Die Heiligen

26.7. Anna u. Joachim

Anna und Joachim

Joachim und Anna
Eltern der Gottesmutter

Anna Selbdritt

Von Anna und Joachim, den Eltern der Gottesmutter und Großeltern Jesu, erfahren wir nichts in der Bibel, sie werden aber bereits im 2. Jahrhundert in apokryphen Evangelien erwähnt, was ihre große Wertschätzung und Verehrung unter den Christen bezeugt. Im 6. Jahrhundert intensivierte sich ihre Verehrung im byzantinischen Reich, gelangte im 8. und 9. Jahrhundert in den Westen, und wurde dort vor allem in Verbindung mit den Kreuzzügen immer beliebter.
Anna und Joachim sollen in der Nähe des Bethesda-Teiches in Jerusalem gewohnt haben. Dort wurde im Jahr 1142 die St.-Anna-Kirche errichtet. Sie ist die älteste erhaltene Kreuzfahrerkirche. Nach der muslimischen Eroberung Jerusalems wurde aus ihr eine Koranschule, im Jahr 1856 gelangte das Gebäude jedoch als Geschenk des damaligen Sultans an Napoleon III. wieder in christlichen Besitz. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten übernahmen die Weißen Väter die St.-Anna-Kirche. Sie zählt zu den schönsten noch erhaltenen romanischen Kirchen in ganz Jerusalem.
Durch die Kreuzzüge und die Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer gelangten viele Reliquien der hl. Anna in den Westen, unter anderem das Haupt der hl. Anna. Das 15. und 16. Jahrhundert bilden den Höhepunkt ihrer Verehrung. Im Jahr 1481 ließ Papst Sixtus IV. ihren Gedenktag in den römischen Kalender aufnehmen, 1584 legte Papst Gregor XIII. den Festtag der hl. Anna auf den 26. Juli. Joachim, dessen Gedenktag ursprünglich der 16. August war, wird seit der Liturgiereform des II. Vatikanums am gleichen Tag wie seine Ehefrau gefeiert.
Ein beliebtes Motiv, Anna Selbdritt genannt, zeigt die hl. Anna mit Maria und dem Jesuskind.

Heilige Mutter Anna,
deine Tochter Maria hat uns durch Jesus,
ihren göttlichen Sohn, das Heil vermittelt.
Mit dir loben und preisen wir den Herrn
wegen seiner Gnadengaben.
Begleite uns und unsere Familien mit deiner Fürbitte,
damit wir das Leben in unseren Familien so gestalten,
dass sie uns Schutz und Geborgenheit geben,
und wir einst das ewige Leben erlangen.
Amen.
Anna und Joachim

Die Legende erzählt, dass Anna und Joachim lange kinderlos waren und sich sehnlichst ein Kind gewünscht haben. Sie wurden wegen ihrer Kinderlosigkeit von den Leuten verspottet, denn Kinderlosigkeit galt damals als Schande. Doch Gott hat auf sie geschaut. Das apokryphe Protoevangelium des Jakobus schildert ausführlich diese Ereignisse:

