Wirklichkeit ganz einfach. Das Besondere am Christentum ist Jesus Christus. Er ist das Zentrum unseres Glaubens und von ihm her müssen wir alles denken.
Im Christentum gilt der Primat des Logos vor dem Ethos. Es geht nicht vorrangig um Gebote und ethische Normen, um eine Sache Jesu, die getan werden muss, sondern es geht zuerst um Jesus Christus selbst. Alles andere ergibt sich von ihm her. Wenn Jesus Christus nicht das Zentrum unseres Glaubens ist, können wir nicht als Christen leben und können auch nicht die Probleme in der Kirche heute lösen. Es ist wie bei einer Mathematikaufgabe. Wenn man nicht die richtige Formel findet, kommt man nicht zum richtigen Ergebnis. Die Formel für unseren Glauben lautet Jesus Christus. Wenn unser Denken und Tun nicht von ihm ausgehen und auf ihn hinführen, werden wir als Christen versagen. An erster Stelle steht die Begegnung mit Jesus Christus und aus dieser Begegnung erwächst christliches Leben.
Seit der Frühzeit des Christentums wird der befreiende Sinn des Evangeliums nicht darin gesehen, dass Jesus eine neue Lehre über das menschliche Miteinander gebracht hat, sondern darin, dass er eine ganz neue Beziehung zwischen Mensch und Gott ermöglicht hat, die alle Vorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte nach Liebe und Nähe übersteigen. Es ist ein neuer Sinn von Freundschaft, den Jesus eröffnet, einer Freundschaft zwischen ihm und jedem einzelnen von uns.
Viele Menschen glauben, dass das, was sie tun, sie zu jemandem macht. Sie glauben, dass vom Handeln das Sein kommt, weil sie sich durch ihre Aktivitäten definieren. Jesus Christus hat uns eine andere Art zu leben gezeigt, eine Art, die in die entgegengesetzte Richtung geht. Zuerst einmal muss ich sein. Dann wird das Handeln aus meinem Sein kommen. Christus sagt es wieder und wieder: Ich bin der Sohn des Vaters. Also werde ich auch so handeln wie der Vater. Als Moses Gott im brennenden Dornbusch fragte, wer er sei, antwortete er: "Ich BIN der Ich BIN."
Wer bin ich? Was mich definiert, ist meine Beziehung zu Gott. Stellen wir uns das vor: Ich habe das Privileg, Freund Gottes, ja Kind Gottes zu sein! Gott hat mich so sehr geliebt, dass er mich als sein Kind angenommen hat! Dies ist aller Mühe wert. Das ist es, was ich wirklich bin, und ich sollte entsprechend handeln, wie Jesus Christus mich gelehrt hat. Wenn ich mich dann aufmache, Jesus zu lieben, mache ich die Erfahrung, dass ich längst schon geliebt bin. Ich antworte auf Jesu Liebe, der mich zuerst geliebt hat.
Wenn ich Gottes Wort betrachte, entdecke ich, dass ich Gottes Geschöpf bin. Plötzlich finde ich die Stärke, mich der Wirklichkeit zu stellen. Meine Würde kommt von dieser grundlegenden Wahrheit: Ich bin nach Gottes Bild geschaffen. Ich komme von Gott, und er lädt mich ein, zu ihm zurückzukommen und mit ihm in alle Ewigkeit glücklich zu sein.

Heilige Schrift

Lesejahr B - Ihr seid meine Freunde!

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. (Joh 15,9-10)

Joh 15,9-17 knüpft direkt an die Bildrede Jesu vom Weinstock an. Dieses Bild müssen wir uns zum besseren Verständnis weiterhin vor Augen halten: Die Rebe kann nur Frucht bringen, wenn sie am Weinstock bleibt, der sie mit dem Lebenssaft aus der Wurzel versorgt. Wie die Rebe mit dem Weinstock, so soll auch der Jünger mit Jesus verbunden bleiben.
Jesus selbst hat es vorgelebt: Sein ganzes Leben war die Erfüllung des Willens des Vaters. Er hat das Gebot des Vaters erfüllt und ist so in seiner Liebe geblieben. Durch die Liebe entsteht die Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger Jesu untereinander, mit Jesus und durch Jesus mit dem Vater. Gelingt diese Gemeinschaft, so bedeutet dies für alle die Teilhabe an der vollkommenen Freude, die aus der Liebe Gottes kommt.

Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. (Joh 15,11-12)

Jesus fasst sein Gebot in dem einen Satz zusammen: "Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe." Warum aber spricht er hier nur von einem Gebot? Ist nicht die ganze Schrift voll von Geboten des Herrn? Dazu schreibt Gregor der Große:

Alle Gebote beziehen sich auf die Liebe und sie alle stellen nur ein einziges Gebot dar, denn alles, was geboten wird, gründet allein in der Liebe. Wie nämlich die vielen Äste eines Baumes aus einer einzigen Wurzel hervorgehen, so entstammen die vielen Tugenden der einen Liebe. Und der Zweig des guten Werkes besitzt keinerlei Lebenskraft, wenn er nicht in der Wurzel der Liebe bleibt. Die Gebote des Herrn sind also viele und doch nur eines; viele auf Grund der Verschiedenheit des Werkes; eines in der Wurzel der Liebe.

Im Tun der Liebe ist Jesus Vorbild für uns. Die Leser des Evangeliums kennen das Leben Jesu. Sie wissen, dass er den Menschen seine Liebe gezeigt hat bis zum äußersten. Jesus hat in seinem Leben den Menschen ein Beispiel der Liebe gegeben, hat beim letzten Abendmahl in der Fußwaschung den Jüngern ein deutliches Beispiel dafür gegeben, dass Liebe Erniedrigung und Dienst verlangt und hat schließlich für diese Liebe den Tod am Kreuz auf sich genommen. Das war die größte Liebe, die er den Menschen zeigen konnte: Er hat sein Leben hingegeben für seine Freunde.

1Joh 4
Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. (Joh 15,13)

Nur Freunden vertrauen wir unser Kostbarstes an. Jesus vertraut seinen Jüngern das Kostbarste an, das er hat, die Worte des Vaters, das was Gott der Welt zu sagen hat und was nur der Sohn kennt, weil er allein den Vater kennt - die Worte des ewigen Lebens. Jesus traut den Jüngern zu, dass sie diese Worte weitergeben, dass sie diese Worte allen Menschen zu allen Zeiten sagen. Jesus hat ihnen damit unfassbares Vertrauen geschenkt. Jesus bezieht die Jünger mit ein in seinen Dienst. Sie sind nicht Knechte, die blind gehorchen, die nur stur ihre Arbeit verrichten und eigentlich nicht wissen, was sie tun, die nicht nach dem Warum und Wozu zu fragen haben.
Jesus nennt die Jünger Freunde. Jeder gibt durch seine Persönlichkeit der Botschaft Jesu ein eigenes Gesicht. Der Freund Jesu wird selbst zu einem Bild Jesu. Er lässt Jesus durch sein Leben neu in der Welt lebendig werden, macht Jesu Liebe für die Menschen erfahrbar.

