Die Heiligen

3.7. Thomas, Apostel

Lazarus

Joh 11,6-16

Als Jesus hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen.
Die Jünger entgegneten ihm: Rabbi, eben noch wollten dich die Juden steinigen und du gehst wieder dorthin?
Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.
Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden. Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf.
Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen.
Da sagte Thomas, genannt Didymus (Zwilling), zu den anderen Jüngern: Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.

Der Weg

Joh 14,1-6

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.
Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

Ostern

Joh 20,19-29

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!
Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Tiberias

Joh 21,1-14

In jener Zeit offenbarte Jesus sich den Jüngern noch einmal. Es war am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise.
Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See.
Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot.
Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.
Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.
Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.
Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.
Thomas

Thomas, Apostel

Thomas
Jesus sagte: Nicht aufhören zu suchen soll der Suchende, bis er findet. Und wenn er findet, wird er verwirrt sein, und wenn er verwirrt ist, wird er sich wundern, und er wird Herr sein über die Welt.

So heißt es im 2. Spruch des apokryphen Thomasevangeliums und dieser Spruch ist zugleich die Überschrift über das Leben dieses beeindruckenden Apostels, der ganz zu Unrecht den Beinamen "der Ungläubige" bekommen hat. Thomas war sicher ein sehr temperamentvoller Mensch und sehr entschlossen. Dies sehen wir an den eindrücklichen Worten, die ihm das Johannesevangelium in den Mund legt, als den Jüngern langsam klar wurde, welche Gefahren mit dem Ziel Jerusalem verbunden waren, das Jesus mit ihnen anstrebte. "Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben." (Joh 11,16)
Jesus ist für Thomas zum Mittelpunkt seines Lebens geworden, sein Glaube an ihn war unerschütterlich. Er konnte sich nach seiner ersten Begegnung mit Jesus kein Leben ohne ihn mehr vorstellen. Als Jesus am Kreuz gestorben ist, war er zunächst wie alle andern Jünger verwirrt, ist aus Jerusalem geflohen und brauchte Zeit, um sich wieder zu sammeln. Er kehrte später als die anderen nach Jerusalem zurück und hat so die erste Erscheinung Jesu im Kreis der Apostel verpasst.
Er wollte seinen Glauben an die Auferstehung Jesu nicht nur auf das Zeugnis der anderen Apostel gründen. Er, der eine so enge Beziehung zu Jesus hatte und dem Jesus so viel bedeutete, wollte selbst erfahren, was Jesu Auferstehung bedeutet. Und so bekommt er am darauffolgenden Sonntag sein eigenes, ganz persönliches Ostererlebnis und ist überwältigt vom Geheimnis der Auferstehung Jesu.
Er hat gesucht und in Jesus alles gefunden. Als er Jesus scheinbar verloren hatte, war er verwirrt, aber Jesus hat ihm eine Lebendige Erfahrung des Wunders seiner Auferstehung zuteilwerden lassen. Nun gab es für Thomas keinen Zweifel mehr, er wusste alles und so gehörte ihm die ganze Welt. Er ist weiter gereist als alle anderen Apostel, bis ins ferne Indien ist er gelangt und hat den Glauben verkündet.

