Die Heiligen

4.10. Franz von Assisi

Franziskus

Franz von Assisi
1181/82-1227
Ordensgründer

Franziskus

Geburt und Jugend

Franziskus wurde 1181/82 als ältester Sohn des reichen Kaufmanns Pietro di Bernadone und seiner aus adligem Geschlecht stammenden Ehefrau Giovanna in Assisi geboren. Damals gelangte das Bürgertum zu Reichtum und Ansehen und es kam zu Konflikten zwischen dem "neureichen" Bürgertum und den alteingesessenen Adligen. Auch Assisi wurde zur Jugendzeit des Franziskus durch einen schweren Bürgerkrieg erschüttert.
Mit Taufnamen hieß Franziskus eigentlich Giovanni, doch der Vater gab ihm bald den Rufnamen "Francesco", der an die französischen Stoffe erinnert, mit deren Import der Textilkaufmann reiche Gewinne machte. Franziskus sollte einmal das Geschäft des Vaters übernehmen und bekam eine Grundausbildung in Schreiben, Lesen, Rechnen und Latein.
Doch Franziskus stand der Kopf zunächst nach anderen Dingen. Er war begeistert von den Erzählungen der Ritterromane, sehnte sich nach Abenteuern. Bei den Festen der Jugend war er durch seine humorvolle Art der große Star und er feierte gern mit seinen Freunden.
Als Assisi 1202 mit der Nachbarstadt Perugia Krieg führte, war der 20-jährige Franziskus mit dabei, ausgestattet mit Pferd und Rüstung aus dem Vermögen seines Vaters. Doch die Kämpfer aus Assisi verloren, Franziskus geriet für ein Jahr in Kriegsgefangenschaft. Er kehrte als ein veränderter Mensch in seine Heimatstadt zurück. Noch einmal suchte er im Jahr 1205 das Abenteuer mit neuem Pferd und neuer Rüstung, doch schon kurz nach dem Aufbruch verschenkte er seinen teuren Mantel einem verarmten Ritter und kehrte nach Assisi zurück.
Es sind anfangs nur kleine Anzeichen, die den inneren Wandel des Franziskus andeuten. Bei den Festen mit seinen Freunden wirkt er nachdenklich, plötzlich treten die Armen der Stadt in sein Gesichtsfeld, deren Existenz er früher wohl kaum wahrgenommen hat. Die Begegnung mit einem Aussätzigen wird zum entscheidenden Erlebnis.
Zunächst erschrak Franziskus, als in einer engen Wegbiegung plötzlich der Aussätzige vor ihm stand. Da er ihm nicht mehr ausweichen konnte, warf er schnell einige Münzen hin und ritt davon. Doch dann machte Franziskus kehrt, stieg vom Pferd und küsste den Aussätzigen, der ihn umarmte. Später wird er darüber schreiben:

Der höchste Gott hat mich unter die Geringsten geführt, und in der Begegnung mit dem Aussätzigen ist mein Herz erwacht.

Leben in der Nachfolge

Irgendwann war die Geduld seines Vaters am Ende. Er konnte es nicht länger mit ansehen, dass sein Sohn das Geschäft vernachlässigte und stattdessen das Vermögen unter die Armen verteilte. Er sperrte den Sohn ein, doch die Mutter ließ ihn frei. Es kam zu der beeindruckenden Szene am Marktplatz von Assisi, bei der Franziskus vor den Augen des Bischofs und der ganzen Stadt seinem Vater seine Kleider übergibt und sich so lossagt von jeder Bindung an seine Familie. Nackt und arm tritt er nun ganz in die Nachfolge des armen Christus.