In den "Geschichten der 12 Stämme Israels" war die Rede von Joachim, der war sehr reich und brachte seine Gaben im Tempel stets doppelt dar, indem er sagte: "Was dabei zu viel ist, mag dem ganzen Volk zu Gute kommen, und was auf meine Vergebung der Sünden entfällt, das gehöre dem Herrn zur Sühne für mich." Der Große Tag des Herrn war aber herbeigekommen, und die Kinder Israel brachten ihre Gaben dar. Da trat Rubim vor ihn hin und sprach: "Du hast keinen Anspruch, als erster deine Gabe darzubringen, weil du keine Nachkommenschaft in Israel geschaffen hast." Und Joachim wurde sehr betrübt und ging fort zum Zwölf-Stämme-Buch Israels mit dem Gedanken: "Ich will doch das Zwölf-Stämme-Buch Israels einmal ansehen, ob ich ganz allein keine Nachkommenschaft in Israel geschaffen habe." Und er forschte nach und stellte von allen Gerechten fest, dass sie Nachkommenschaft in Israel hatten erstehen lassen. Und es kam ihm vom Erzvater Abraham in den Sinn, dass Gott ihm wenigstens noch am letzten Tage einen Sohn, den Isaak, gegeben hatte, und Joachim wurde sehr betrübt und zeigte sich seinem Weibe gar nicht, sondern begab sich ohne Abschied in die Wüste: dort schlug er sein Zelt auf und fastete 40 Tage und 40 Nächte. Er sprach bei sich: "Ich will nicht hinabsteigen weder zu Speise noch zu Trank, bis mich der Herr mein Gott gnädig heimgesucht hat; so lange soll das Gebet mir Speise und Trank sein."
Seine Frau Anna aber stimmte zweifache Trauerweise an und hielt zweifache Klage: "Klage halten will ich über mein Witwenlos, Klage halten will ich über meine Kinderlosigkeit." Der große Tag des Herrn aber kam herbei, und Judith, ihre Magd, sagte: "Wie lange willst du deine Seele in Trauer niederbeugen? Siehe, herbeigekommen ist der große Tag des Herrn. Da darfst du doch nicht trauern! Nimm lieber dies Kopfband, das mir die frühere Arbeitsherrin geschenkt hat! Mir steht nicht an, es umzubinden, weil ich nur eine Magd bin, und es hat doch königliches Gepräge." Anna aber sagte: "Geh, bleib mir damit weg! Das tue ich auf gar keinen Fall. Der Herr hat mich ja schon genug gebeugt. Vielleicht hat ein geriebener Bursche mit dem du eine Liebschaft gehabt hast es dir geschenkt, und du bist nur gekommen, mich in deine Sünde mit hineinzuziehen." Da sagte Judith: "Was sollte ich dir noch Unglück wünschen, wo dich der Herr doch genug gestraft und deinen Mutterleib verschlossen hat, um dir keine Leibesfrucht in Israel zu geben?"
Anna wurde sehr betrübt, sie legte ihre Trauerkleider ab, wusch ihr Haupt und zog ihre Brautkleider an, und um die neunte Stunde ging sie in den Garten hinab, um etwas hin und her zu wandern. Da sah sie einen Lorbeerbaum und setzte sich unter ihn und flehte zum Herrn und sprach: "Gott meiner Väter, segne mich und erhöre meine Bitten, wie du den Mutterleib Sarahs gesegnet und ihr einen Sohn, den Isaak, geschenkt hast!" Und als sie zum Himmel schaute, sah sie ein Sperlingsnest im Lorbeerbaum. Da stimmte sie bei sich eine Trauerweise an und sang: "Weh mir! Wer hat mich gezeugt, welch ein Mutterleib mich hervorgebracht? Denn als Fluch bin ich geboren vor den Kindern Israel und bin mit Schimpf angetan, und mit Spott haben sie mich belegt hinaus zum Tempel des Herrn. Weh mir! Wem kann ich mich vergleichen? Nicht kann ich mich vergleichen den Vögeln des Himmels, denn auch die Vögel des Himmels erben sich fort vor dir, Herr! Weh mir! Wem kann ich mich vergleichen? Nicht kann ich mich vergleichen den Tieren der Erde, denn auch die Tiere der Erde erben sich fort vor dir, Herr! Weh mir! Wem kann ich mich vergleichen? Nicht kann ich mich vergleichen diesen Wassern hier, denn auch diese Wasser erben sich fort vor dir, Herr! Weh mir! Wem kann ich mich vergleichen? Nicht kann ich mich vergleichen diesem Lande hier, denn auch dieses Land bringt seine Früchte zu seiner Zeit und preiset dich, Herr!" Und siehe, ein Engel des Herrn trat herzu und sprach zu ihr: "Anna, Anna! Erhört hat der Herr deine Bitte: du sollst empfangen und sollst gebären, und dein Same soll in aller Welt genannt werden." Und Anna sagte: "So wahr der Herr mein Gott lebt, wenn ich dann gebären werde, ob männlich oder weiblich, will ich es dem Herrn meinem Gott als Gabe darbringen, und es soll ihm alle Tage seines Lebens nach Priesterart dienen."
Anna und Joachim
Und siehe, da kamen zwei Boten und meldeten ihr: "Siehe, Joachim, dein Mann, ist im Anmarsch mit seinen Herden." Ein Engel des Herrn nämlich war zu ihm hinabgestiegen und hatte ihm gesagt: "Joachim, Joachim! Erhört hat der Herr Gott deine Bitte. Geh hinab von hier! Denn siehe: dein Weib Anna wird schwanger werden." Und Joachim war hinabgezogen und hatte seine Hirten gerufen und geheißen: "Bringt mir zehn Lämmer hierher, ohne Makel und Fehl! Die sollen dem Herrn, meinem Gott gehören. Und bringt mir zwölf zarte Kälber! Die sollen für die Priester und die Ältesten sein. Und hundert Ziegenböcke für das ganze Volk!" Und siehe, Joachim kam mit seinen Herden gezogen, und Anna stand an der Tür und sah Joachim kommen. Da lief sie und hängte sich an seinen Hals und sagte: "Jetzt weiß ich, dass der Herr mich reichlich gesegnet hat. Denn siehe, die Witwe ist keine Witwe mehr, und ich Kinderlose soll schwanger werden." Und Joachim gab sich den ersten Tag der Ruhe hin in seinem Hause. Am anderen Tag aber brachte er seine Gaben im Tempel dar und sprach bei sich: "Wenn der Herr Gott mir gnädig geworden ist, dann soll mir das Stirnblatt des Priesters es offenbar machen." Und Joachim brachte seine Gaben dar und gab acht auf das Stirnblatt des Priesters, als er zum Altar des Herrn hinzutrat, und er sah keine Sünde an sich. Da sprach Joachim: "Jetzt weiß ich, dass der Herr mir gnädig geworden ist und alle meine Sünden vergeben hat." Und er ging hinab aus dem Tempel des Herrn gerechtfertigt und kehrte heim in sein Haus.
Es gingen aber ihre Monate vorüber: im neunten Monat dann gebar Anna. Und sie sagte zur Hebamme: "Was habe ich geboren?" Die sagte: "Ein Mädchen." Da sprach Anna: "Erhoben ist meine Seele an diesem Tage." Und sie legte es nieder und bettete es. Als aber die Tage um waren, wusch sich Anna und gab dem Kinde die Brust und nannte seinen Namen Maria.