Die antike Welt war größer, als wir sie uns oft vorstellen. Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern hat das Römische Reich seine größte Ausdehnung erlangt, von Britannien im Norden bis Ägypten im Süden, von Spanien im Westen bis nach Arabien im Osten. Zwar hätte Rom gerne noch weitere Gebiete erobert, aber es ist im Norden, Süden und Osten an die Grenzen seiner Macht gestoßen. Die lange angestrebte Grenze an der Elbe war militärisch nicht zu erreichen. Die unwegsamen Urwälder Germaniens und dessen Krieger verhinderten eine weitere Ausbreitung. Im Süden begrenzten die Sahara und kriegerische Beduinenstämme ein weiteres Vordringen Roms nach Afrika. Im Osten war das Parther-Reich ein mächtiger Gegner, gegen den Rom auf Dauer nicht ankam und auch auf der arabischen Halbinsel konnten die Römer trotz einiger Militäraktionen nicht Fuß fassen.
Über Arabien verlief bereits in der Antike eine wichtige Handelsroute. Kostbare Luxusgüter wie Weihrauch und Seide kamen von dort in die Städte des Römischen Reiches. Wer mit solchen Luxusgütern handelte und die Kontrolle über diese Handelsrouten hatte, konnte reichen Gewinn erzielen. Von Arabien aus gab es regelmäßige Handelsverbindungen weiter über den Indischen Ozean nach Indien, das zur damaligen Zeit ebenso wie China bereits eine hoch entwickelte Kultur hatte. Die Quellen berichten auch von indischen Delegationen, die offiziell Rom besucht haben.
Der Weg vom Mittelmeer über Ägypten und Arabien nach Indien war zwar ein mühsamer und gefährlicher Weg, aber ein Weg, auf dem regelmäßiger Handel stattfand und damit ein intensiver Austausch von Gütern und Ideen. Er war sicher nicht so einfach zu bereisen wie die Straßen des Römischen Reiches und die Schiffsverbindungen über das Mittelmeer, auf denen Paulus sich bei seinen Missionsreisen bewegte. Man brauchte Mut, diesen Weg zu nehmen, Abenteuerlust, die Fähigkeit, auf Menschen anderer Kulturen einzugehen, deren Sprache und Sitten man nicht kannte. Nur wer das Vertrauen der fremden Kaufleute gewinnen konnte, die auf allen Stationen der Route ihre Partner hatten, bekam überhaupt eine Chance, sicher auf diesem Weg durchzukommen.
Thomas hatte den Mut zu diesem Abenteuer und er hat es verstanden, mit Fremden umzugehen. Wahrscheinlich hatte er vorher interessante Geschichten über den Weg durch Arabien, das ferne Meer im Osten und das fantastische Indien gehört. Wie damals, als Jesus auferstanden war, hat er sich nicht mit den Erzählungen anderer begnügt. Er wollte selbst erfahren, was es mit all diesen Ländern auf sich hat. Und er wollte den Menschen dort von Jesus Christus erzählen. Daher hat er sich auf die Reise begeben und ist schließlich um das Jahr 52 nach Indien gekommen. Darüber berichten uns die apokryphen Thomasakten. Sie stammen aus späterer Zeit und sind stark von der Legende durchdrungen.

Viele zweifeln daran, dass Thomas überhaupt Indien erreicht hat und dort eine Kirche gegründet hat, die bis heute Bestand hat. Mag es deshalb sein, dass manche sich in ihrer Engstirnigkeit nicht vorstellen können, dass sich auch weit entfernt vom Römischen Reich, auf das sich unsere Kirchengeschichte der alten Zeit konzentriert, bereits seit frühesten Zeiten eine Kirche entwickelt hat. Oder weil die Quellenlage nicht eindeutig ist. Die Christen Indiens selbst sind fest davon überzeugt, dass ihre Tradition bis auf den Apostel Thomas zurückreicht. Sie haben eine eigenständige Entwicklung, die eng mit den Kirchen des Nahen Ostens verbunden ist, die ebenso wie die indische Kirche bald aus dem Blickfeld der auf das Römische Reich konzentrierten Kirche verschwunden ist.
Als die Portugiesen im 16. Jahrhundert an den Küsten Indiens auftauchten, fanden sie dort zu ihrem Erstaunen Christen. Jedoch galten damals nur die unter der Leitung des Papstes in Rom stehenden Christen als wirkliche Christen. Diese Engstirnigkeit des Westens hat bereits im Jahr 1054 zur Trennung von Ost- und Westkirche geführt, eine schmerzhafte Trennung, die bis heute anhält. Mit den Portugiesen begann auch in Indien eine Trennung unter den Christen zwischen denen, die die Einheit mit Rom suchten und denen, die ihre Unabhängigkeit bewahren wollten.
Gerade in der heutigen Welt, in der die Menschen aller Weltteile näher zusammen gerückt sind als je zuvor, in der das Christentum aber auch wieder zu einer bedrohten Religion geworden ist, täte es Not, unter den Christen weltweit zu einer neuen Einheit und Solidarität zu finden und die Christen aller Länder zu einer weltumspannenden christlichen Einheit zusammenzuführen, die einerseits an dem einen wahren Glauben an Jesus Christus festhält, zugleich aber auch die unterschiedlichen Riten und Traditionen akzeptiert. Es geht nicht an, dass wir auch heute noch wie im Mittelalter Christen anderer Konfessionen als Feinde ansehen, anstatt in ihnen Verbündete zu sehen für den Aufbau des Reiches Gottes.
Beten wir ständig und gerade heute am Festtag des Heiligen Thomas darum, dass Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist, verherrlicht werde unter allen Völkern der Erde und dass alle Völker vereint werden in diesem einen Glauben an den Herrn Jesus Christus, der die Apostel ausgesandt hat, die Menschen aller Völker auf der Erde zu taufen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Eine interessante Darstellung des Hl. Thomas findet sich auf der Kanzel der Allerheiligenkirche in Warngau. Ein Engel hält neben ihm das Herz Jesu. Mit seinem Wunsch, die Seite Jesu zu "begreifen" können wir sagen, dass der Hl. Thomas der erste Verehrer des Herzens Jesu ist. Aus Jesu Seite flossen Blut und Wasser, Ströme der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. Sicher war es auch diese Erkenntnis des Herzens Jesu, die ihn voll Glauben beten lies: Mein Herr und mein Gott!