Franziskus

Kleider machen Leute, so sagt man und das war zu allen Zeiten so. Wer etwas sein will, der kleidet sich vornehm, denn die meisten Menschen sehen zuerst auf das Äußere. Franziskus, der als Sohn eines reichen Textilhändlers aufgewachsen ist, wusste das sicher besser als viele andere. Von Kindheit an war er von den feinsten Stoffen, die es damals gab, umgeben.
Zieht den neuen Menschen an ... Viele Heilige haben am Beginn ihres Weges ein bewusstes Zeichen auch in Bezug auf ihre Kleidung gesetzt. Bis heute steht am Anfang des Klosterlebens die Einkleidung. In einer öffentlichen Zeremonie wird das neue Mitglied der Ordensgemeinschaft feierlich mit dem Ordensgewand bekleidet und erhält in manchen Orden zudem auch einen neuen Ordensnamen.
Auch Franziskus hat solch ein Zeichen gesetzt. Er hat sich in aller Öffentlichkeit ausgezogen und seinem Vater seine vornehmen Kleider zurückgegeben. Damit weist er jegliche weitere Unterstützung aus seiner Familie zurück und gibt sich ganz in die sorgenden Hände Gottes.
Für die Anfangszeit des Ordens des Heiligen Franziskus wird diese Armut ein Charakteristikum sein. Jeder, der sich Franziskus anschließt, verkauft seinen Besitz, verschenkt sein Vermögen an die Armen und zieht dann die Kutte der Bettelmönche an. Franziskus verlangt von seinen Brüdern keine weitere Erprobung für das Ordensleben, als diesen Schritt der Aufgabe des Vermögens.
Ein solch radikaler Schritt fällt nicht leicht und sicher kann nicht jeder wie Franziskus ein ganz neues Leben beginnen und auf seinen gesamten Besitz verzichten. Aber doch sollten wir uns immer wieder fragen: Wo zeige ich in meinem Leben, dass ich Christ bin? Wo können Menschen an meinem Leben erkennen, dass ich ein Mensch bin, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist? Wo vertraue ich mich Gottes sorgender Hand an?

Im Jahr 1206 verlässt Franziskus die bürgerliche Welt ganz. Alles beginnt in San Damiano. In diesem kleinen verfallenen Kirchlein vor der Stadt begegnet er Jesus Christus auf eine ganz neue Weise. Christus begegnet Franziskus hier nicht als der ferne Weltenherrscher, sondern als der Mensch gewordene Gottessohn, der für jeden Menschen offene Augen und Ohren, offene Arme und ein offenes Herz hat. Mit eigenen Mitteln richtet Franziskus dieses Kirchlein wieder her, nachdem er den Auftrag Gottes gehört hat:

Richte meine Kirche wieder auf.

Das, was Franziskus zunächst in seiner wörtlichen Bedeutung in die Tat umsetzt, wird in seinem übertragenen Sinn das ganze Leben des Heiligen prägen. Das unscheinbare Kirchlein birgt das heute berühmte Ikonenkreuz, auf dem Jesus Christus als der Leidende und Auferstandene dargestellt ist.
Franziskus geht in die Einsamkeit, er lebt unter den Randständigen der Gesellschaft. Bald schließen sich ihm Gefährten an. Eine neue religiöse Gemeinschaft entsteht, die bald auch vom Papst in Rom Anerkennung findet und sich bald über Italien hinaus ausbreitet.

Armut und Frieden

Absolute Armut ist von Anfang an das Kennzeichen der franziskanischen Bewegung. Wer sich Franziskus anschloss, musste sein gesamtes Vermögen verschenken, um dann mit Franziskus und seinen Brüdern um das Nötigste zum Leben zu betteln.
Anfangs stieß diese Lebensform bei den Mitmenschen auf große Skepsis. Franziskus und seine Brüder waren dem Spott und der Verachtung preisgegeben und es gibt Berichte davon, wie Menschen ihren Mutwillen an den Brüdern ausließen.
Der Bischof von Assisi fragte Franziskus, ob eine solche Lebensform der absoluten Armut nicht zu hart sei. Darauf antwortete Franziskus:

Franziskus
Wollten wir etwas besitzen,
so müssten wir auch Waffen
zu unserer Verteidigung haben.
Daher kommen ja die Streitereien
und Kämpfe, die die Liebe zu Gott
und den Mitmenschen hindern.
Darum wollen wir in der Welt
auch nichts Irdisches besitzen.