Nach der inhaltlich ähnlichen Fassung dieser Ereignisse in der Legenda Aurea fand die Begegnung zwischen Joachim und Anna nach der Zeit der Trennung auf Geheiß eines Engels an der goldenen Pforte in Jerusalem statt.

Anna und Joachim gingen sich entgegen auf des Engels Geheiß und begegneten einander an der Goldenen Pforte.

Der freudige Kuss der beiden Eheleute bei dieser Begegnung wird in einem Fresko von Giotto di Bondone in beeindruckender Weise dargestellt. Mir kamen dazu folgende Worte des großen russischen Schriftstellers Dostojewski in den Sinn:

Schönheit ist eine gleichermaßen schreckliche wie geheimnisvolle Sache. Hier streiten Gott und der Teufel um die Vorherrschaft, und das Schlachtfeld ist das männliche Herz.

Passen die Worte Dostojewskis zum Gedenktag der Eltern der Gottesmutter Maria, die auch als Patrone für die Eheleute verehrt werden? Ich meine ja.
Wenn sich zwei Menschen, Mann und Frau, lieben, so sehr, dass sie es sich vorstellen können, den Rest ihres Lebens gemeinsam zu verbringen, so geschieht das doch in der Regel deshalb, weil sie sich gegenseitig so sehr schätzen, dass jeder für den anderen der bedeutendste Mensch im Leben ist. Sie fühlen sich gegenseitig angezogen von der Schönheit des Partners, die mehr bedeutet, als gutes Aussehen. Neben der äußerlichen Attraktivität meint Schönheit vor allem auch die inneren Werte des anderen, die ihn für uns interessant machen. Wenn wir einen Menschen lieben, dann fasziniert uns sein Blick, sein Lächeln, seine Worte, wie er sich bewegt ...
Schönheit kann blenden und sie kann uns in die Versuchung führen, den anderen besitzen zu wollen und uns seine Schönheit selbst nützlich zu machen. Schönheit kann uns aber auch immer wieder darauf hinweisen, groß vom anderen zu denken, ihn als Persönlichkeit zu sehen, als einen Menschen, der mich teilhaben lässt an seinem Leben, weil er mich genau so schätzt, wie ich ihn.
Die Schönheit eines Menschen weist auch hin auf den Grund aller Schönheit, auf Gott. Wenn wir Gott in unsere Beziehung hinein nehmen und nicht den Partner für uns zum Gott machen, wenn Gott seinen Segen gibt über die Liebe zweier Menschen, dann hoffen wir, dass diese Beziehung gelingen kann. Anna und Joachim, die Eltern der Gottesmutter Maria, können uns ein Beispiel geben für solch eine gelungene Beziehung. Sie sind die Schutzheiligen der Familien.

Du glückliches Paar
Joachim und Anna,
die ganze Schöpfung ist euch verpflichtet.
Denn durch euch hat sie dem Schöpfer
das vorzüglichste aller Geschenke zugeführt,
die heilige Mutter,
die allein ihres Schöpfers würdig war.

Johannes von Damaskus
Anna und Joachim

In der Klosterkirche von Tegernsee entdeckte ich ein interessantes Bild, das die heilige Anna und ihre "drei Ehemänner" darstellt. Dies machte mich stutzig, da ich bisher nur die Geschichte von Anna und Joachim kannte. Doch es gibt in der Tat eine Legende, die von drei Männern Annas berichtet. Diese versucht, biblische Namen und Verwandtschaftsangaben miteinander in Beziehung zu bringen. In der Legenda Aurea heißt es:

Joachim aber nahm Anna zum Weibe, welche eine Schwester hatte mit Namen Hismeria. Hismeria aber gebar die Elisabeth und den Eliud; Elisabeth gebar Johannes den Täufer. ...
Anna aber, spricht man, hatte drei Männer: Joachim, Cleophas und Salome. Von Joachim ihrem ersten Manne, gebar sie eine Tochter, Maria, die Mutter des Herrn, die sie dem Joseph zum Weibe gab, und die darnach Christum den Herrn zeugte und gebar.
Als Joachim tot war, nahm sie den Cleophas zum Manne, den Bruder des Joseph, und zeugte mit ihm eine andere Tochter, die sie auch Maria nannte und darnach dem Alphäus zum Weibe gab; diese Maria gebar aber ihrem Manne vier Söhne: Jacobum den Mindern; Joseph den Gerechten, der auch Barsabas hieß, Simon und Juda. Nach dem Tode des zweiten Mannes nahm Anna zum dritten Mann den Salome, dem gebar sie eine Tochter, die sie abermals Maria nannte, und gab sie dem Zebedäus zum Weibe. Die beiden zeugten zusammen zwei Söhne, Jakobus den Großen und Johannes den Evangelisten. (Die Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, Gütersloh 2007, S. 521)