Die Ikone des Menas ist ein lebendiges Zeichen dieser Freundschaft mit Jesus Menas. Menas (gest. 295) ist der Heilige der Freundschaft und zugleich einen der beliebtesten Heiligen der koptischen Kirche in Ägypten. Menas steht neben Christus. Mit Mönchsgewand und Mantel strahlt Menas eine unerschütterliche Festigkeit aus. Mit seiner rechten Hand weist er auf Christus hin. Christus ist noch etwas größer und breiter dargestellt als Menas. Seine Rechte ruht auf der Schulter des Heiligen. Es ist der Arm der Freundschaft, der dem sehnenden Freund Kraft und Mut gibt, seinen Weg zu gehen: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir.
In diesem vertrauten Zueinander von Christus und Menas zeigt sich die Grunderfahrung christlicher Freundschaft, das "Bleiben in Christus". Jesus lädt mich ein, in seiner Liebe zu bleiben. Er lädt mich ein, mit allem, was ich bin, in ihm zu wohnen. Er will sich ganz meiner annehmen und sich in allem um mich kümmern. Es ist Jesu Einladung, ihm ganz zu gehören, ihm ganz nahe zu sein, ohne Grenzen mit ihm zu sein.
Freundschaft ist etwas Wunderbares. Viele Menschen haben einen "besten Freund" oder eine "beste Freundin", der oder die sehr wichtig für sie ist. Was bedeutet uns ein Freund? Einem Freund kann ich alles sagen, ein Freund weiß, wie mir zumute ist; er versteht mich. Ein Freund ist da, wenn man ihn braucht, auf ihn ist Verlass. Ein Freund geht ehrlich mit mir um, bei ihm sind Geheimnisse gut aufgehoben. Ein Freund nimmt sich Zeit für mich.
So ein Freund will Jesus für uns sein! Es finden sich schon im Alten Testament Beispiele für die Freundschaft mit Gott. Abraham wird "Freund Gottes" genannt (vgl. Jes 41,8), mit Mose spricht Gott von Angesicht zu Angesicht, wie Freunde miteinander reden (vgl. Ex 33,11).
Jesus hat Freunde. Lazarus wird Jesu Freund genannt (vgl. Joh. 11,11), Jesus nennt seine Jünger Freunde. Was bedeutet das? Weil Jesus dieses Wort im engen Kreis zu den Jüngern gesagt hat, deutet man es oft so, dass heute die Priester in dieser engen Freundschaft mit Jesus stehen. Das ist sicher richtig. Doch Jesu Freund kann jede und jeder werden!
Ist das nicht einfach unglaublich! Er, der Schöpfer des Universums, der von Ewigkeit ist, will mit Ihnen, mit Dir, mit mir eine Freundschaft eingehen! Das gibt's doch nicht! Doch, genau das ist ein Kennzeichen des Christentums und unterscheidet den christlichen Glauben von vielen anderen Religionen.
Zu einer Freundschaft gehören aber immer zwei. Jesus bietet uns seine Freundschaft an. Das heißt aber auch, dass wir uns wie Freunde Jesu verhalten sollen. Unser Zeichen dafür, dass wir die Freundschaft mit Jesus suchen ist es, so zu leben, wie er es möchte. Das bedeutet, die Menschen um uns zu lieben, so wie Jesus es uns gezeigt hat. Das bedeutet aber auch, dass wir uns Zeit nehmen für diese Freundschaft und mit Jesus zusammen sind im Gebet. Wenn wir das wollen, dann wird Jesus uns helfen, dass die Freundschaft mit ihm immer tiefer wird.

Menas
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. (Joh 15,14-15)

Das Geschenk des Vertrauens drängt zur Antwort, es ruft den Menschen auf, diesem Vertrauen gerecht zu werden, der Freundschaft mit Freundschaft zu antworten, der Hingabe mit Hingabe. Wer dies erkannt hat, wird von dem Verlangen erfüllt sein, alles, ja selbst sein Leben dafür zu geben, damit Christus dorthin gelangt, wo er hinkommen will: zu allen Menschen. Denn alle sind zur Freundschaft mit Gott in Christus Jesus geladen.
Nach Papst Benedikt XVI. definiert Christus Freundschaft auf eine zweifache Weise:

Zwischen Freunden gibt es keine Geheimnisse: Christus sagt uns alles, was er vom Vater hört; er schenkt uns sein volles Vertrauen und mit dem Vertrauen auch die Erkenntnis. Er offenbart uns sein Antlitz, sein Herz. Er zeigt uns seine liebevolle Zuwendung zu uns, seine leidenschaftliche Liebe, die bis zur Torheit des Kreuzes geht. Er vertraut unserem schwachen Geist, unseren schwachen Händen seine Wahrheit an - das Geheimnis von Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist; das Geheimnis von Gott, der "die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab" (Joh 3,16).
Er hat uns zu seinen Freunden gemacht - und welche Antwort geben wir?
Das zweite Element, mit dem Jesus die Freundschaft definiert, ist die Übereinstimmung des Willens. "Idem velle - idem nolle" war auch für die Römer die Definition von Freundschaft. "Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage." Die Freundschaft mit Christus entspricht dem, was die dritte Bitte des Vaterunsers ausdrückt: "Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden."
In dieser Übereinstimmung des Willens vollzieht sich unsere Erlösung: Freunde Jesu sein, Freunde Gottes werden.
Je mehr wir Jesus lieben,
je mehr wir ihn kennen,
umso mehr wächst unsere wahre Freiheit,
wächst die Freude darüber, erlöst zu sein.
Danke, Jesus, für deine Freundschaft!
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander! (Joh 15,16-17)

Das Wort vom Fruchtbringen weist uns wieder hin auf den Weinstock. Nur wer mit Christus verbunden bleibt, kann eine fruchtbare Rebe am Weinstock werden. Daher müssen wir uns stets fragen, wie es um unsere Freundschaft mit Christus bestellt ist. Sind wir wirklich seine Freunde, oder machen wir uns nur etwas vor? Lieben wir Jesus und die Menschen oder sind wir nur in uns selbst verliebt, in unser eigenes Können und Streben? Gregor der Große sagt:

Wer immer aber zu dieser Würde gelangt, Freund Gottes genannt zu werden, möge im Auge behalten, was er an und für sich ist, wie die empfangenen Gaben ihn jedoch überragen. Nichts schreibe er seinen eigenen Verdiensten zu, um nicht zum Feind zu werden.

Wenn wir in der Freundschaft zu Jesus stehen, dann wird er sich als der treue Freund erweisen. "Die Macht des wahren Gebetes liegt in der Größe der Liebe", sagt Gregor der Große. Wenn wir in der Liebe sind, wird Jesus unsere Bitten zum Vater tragen. Er wird immer für uns da sein und sich um uns kümmern. Wir dürfen darauf vertrauen, dass wir nie allein sind, sondern dass er immer bei uns ist.
Der heilige Augustinus hat das bekannte Wort geschrieben: "Liebe, und tu was du willst." Dieses Wort ist ein Schlüssel zum heutigen Evangelium. Jesus fordert uns auf, in seiner Liebe zu bleiben. Wie können wir in seiner Liebe bleiben? "Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben."
Ist das nicht ein Gegensatz zu Augustinus? Der sagt doch, dass man, wenn man liebt, tun kann, was man will und Jesus kommt da gleich mit den Geboten. Zudem soll dies alles noch Freude machen - sind die Gebote nicht die Freude-Killer schlechthin?
Das Gebot, das Jesus uns gibt, ist die Liebe. In ihr sind alle Gebote zusammengefasst. Das bedeutet auch, dass wahre Liebe und wahre Freude nicht durch absolute Freizügigkeit entstehen können. Freizügigkeit bringt höchstens Spaß - aber nicht für alle und nicht auf Dauer. Wenn sich Menschen aber an das Gebot der Liebe halten, ist dauerhafte Freude für alle möglich.
Liebe setzt Bindung voraus. Wer liebt, der erkennt, was der andere möchte und so wird er das tun, was dem Geliebten gefällt. Nur so ist Beziehung möglich unter den Menschen und zwischen den Menschen und Gott.

Christus,
göttlicher Herr,
dich liebt,
wer nur Kraft hat
zu lieben:
unbewusst,
wer dich nicht kennt,
sehnsuchtsvoll,
wer um dich weiß.
Christus, du bist
meine Hoffnung,
mein Friede,
mein Glück,
all mein Leben:
Christus, dir
neigt sich mein Geist;
Christus, dich
bete ich an.
Christus, an dir
halt’ ich fest
mit der ganzen Kraft
meiner Seele:
dich, Herr,
lieb’ ich allein,
suche dich,
folge dir nach.