Nur in dieser radikalen Armut können Franziskus und seine Brüder das Evangelium uneigennützig verkünden und wirklich den Frieden verkünden, wie Jesus einmal sagt: "Wenn ihr in eine Stadt kommt, dann wünscht ihr Frieden."
Die Sehnsucht nach Frieden steckt tief im Menschen, aber nur wenigen gelingt es, wirklich Friedensboten zu sein. Zu stark sind die eigenen Wünsche, das eigene Streben nach Macht, zu gering ist die Bereitschaft zur Demut und zur Hingabe an den Willen Gottes.
Franziskus und seinen Brüdern ist diese Friedensmission gelungen. Sie kamen nicht wie so viele andere Christen mit dem Hintergedanken, die Menschen durch Bekehrung zu unterwerfen. Franziskus und seine Brüder kamen als Arme, um den Menschen den Schatz ihres Herzens zu bringen: Jesus Christus.
Um das Jahr 1217 wird von Franziskus berichtet, dass er auf seinen Missionsreisen, die ihn durch Italien und auch darüber hinaus führten, an der Stadt Arezzo vorbei gekommen ist. Die Stadt stand am Rande eines Bürgerkrieges und Franziskus sah die Geister der Zwietracht über den Häusern flattern.
Franziskus sandte seinen Gefährten Silvestro: "Geh vor das Stadttor und gebiete den Geistern des Hasses und der Zwietracht mit lauter Stimme, die Stadt zu verlassen." Franziskus aber betete im Hintergrund. Die Menschen in der Stadt aber schlossen nach wenigen Tagen Frieden untereinander.
1219 kommt Franziskus mit einigen Brüdern nach Ägypten. Sie kommen nicht wie damals die Kreuzfahrer, um Land zu erobern. Sie kommen als friedliche Pilger. Während zwischen den Kreuzfahrern und dem Sultan von Ägypten Krieg herrscht, schließt Franziskus Freundschaft mit dem Sultan und führt Gespräche mit islamischen Geistlichen, die von gegenseitiger Toleranz und Respekt geprägt sind. Ein wertvolles Geschenk des Sultans weist Franziskus als Freund des Sultans aus und erlaubt ihm den Besuch der Stätten des Heiligen Landes.

Franziskus

Der Heilige Franz von Assisi sagte einmal zu seinen Brüdern::

Euer Wunsch sei vor allem: den Heiligen Geist zu besitzen und seine heiligen Gnadenwirkungen.

Von diesem Wunsch getrieben beten wir täglich um Gottes Heiligen Geist. Er gibt uns die Weisheit, das zu erkennen, was Gott von uns will. Er gibt uns die Kraft, das zu tun, was wir als recht erkannt haben.
Jesus hat uns aufgetragen, uns selbst und einander zu lieben. Quelle dieser Liebe sind die Gnadengaben, die uns der Heilige Geist schenkt, damit wir mit dem, was wir von Gott bekommen haben, auch andere beschenken.

Komm Heiliger Geist, zeige mir meine Stärken, die ich aus deiner Kraft erhalten habe. Gib mir den Mut, meine Fähigkeiten für andere einzusetzen, damit die Liebe mächtig werde und die Menschen dich erkennen. Amen.

Die wahre Freude

"Schreibe", sagt er, "was die wahre Freude ist.
Es kommt ein Bote und sagt, dass alle Magister von Paris zum Orden gekommen sind. Schreibe: das ist nicht die wahre Freude.
Ebenso, alle Prälaten jenseits der Alpen, die Erzbischöfe und Bischöfe; ebenso der König von Frankreich und der König von England. Schreibe: Das ist nicht die wahre Freude.
Ebenso, dass meine Brüder zu den Ungläubigen gegangen sind und sie alle zum Glauben bekehrt haben; ebenso, dass ich von Gott solch große Gnade erhalten habe, dass ich Kranke heile und viele Wunder wirke. Ich sage dir, dass in all dem nicht die wahre Freude ist.
Was aber ist die wahre Freude?
Ich kehre von Perugia zurück, und in tiefer Nacht komme ich hierher, und es ist Winterszeit, schmutzig und so kalt, dass die kalten Wassertropfen am Saum des Habits gefrieren und immer an die Schienbeine schlagen, und das Blut aus diesen Wunden fließt.
Und völlig in Schmutz und Kälte und Eis komme ich zur Pforte, und nachdem ich lange geklopft und gerufen habe, kommt der Bruder und fragt: 'Wer ist da?'
Ich antworte: 'Bruder Franziskus.' Und er sagt: 'Geh fort! Es ist nicht die schickliche Zeit auszugehen. Du kommst nicht herein.' Und auf weiteres Drängen antwortet er: 'Geh weg! Du bist der nämliche einfältige und ungebildete Mensch. Du kommst auf keinen Fall zu uns. Wir sind so viele und von solcher Art, dass wir dich nicht brauchen.'
Und ich stehe wiederum an der Pforte und sage: 'Um der Liebe Gottes willen, nehmt mich auf in dieser Nacht.' Und jener antwortet: 'Das werde ich nicht tun. Geh zur Niederlassung der Kreuzträger und bitte dort.'
Ich sage dir: Wenn ich Geduld habe und nicht erregt werde, dass darin die wahre Freude ist und die wahre Tugend und das Heil der Seele."

