Die Heiligen

4.10. Ammon

Ammon

Ammon
ca. 288-350
Wüstenvater

Die Ursprünge des christlichen Mönchtums liegen weitgehend im Dunkeln. Wahrscheinlich haben bereits zur Zeit der Christenverfolgungen Ende des 3. Jahrhunderts einige Christen die Städte verlassen, um in der weitgehend unbewohnten Wildnis der Wüste in Sicherheit vor den Verfolgungen ihren Glauben leben zu können. Die große Bewegung des Mönchtums entstand aber erst nach der offiziellen Anerkennung des Christentums durch den Römischen Staat unter Kaiser Konstantin. Nun bedeutete Christsein nicht mehr so sehr die Entscheidung zu einem Leben, das in einem gewissen Gegensatz zur herrschenden Kultur im Römischen Reich stand, sondern die Entscheidung für eine wie wir heute sagen würden Volkskirche. Waren die christlichen Mysterien und die Feier des christlichen Gottesdienstes bisher eine Art Geheimkult gewesen, zu dem man durch eine lange Initiation, deren Höhepunkt die Taufe darstellte, Zugang erhielt, sanken allmählich die für die Taufe notwendigen Voraussetzungen. Was vorher eine bewusste Entscheidung mit einem gewissen Risiko der Verfolgung bedeutete, wurde zu einem für die große Masse zugänglichen Ereignis.
Der entschiedene Weg der Nachfolge, den Christus von seinen Jüngern fordert, der Verzicht auf allen Besitz und auf familiäre Bindungen, konnte nicht der Weg für jeden Christen in einer Volkskirche sein. Jede Gesellschaft hat ja die Familie als ihre Grundlage und ist auf materielles Wirtschaften angewiesen. Das Christentum als Volkskirche hat einen anderen Charakter als das Christentum in seiner Entstehungszeit. Das ist eine historische Entwicklung und als solches auch gut. Fortan wird es aber immer auch Menschen geben, die weiterhin das Evangelium in seiner Radikalität leben und somit der großen Masse der Gläubigen Impulse geben, ihren Glauben im Alltag bewusster zu leben.
Daher setzt die große Bewegung des Mönchtums auch erst zu der Zeit ein, als das Christentum im Römischen Reich zur Volkskirche geworden ist. Die Mönche wollten die ursprüngliche Radikalität des Christentums bewahren. Auch hier gab es eine Entwicklung. Nachdem zunächst nur wenige in der Einsamkeit der Wüste in die harte Schule des Evangeliums gingen, schlossen sich diesen ersten Vätern immer mehr Schüler an, bis das Mönchtum schließlich zu einer Massenbewegung wurde. Die Wüste bevölkerte sich mit unzähligen Mönchen, aus den Zellen der Einsiedler bilden sich kleine Gemeinschaften, bis es dann schließlich zu den großen klösterlichen Gemeinschaften kam, deren Zusammenleben durch eine strenge Klosterregel organisiert ist.
Die ersten Väter kannten noch keine solche Regel. Ihre Richtschnur war die Heilige Schrift. Sie lebten in ihrer Zelle und verbrachten den Tag und auch den Großteil der Nacht im Gebet und einige Stunden mit Handarbeit. Sie aßen und tranken nur das Allernötigste, redeten kaum und waren in ständigem Kampf gegen unnütze Gedanken und menschliche Leidenschaften, in denen sie die Angriffe der Dämonen sahen. Von Ammon ist dazu folgender Spruch überliefert, der charakteristisch für diesen Kampf gegen die Leidenschaften und die Suche nach innerer Ruhe ist:

Vierzehn Jahre habe ich in der Sketis verbracht und habe Tag und Nacht Gott gebeten, er möge mir die Gnade gewähren, den Zorn zu überwinden. (Apophthegmata Patrum)

Mönch wird man nicht allein durch das Leben in der Wüste, sondern nur durch tägliche Anstrengung und nicht jedem wird die Gnade zuteil, den inneren Frieden zu finden. So pflegte Ammon zu sagen:

Es könnte einen geben, der hundert Jahre in seinem Kellion sitzt, ohne zu lernen, wie man im Kellion sitzen soll. (Apophthegmata Patrum)

Und weiter sagte Ammon, als man ihn fragte, welches der enge und beschwerliche Weg sei, von dem Jesus im Evangelium (Mt 7,12) spricht:

Der enge und beschwerliche Weg ist dieser: Seinen Gedanken Gewalt antun und Gottes wegen den eigenen Willen abschneiden. Das ist auch der Sinn des Wortes: Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt (Mt 19,27). (Apophthegmata Patrum)

Die Schüler der ersten Väter, die diesen in die Wüste folgten, waren weitgehend auf sich gestellt. Sie ahmten das Vorbild der Väter nach, indem sie deren Leben beobachteten. Ab und an gingen sie zu den Vätern, um von ihnen ein Wort der Weisung einzuholen. Diese Worte der Väter waren so kostbar, dass sie gesammelt und weitergegeben wurden. Sie sind uns heute in den "Apophthegmata Patrum" überliefert.
Der große Bischof Athanasius von Alexandrien (ca. 300-373) machte durch die Beschreibung des Lebens von Antonius dem Großen das ägyptische Mönchtum einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Der heilige Ammon gehört zusammen mit Antonius dem Großen zu den Gründervätern des ägyptischen Mönchtums. Er stammte wie auch Antonius aus einer vornehmen Familie. Nach dem frühen Tod seiner Eltern heiratete er. Jedoch spürte er in sich die Berufung zu einem ganz besonderen Weg der Nachfolge. Es heißt, dass er fortan mit seiner Frau in völliger Enthaltsamkeit zusammenlebte.
Als die Zeit dafür gekommen war, verließ Ammon dann schließlich seine Frau, um in die Wüste zu gehen und dort als Mönch zu leben. Das erinnert uns an den heiligen Einsiedler Klaus von Flüe, der sein Leben als Schweizer Almbauer und das Zusammenleben mit seiner Frau aufgab, um nahe seines Hofes in einer Einsiedelei zu leben. Obwohl wir kaum etwas darüber wissen, können wir annehmen, dass auch die Frau Ammons die Sehnsucht nach einem Leben in der Nachfolge des Herrn teilte, denn es heißt, dass sie von nun an in einer geistlichen Gemeinschaft von Jungfrauen gelebt hat.

Es war um das Jahr 330, als Ammon sich in der südlich der Großstadt Alexandria gelegenen Wüste, die Nitria genannt wird, niederließ. Dort schlossen sich ihm mehrere Schüler an. Ammon kannte damals bereits Antonius den Großen, der weiter südöstlich, auf der anderen Seite des Nils, als Einsiedler lebte. Wir wissen nicht, wie oft Ammon den 13-tägigen Fußmarsch zu Antonius zurückgelegt hat, aber er hat ihn sicher mehrere Male besucht. Es wird berichtet, wie Ammon sich auf diesem Weg einmal verirrt hat und dann durch eine wie eine Hand aussehende Wolke von Gott auf den richtigen Weg gewiesen wurde oder auch, wie er von Engeln auf wundersame Weise über den Nil getragen wurde.
Auch Antonius hat Ammon besucht. Als sich ihm immer mehr Mönche anschlossen, fragte Ammon den Antonius um Rat, was er nun tun solle. Gemeinsam schreiten sie ein Gebiet von etwa 20 km Länge ab, in dem sich von nun an weitere Brüder um Ammon in einer losen, aber überschaubaren Gemeinschaft zusammenschließen sollen. Dieses Gebiet, das Kellia genannt wird, liegt etwas weiter südlich und tiefer in der Wüste als die Gegend von Nitria und wurde ab dem Jahr 338 von Mönchen bewohnt. Dieses Ereignis wird in den Apophthegmata folgendermaßen beschrieben:

Abbas Antonius kam einmal, um Abbas Ammon auf dem Berg Nitria zu besuchen, und als sie sich trafen sagte Ammon: "Durch dein Gebet nimmt die Zahl der Brüder zu und einige von ihnen möchten mehr Zellen bauen, in denen sie in Frieden leben können. Wie weit entfernt von hier sollen wir die Zellen bauen?" Antonius antwortete: "Lass uns zur neunten Stunde essen und dann in die Wüste gehen, um die Gegend zu erkunden." So gingen sie in die Wüste hinaus und wanderten bis zum Sonnenuntergang. Dann sagte Antonius: "Lass uns beten und hier das Kreuz aufstellen, so dass jene, die das möchten, hier bauen können. Wenn diejenigen, die zurückbleiben, jene, die hier leben, besuchen wollen, dann können sie zur neunten Stunde etwas essen und dann kommen. So können alle untereinander in Kontakt bleiben, ohne dass ihre Gedanken abgelenkt werden." (Apophthegmata Patrum)

Es war also wichtig, dass die Brüder so nah in Kontakt standen, dass sie sich gegenseitig aufbauen konnten, aber doch so weit entfernt waren, dass sie einander nicht störten, das bedeutet, dass sie einander nicht sehen und hören konnten, wenn sie, wie es damals üblich war, laut beteten oder in der Heiligen Schrift lasen. Zugleich sollte der Weg aber nicht zu weit sein, damit sie sich zur gemeinsamen Feier der Eucharistie am Sonntag treffen konnten. Nur wenige der Mönche waren Priester.
In der Einsamkeit kam es auch immer wieder vor, dass einzelne Brüder Fehler begingen. Hier zeigt sich die große Barmherzigkeit der Väter. Denn ihnen lag nicht daran, dass jene, die gefallen waren, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden, sondern dass sie Barmherzigkeit erfuhren und so neue Kraft erhielten, in der nächsten Anfechtung standhaft zu bleiben. Dazu gibt es folgende Geschichte über Ammon:

Der Altvater Ammon kam einmal irgendwo hin, um zu essen. Dort befand sich einer, der einen schlechten Ruf hatte. Es begab sich, dass eine Frau daherkam und in das Kellion des Bruders mit dem üblen Ruf ging. Als die Bewohner des Ortes das erfuhren, gerieten sie in Aufregung und taten sich zusammen, um ihn aus seinem Kellion zu vertreiben. Als sie erfuhren, dass Ammon im Ort sei, gingen sie zu ihm und forderten ihn auf, mit ihnen zu kommen. Als der Bruder das merkte, nahm er die Frau und versteckte sie in einem großen Fass. Als nun die Menge eintraf, wusste der Altvater Ammon bereits, was vorgefallen war, doch um Gottes willen verdeckte er die Sache. Er trat ein, setzte sich auf das Fass und ordnete eine Durchsuchung des Kellions an. Aber, obwohl sie sorgsam suchten, fanden sie die Frau nicht. Da sagte der Altvater Ammon: "Was ist das? Gott soll euch vergeben!" Er ließ ein Gebet verrichten und schickte alle hinaus. Dann nahm er den Bruder bei der Hand und ermahnte ihn: "Gib auf dich acht, Bruder!" Nach diesen Worten ging er weg. (Apophthegmata Patrum)

Zu Lebzeiten von Ammon gehörten etwa 500 Mönche zur Gemeinschaft von Nitria und Kellia. Später ging ihre Zahl in die Tausende. Ammon starb vor seinem Freund und Gefährten Antonius, denn es wird berichtet, dass Antonius sah, wie die Seele von Ammon in den Himmel getragen wurde. Es ist überliefert, dass Ammon 62 Jahre alt geworden ist. Da er im Alter von etwa 20 Jahren im Jahr 308 geheiratet hat, können wir von seiner Geburt etwa im Jahr 288 und seinen Tod etwa im Jahr 350 (auf jeden Fall vor 356, dem Todesjahr von Antonius) ausgehen.