(Alphanus von Salerno, gest. 1085)
Heilige Schrift

Lesejahr C - Gottes Wohnen unter den Menschen

Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Joh 14,24)

Gott will unter uns Menschen wohnen, und das nicht erst in einer fernen Zukunft. Gottes Wohnen unter den Menschen ist schon heute Wirklichkeit. Gott nimmt in uns Wohnung, wenn wir die Liebe leben, die uns Jesus in seinem Evangelium aufträgt. Wir sind dann nicht mehr allein auf uns gestellt. Wir werden geleitet von Gottes Heiligem Geist. Wir werden dann auch nicht mehr von Unruhe hin und her getrieben, sondern in unseren Herzen herrscht der Friede Christi. So können wir auch die Vision des Neuen Jerusalem, von dem wir in der Lesung hören, wenn auch verborgen, so doch schon jetzt als bleibende Wirklichkeit ansehen.

Die Vision des neuen Jerusalem wird dem Seher Johannes zum Abschluss seiner Offenbarungen zuteil. Nach allen Kämpfen, die die Gläubigen zu bestehen haben, und nach dem Sturz der bösen Mächte wird Platz für Gottes neue Welt. Es ist eine Stadt, in der ewiger Friede herrscht und die ganz durchdrungen ist von Gottes Gegenwart.
Es ist eine wunderbare Vision, wenn Johannes Gottes neue Stadt vom Himmel her kommen sieht. Sie ist nach dem vollendeten Maß des Quadrates angelegt. Ihre Baustoffe sind von bester Qualität, erlesene Edelsteine ersetzen die gewöhnlichen Ziegel. Die Straßen sind aus reinem Gold. Wie mag die Stadt im Licht der Liebe Gottes glänzen! Zwölf Tore in alle Himmelsrichtungen bleiben immer geöffnet. Auf ihnen stehen die Namen der zwölf Apostel. Jeder, der bereit ist, den Frieden Gottes anzunehmen, darf in die Stadt eintreten.
Ist das nicht reine Utopie? Kann es eine solche Stadt geben, in der die Menschen vollkommen friedlich und liebevoll zusammenleben? Und wenn es sie geben kann, warum nicht hier? Warum erst in der jenseitigen Welt? Warum sollte dort gelingen, was hier von Beginn an gescheitert ist? Gott hat doch auch diese Welt als Paradies erschaffen, doch der Mensch hat es zerstört. Warum sollten die Menschen in einer jenseitigen Welt fähig sein, das Paradies zu erhalten?
Die Vision des Johannes kann uns anspornen, uns schon jetzt in das Leben dieser Stadt einzuüben. Jeder kann an seinem Platz versuchen, den Frieden Gottes Wirklichkeit werden zu lassen. Auch wenn dieser Friede hier unzähligen Bedrohungen ausgesetzt ist, soll uns das doch nicht daran hindern, ihn zu leben zu versuchen. Halten wir uns das Bild vom neuen Jerusalem stets vor Augen und versuchen wir jeden Tag, diese Stadt immer mehr zur Realität werden zu lassen.

Jerusalem

Die Grundsteine des himmlischen Jerusalem sind die zwölf Apostel. Wie die Kirche, so ist auch die neue Stadt Gottes auf ihre Namen gegründet. Sie sind die ersten Zeugen des Lammes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
Die Tore der Stadt sind stets geöffnet. Stadttore waren nötig, um die Bewohner vor Feinden zu beschützen. Nun gibt es keine Feinde mehr. Auch keinen Besitz, der vor Raub und Plünderung geschützt werden müsste, denn nun haben alle Anteil an der Überfülle Gottes.
Neid entsteht dadurch, dass einer mehr hat als der andere. Wo aber alle vollkommen alles haben, da gibt es keinen Neid mehr. Können wir uns das vorstellen, so reich beschenkt zu sein, dass wir weder einmal dessen überdrüssig werden, was wir haben, noch nach mehr verlangen?
Manchem mag das vielleicht langweilig erscheinen, doch Gottes neue Stadt ist kein Schlaraffenland, in dem alle müde herumliegen und sich die Bäuche füllen. Gottes Gegenwart bleibt auf ewig für die Menschen interessant genug, so dass seine Anschauung eine ständige Herausforderung ist. Dann werden wir erkennen, wie viel Kraft und Energie wir hier auf Erden für manch wertloses Tun vergeudet haben.
Es bleibt die interessanteste Aufgabe für einen Menschen in dieser und in der jenseitigen Welt, sich einzuüben im Verweilen in Gottes Gegenwart.