Gebet

Du bist der alleinige Gott, der Eine, der Wundertaten vollbringt.
Du bist der Starke, du bist der Große, du bist der Höchste,
du bist allmächtig, du bist heilig, der Vater und König des Himmels und der Erde.
Du bist der Dreifaltige und der Eine, Gott der Herr.
Du bist das Gute, das höchste Gut, der lebendige und wahre Gott.
Du bist die Güte, die Liebe, du bist die Weisheit, du bist die Demut, du bist die Geduld.
Du bist die Geborgenheit, die Ruhe, die Fröhlichkeit und die Freude.
Du bist die Gerechtigkeit und das Maß. Du bist aller Reichtum.
Du bist die Milde, du bist unsere Zuflucht und Stärke,
du unser Glaube, unsere Hoffnung, und unsere Liebe, unsere große Glückseligkeit.
Du bist die unendliche Güte großer und wunderbarer Herr
Gott allmächtig, liebreich, erbarmend und heilbringend.
(Franz von Assisi)

Franziskus

Predigt an die Vögel

Franziskus sah einmal an seinem Weg auf den Bäumen viele Vögel sitzen. Er sagte zu seinen Begleitern, die bei ihm waren: "Wartet auf mich. Ich will meinen Geschwistern, den Vögeln eine Predigt halten." Kaum begann er zu sprechen, kamen die Vögel zu ihm heran geflogen und lauschten seinen Worten:

Vögel, ihr meine lieben Geschwister. Ihr sollt immer und überall Gottes Lob singen. Er hat euch die Freiheit geschenkt. Ihr könnt fliegen, wohin ihr wollt. Ihr habt ein schönes Federkleid. Ihr findet euer Futter. Ihr habt Flüsse und Bäche, um daraus zu trinken. Ihr findet Bäume und Sträucher, um eure Nester darin zu bauen. Seid dankbar und vergesst nie, mit eurem wunderbaren Gesang Gott zu loben.

Franziskus betrachtete staunend die schöne Vielfalt der Vögel. Sofort erhob sich die ganze Vogelschar mit einem herrlichen Gesang in die Luft. Sie flogen nach Osten und Westen, nach Süden und Norden. Franz sagte zu seinen Freunden:

Lasst uns von den Vögeln lernen. Wie sie, wollen wir Gottes Lob durch die ganze Welt tragen.

Die erste Weihnachtskrippe

Franziskus

Eine weitere bekannte Episode aus dem Leben des Heiligen ist das Weihnachtsfest in Greccio, an dem zum ersten Mal eine Weihnachtskrippe errichtet wurde.
Der hl. Franz von Assisi bedauerte, dass das Geschehen von Weihnachten zu wenig in die Herzen der Menschen eindringt. Er hatte daher eine Idee: Er wollte den Menschen das Geschehen von Weihnachten lebendig vor Augen führen und so auch ihre Herzen anrühren. Das geschah zum ersten Mal im Jahr 1223, als Franziskus mit seinen Brüdern und den Menschen aus dem italienischen Ort Greccio das berühmte Weihnachtsfest mit einer lebendigen Krippenszene gefeiert hat. Auch Ochs und Esel, die heute in keiner Weihnachtskrippe fehlen, kamen durch den hl. Franziskus in die Krippenszene hinein. Sie erinnern an das Wort des Propheten Jesaja: "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn." (Jes 1,3) Franziskus hat damals gesagt:

Ich möchte das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not so greifbar wie möglich mit leiblichen Augen schauen, die dieses kleine Kind zu leiden hatte, als es in eine Krippe gelegt wurde, an der Ochs und Esel standen und es auf Heu gebettet wurde.