Thomas

Thomas - der unglaublich Gläubige

Betrachten wir das Leben des Apostels Thomas noch etwas genauer. Thomas war bis zu seiner Berufung als Jünger Fischer. Er wird in den Apostellisten aller vier Evangelien erwähnt. Im Johannesevangelium gibt es darüber hinaus vier Stellen, an denen Thomas erwähnt wird und auch selbst zu Wort kommt.
Da ist zunächst sein Satz, den er spricht, als die Jünger sich der Gefahr bewusst werden, die mit dem Weg Jesu nach Jerusalem verbunden ist. Er steht in engem Zusammenhang mit dem Bericht über die Auferweckung des Lazarus. Die Auferweckung des Lazarus, wenige Tage vor Jesu Tod in Jerusalem, ist ein Vorausbild für die Auferstehung, die durch Jesu Tod allen zuteilwerden soll. Thomas ist bereit, mit Jesus diesen Weg zu gehen. "Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben." (Joh 11,16) Der Gläubige wird diesen Satz ergänzen: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben und um dadurch Anteil zu erhalten an seiner Auferstehung.
Als Jesus vor seinem Tod von seinem Weg zum Vater spricht und davon, dass die Jünger diesen Weg kennen, wagt Thomas die Frage: "Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?" (Joh 14,5) Thomas will es genau wissen. Er will den Weg nicht verfehlen, will sicher sein, den richtigen Weg zu finden, den, von dem Jesus sagt, dass er zu Vater führt. Und er versteht sofort was Jesus meint, als er die Antwort auf seine Frage bekommt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich." (Joh 14,6) Ja, er ist auf den richtigen Weg, er geht mit Jesus, er ist bereit, mit ihm selbst in den Tod zu gehen und so wird er mit ihm auch in der Auferstehung verbunden sein.
Im Zusammenhang mit Jesu Auferstehung kommt dann die große Stunde des Thomas als Zweifler und als Glaubender. Er glaubte den anderen nicht, als sie ihm von der Auferstehung Jesu berichten. Er wollte den Auferstandenen mit eigenen Augen sehen. Er konnte nicht glauben, was ihm die anderen erzählten, dass Jesus plötzlich durch verschlossene Türen zu ihnen getreten sei. Vielleicht fühlte er sich auch ein wenig ausgegrenzt. Es gab da etwas, das ihn von den anderen trennte. Sie haben den Auferstandenen gesehen und er nicht.

Thomas
Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. (Joh 20,24-25)

Eine ganze Woche musste Thomas warten. Wie mag es ihm ergangen sein inmitten der anderen, die schon ganz voller Freude über die Auferstehung waren? Wir wissen aus eigener Erfahrung wie schwer das ist, wenn man in einer Gruppe ist und die anderen etwas teilen, an dem man selbst keinen Anteil hat. Doch dann kommt Jesus wieder durch verschlossene Türen. Er steht vor den Jüngern und nun ist auch Thomas dabei.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (Joh 20,24-27)

Jesus geht auf Thomas zu, holt ihn zurück in die Gemeinschaft, indem er ihm seine Zweifel nimmt und sich ihm als der Auferstandene zeigt. Es steht nicht geschrieben, dass Thomas nun wirklich noch Jesus berühren musste. Allein schon die Möglichkeit dazu lässt ihm sein Bekenntnis sprechen:

Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! (Joh 20,28)

Mein Herr und mein Gott. Thomas sieht und glaubt. Wie groß wird seine Freude darüber gewesen sein, dass auch er den auferstandenen Herrn sehen durfte. Keiner braucht sich ausgegrenzt fühlen, das zeigt uns die Geschichte von Thomas. Es wird immer Menschen gehen, die auf dem Glaubensweg schon weiter sind und andere, die erst am Anfang stehen. Doch das soll uns nicht entmutigen. Jeder darf Schritt für Schritt diesen Weg gehen und wird so immer wieder Neues erfahren.