Sonne und Mond, das sind die Leuchten, die Gott dem Schöpfungsbericht nach geschaffen hat als Lichter für Tag und Nacht und als Maß für die Zeiten. Der Rhythmus ihres Auf- und Niedergangs bestimmt das Leben auf Erden. In Gottes neuer Stadt wird es keine Zeit mehr geben, kein Werden und kein Vergehen, sondern nur noch ewiges Sein.
Gott wird die Stadt mit dem Licht seiner Nähe erleuchten, das strahlender ist als die Sonne. Ohne das Licht der Sonne gibt es kein Leben auf Erden. Doch wichtiger noch als die Sonne ist Gottes Gegenwart. Sie ist es, die alles am Leben erhält.
Diese lebenserhaltende Kraft werden die Menschen dann in ihrer Vollkommenheit spüren. Ist es nicht herrlich, ein solches Sonnenbad im Licht der Liebe Gottes zu genießen?

Jerusalem

Es ist für uns wichtig, immer wieder zu betrachten, wie nahe Gott uns ist, auch wenn uns seine Gegenwart jetzt noch verborgen ist und wir ihn noch nicht sehen können, wie er ist.
Schon im Judentum ist die Einwohnung Gottes in seiner Schöpfung, die Schekhina, von großer Bedeutung. Zunächst hat Mose beim Auszug aus Ägypten auf Anordnung Gottes das Bundeszelt errichtet, als Ort der Begegnung mit Gott. Als die Israeliten im Heiligen Land sesshaft wurden, entstanden mehrere Heiligtümer. Zentrale Bedeutung hat der Tempel in Jerusalem erlangt. Das Allerheiligste im Tempel war nun nach Sicht der Juden der Ort der Einwohnung Gottes in dieser Welt.
Mit Christus ist Gott selbst in diese Welt gekommen. Christus ist der Beginn von etwas ganz Neuem. Nun ist das Reich Gottes gekommen, die Endzeit ist angebrochen und wir warten auf die Wiederkunft Christi. Christus hat nach seinem Tod und seiner Auferstehung die Welt nicht einfach wieder verlassen, sondern hat uns den Heiligen Geist gesandt und uns die Sakramente geschenkt als Zeichen seiner Gegenwart. So bleibt Gott uns nahe in dieser Welt. Ganz besonders wird dies in der Eucharistie deutlich. In jeder Messfeier wird Gott auf dem Altar gegenwärtig, ja durch seine bleibende Präsenz in der Eucharistie wohnt Gott in jeder Kirche, im Tabernakel. In der Offenbarung heißt es: Seht das Zelt Gottes unter den Menschen. Hier steht im lateinischen Text das Wort tabernaculum. Wenn es auch viele Orte der Gegenwart Gottes in dieser Welt gibt, so ist doch seine Gegenwart in den Tabernakeln unserer Kirchen ein ganz besonderes Zeichen dieses Wohnen Gottes mit den Menschen in seiner Schöpfung. Es zeigt uns, dass die Verheißung der Offenbarung sich nicht nur auf die Zukunft bezieht, sondern jetzt schon Wirklichkeit ist.
Jesus spricht vom neuen Gebot, das die Liebe ist. Liebe und Eucharistie gehören untrennbar zusammen. Gott ist die Liebe und wenn er sich zeigt, zeigt er sich als der liebende Gott. Das Wohnen Gottes in seiner Schöpfung wird auch da in ganz besonderer Weise Wirklichkeit, wo Menschen in Liebe vereint sind. Das ist da der Fall, wo die christliche Gemeinde zum Gottesdienst zusammenkommt. Aber auch überall dort, wo sich Menschen im Alltag in Liebe begegnen. Durch unser christliches Dasein und Tun können wir überall Zeichen der Gegenwart Gottes setzen. Ein besonderer Ort der Gegenwart Gottes sollen auch unsere Familien sein. Die Familie ist die Keimzelle jeder christlichen Gemeinde, sie ist Kirche im Kleinen. In ihr geschieht in erster Linie die Unterweisung der Kinder im Glauben und das liebende Miteinander der Eheleute ist ein Bild für die Liebe Christi zu seiner Kirche.
Bitten wir Gott darum, dass er uns die Kraft und den Mut gebe, hier in dieser Welt Zeugen für seine Liebe, für sein Wohnen unter den Menschen zu sein. Beten wir auch darum, dass Gott uns in der künftigen Welt würdig mache ihn dann nicht mehr nur verborgen zu schauen, sondern so wie er ist.