Liebe zur Schöpfung

Der heilige Franziskus hatte eine besondere Liebe zur Schöpfung. Seine drei engsten Gefährten erzählen:

Wir, die wir bei ihm waren, haben gesehen, mit welch großer Betroffenheit und Liebe Franziskus die Geschöpfe liebte und verehrte. Und durch sie wurde er innerlich froh. Sein Geist wurde mit Zärtlichkeit und Mitleiden zu allen Geschöpfen erfüllt, so dass er verwirrt wurde, wenn jemand die Dinge ohne Ehrfurcht behandelte. So sprach er voll Begeisterung mit den Geschöpfen, als ob sie ein Gefühl für Gott hätten, verehren und sprechen könnten.

Immer wieder wird über das besondere Verhältnis von Franziskus zu Tieren erzählt. Dazu gehört auch seine Predigt an die Vögel:

Franziskus sah einmal an seinem Weg auf den Bäumen viele Vögel sitzen. Er sagte zu seinen Begleitern, die bei ihm waren: "Wartet auf mich. Ich will meinen Geschwistern, den Vögeln eine Predigt halten." Kaum begann er zu sprechen, kamen die Vögel zu ihm heran geflogen und lauschten seinen Worten: "Vögel, ihr meine lieben Geschwister. Ihr sollt immer und überall Gottes Lob singen. Er hat euch die Freiheit geschenkt. Ihr könnt fliegen, wohin ihr wollt. Ihr habt ein schönes Federkleid. Ihr findet euer Futter. Ihr habt Flüsse und Bäche, um daraus zu trinken. Ihr findet Bäume und Sträucher, um eure Nester darin zu bauen. Seid dankbar und vergesst nie, mit eurem wunderbaren Gesang Gott zu loben." Franziskus betrachtete staunend die schöne Vielfalt der Vögel. Sofort erhob sich die ganze Vogelschar mit einem herrlichen Gesang in die Luft. Sie flogen nach Osten und Westen, nach Süden und Norden. Franz sagte zu seinen Freunden: "Lasst uns von den Vögeln lernen. Wie sie, wollen wir Gottes Lob durch die ganze Welt tragen."

Sonnengesang

Zum Leben hat Gott alles geschaffen! So heißt es im Buch der Weisheit (Weish 1,14). Wir staunen immer wieder über die Kraft des Lebens, die Gott in die Schöpfung gelegt hat. Gott will uns Leben schenken. Er will, dass wir froh und zuversichtlich in den Tag gehen, mit der festen Überzeugung, Kinder Gottes zu sein, die die Liebe des Vaters allezeit beschützt.
Doch wir sehen diese Freude getrübt. Krankheit und Tod bedrohen unser Leben. Wie nahe Leid und Freude, Leben und Tod beieinander liegen, zeigt uns der hl. Franziskus. Am Ende seines Lebens ist er schwer krank, fast blind und von vielen Leiden geplagt. In dieser Zeit aber dichtet er eines der schönsten Lieder des Lebens, seinen Sonnengesang. Darin wehrt er sich nicht gegen Krankheit und Tod, sondern er nimmt sie an, in der Hoffnung, dass sie nicht das letzte Wort behalten.