Jerusalem

Stand am Beginn von allem der Garten Eden, endet jetzt die Heilsgeschichte in der Vision von der Gottesstadt. Jerusalem ist die reine Braut und alles an ihr zeugt von der Gegenwart Gottes. Da Gottes Herrlichkeit sie durchflutet, leuchtet sie wie ein Jaspis. Aus Jaspis sind auch ihre Mauern. Sie selbst besteht aus Gold, das wie die Märtyrer im Feuer geprüft und gereinigt wurde, Gold, nun rein wie Glas. Sie ist planmäßig angelegt als großes Quadrat, alle Maße basieren auf der Zahl 12. Länge, Breite und Höhe messen 12.000 Stadien und lassen als Idealraum einen gewaltigen Kubus entstehen. Die Stadt besitzt 12 Tore, durch die die 12 Stämme Israels einziehen können. Die Tore sind als Perlen gebaut, die nach antiker Überlieferung aus dem Tau des Himmels entstehen. Mit ihrem geheimnis-vollen Leuchten werden die Perlentore zum Spiegel der Erlösten, die gleichfalls von oben neu geboren und erleuchtet sind. Die 12 Grundsteine der Mauern bestehen aus Edelsteinen. Wie die Perlen sind sie Zeichen der vollendeten Schöpfung; der Materie, für die Gottes Licht transparent wurde. Die Namen der 12 Apostel stehen auf den Grundsteinen, da die Zeugen der Grund sind, auf dem die Gottesstadt erbaut wurde. Weil Gott alles in allem ist, braucht die Stadt keinen Tempel mehr. Gottes Herrlichkeit zeigt sich im Lamm, das die Stadt hell erleuchtet. Die Gestirne haben ausgedient. Christus ist jetzt wirklich das Licht der Welt. Die Engel über den 12 Toren versinnbildlichen die Geborgenheit, die Gottes Wohnung den Menschen schenkt. Jerusalem - Sehnsucht und Ziel aller Menschen.
Die Lesungen der letzten Sonntage haben uns die Schilderung des himmlischen Jerusalem vor Augen geführt. Heute sagt Christus zu uns: "Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können." (Offb 22,12.14) Das Ziel eines jeden Menschen ist es, in dieses Stadt, das himmlische Jerusalem, zu gelangen. Christus fordert die Reinheit als Bedingung für den Eintritt. Rein wird der Mensch in erster Linie durch die Taufe. In ihr schenkt Gott dem Menschen umsonst die Erlösung. Doch ist das Geschenk der Taufe Gabe und Aufgabe zugleich. Aus Liebe zu Christus ist der Mensch aufgefordert, in seinem Leben aus dieser Taufgnade heraus zu leben und sich so von dieser Welt zu unterscheiden. Schon in diesem Leben soll sichtbar werden, dass wir nun nicht mehr von dieser Welt sind, sondern dass unsere Heimat im Himmel ist.