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.
Franziskus

In Jesu Spur

Allmächtiger, ewiger, gerechter
und barmherziger Gott!
Verleihe uns Elenden,
um deiner selbst willen das zu tun,
von dem wir wissen, dass du es willst,
und immer zu wollen, was dir gefällt,
damit wir, innerlich geläutert, innerlich erleuchtet
und vom Feuer des Heiligen Geistes entflammt,
den Fußspuren deines geliebten Sohnes,
unseres Herrn Jesus Christus, folgen können
und allein durch deine Gnade
zu dir, Allerhöchster, zu gelangen vermögen,
der du in vollkommener Dreifaltigkeit
und in einfacher Einheit lebst und herrschst
und verherrlicht wirst als allmächtiger Gott
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Im Jahr 1226 stirbt Franziskus am Abend des 3. Oktobers im Kreise zahlreicher Mitbrüder in Portiuncula. Noch einmal segnet er alle Brüder. Am nächsten Tag wird er über San Damiano nach Assisi getragen und in der Kirche San Giorgio vorläufig bestattet. In seinem Testament betont er noch einmal zwei seiner wichtigsten Anliegen: Die Liebe zu Christus durch ein armes und demütiges Leben in Gemeinschaft mit den Armen und die Liebe zu Christus durch die Verbundenheit mit der von ihm gegründeten Kirche.

Franziskus

Papst Benedikt XVI. schreibt über den hl. Franziskus:

Unter den Namen, die der Heiligenkalender der katholischen Kirche aufweist, nimmt Franziskus eine herausragende Stellung ein. Christen und Nichtchristen, gläubige und ungläubige Menschen lieben diesen Mann. Von ihm geht eine Heiterkeit aus und ein Friede, der ihn jenseits aller sonst unversöhnlich scheinender Gegensätze stellt. Heute fasziniert Franziskus viele durch seine entschlossene Absage an die Welt des Besitzes und seine ungekünstelte Liebe zur Schöpfung, zu den Vögeln, zu den Fischen, zum Feuer, zum Wasser, zur Erde. Wenn man Franziskus genau ansieht, dann wird er überall auch zur Korrektur unserer Einstellungen. Er bestätigt uns nicht einfach; er ist viel anspruchsvoller, als wir es gerne wahrhaben möchten, und er führt uns mit seinem Anspruch zum Anspruch der Wahrheit selbst.
Nehmen wir als einen Aspekt den Umgang des hl. Franziskus mit der Schöpfung heraus. Dazu zunächst eine kleine Geschichte: Franziskus bat den Bruder, der den Garten bestellte, nie das ganze Erdreich mit Gemüse zu bepflanzen, sondern einen Teil des Gartens für Blumen freizulassen, damit er zu jeder Zeit des Jahres unsere Schwestern, die Blumen hervorbringe, aus Liebe zu der, welche genannt wird "die Blume des Feldes und die Lilie des Tales." (Hld 2,1) Ebenso wollte er, daß stets ein besonders schönes Beet angelegt werde, damit Menschen zu allen Zeiten durch den Anblick der Blumen zum Lob Gottes begeistert würden, denn jedes Geschöpf ruft uns zu: Gott hat mich um deinetwillen erschaffen, o Mensch.
Bei dieser Geschichte kann man nicht einfach das Religiöse als überholten Kram beiseite lassen, um bloß die Absage an die schnöde Zweckmäßigkeit und die Erhaltung des Reichtums der Arten zu übernehmen. Wenn man dies will, tut man etwas ganz anderes, als Franziskus es getan und gewollt hat. Vor allem aber ist in dieser Geschichte nichts von dem Ressentiment gegen den Menschen als angeblichen Störenfried der Natur zu verspüren, das heute in so vielen Plädoyers für die Natur mitschwingt. Wenn der Mensch aus den Fugen gerät und sich selbst nicht mehr mag, dann kann die Natur nicht gedeihen. Ganz im Gegenteil: Er muss im Einverständnis mit sich selbst sein; nur dann kann er ins Einverständnis mit der Schöpfung treten und sie mit ihm. Und das wieder kann er nur, wenn er im Einverständnis mit dem Schöpfer ist, der die Natur gewollt hat und uns. Der Respekt vor dem Menschen und der Respekt vor der Natur gehören zusammen, aber beides kann letztlich nur gedeihen und sein Maß finden, wenn wir im Menschen und in der Natur den Schöpfer und seine Schöpfung respektieren. Nur von ihm her lassen sie sich zusammenfügen. Wir werden das verlorene Gleichgewicht gewiß nicht wiederfinden, wenn wir uns weigern, zu dieser Stelle vorzudringen. So haben wir allen Grund, uns durch Franz von Assisi nachdenklich machen und von ihm her auf den Weg bringen zu lassen. (Aus: Benedikt XVI., Gottes Glanz in unserer Zeit, S. 165-168)