O großartiger Unglaube des Thomas! Der Gläubigen Herzen hat er zur Erkenntnis geführt und hat in Furcht gerufen: Mein Herr und mein Gott, Ehre sei Dir! (Gebet der Ostkirche)

"Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes." (Lk 9,62) Was haben dieser Satz und der Apostel Thomas miteinander zu tun? Ich meine sehr viel. Thomas ist bekannt geworden als der große Zweifler. Er war bei der Erscheinung des Auferstandenen vor den Aposteln nicht dabei, er glaubt ihren Schilderungen nicht und möchte von Jesus selbst die Bestätigung haben. Dies gewährt ihm Jesus und am Ende steht das Bekenntnis. "Mein Herr und mein Gott."
Ist Zweifeln gleichzusetzen, mit zurückblicken? Ich denke nicht. Nur der kann für das Reich Gottes pflügen, der von Gottes Gegenwart in dieser Welt überzeugt ist. Thomas, der dem Herrn schon so lange gefolgt ist, will durch seine Zweifel nicht etwa von diesem Weg umkehren, nein, er sucht vom Herrn die Bestätigung, dass dieser Weg der Richtige ist. Und das kann ihm kein Mensch sagen, sondern nur Christus allein. Als Christus sich ihm zeigt legt Thomas sein Bekenntnis ab und lebt von nun an aus der Kraft dieses seines Bekenntnisses "Mein Herr und mein Gott". Jesus, Du bist Gott, alles hat in Dir seinen Ursprung und sein Ziel. Dir schenke ich mein ganzes Leben. Nimm es an und lass mich Dir allzeit folgen.
Vielleicht ist es so, dass Menschen, die eine tiefe Glaubenskrise erlebt haben, danach im Glauben noch fester stehen als zuvor, fester als mancher Mensch, für den der Glaube sein Leben lang mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit ist. Wir sehen es am Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der Sohn, der seinen Irrweg bereut und zurückkehrt, tritt in ein innigeres Verhältnis zum Vater ein, als er es zuvor hatte und als es der Sohn, der immer beim Vater geblieben ist, hat.
Auch Thomas mag eine solche Krise erlebt haben. Freudig berichten ihm die anderen von der Erscheinung des Auferstandenen, er aber kann es nicht glauben, kann ihre Freude nicht teilen. Er fängt an zu zweifeln und fragt sich vielleicht, was ihm dieser Jesus, dem er bisher gefolgt ist, überhaupt noch bedeutet.
Doch dann ist dieser Jesus plötzlich wieder da, wie es die anderen ihm erzählt haben. Jesus weiß um seine Zweifel, er macht Thomas keinen Vorwurf, sondern gibt ihm die Möglichkeit, seine Zweifel los zu werden. Das mag Thomas im Innersten getroffen haben. Er erkennt, wie kleingläubig er gewesen ist. Er geht in sich, wie es auch der verlorene Sohn tut, bevor er zum Vater zurückkehrt.
Nun ist Thomas bereit zu dem tiefsten Bekenntnis, das ein Mensch zu geben fähig ist. In den Worten "Mein Herr und mein Gott" drückt er seine ganze Hingabe an Jesus aus. Jesus, mein ein und alles, du mein Leben, meine Freude, meine Hoffnung, du Sinn Kraft meines Lebens. Diese Reihe ließe sich noch lange fortsetzen. Hier kann nun jede und jeder für sich überlegen, was ihr oder ihm Jesus bedeutet.

Thomas erzählt sein persönliches Ostern

Es ist schon ein Pech, so etwas verpasst zu haben. Da soll Jesus, der vor zwei Tagen ans Kreuz geschlagen worden war, zu den anderen gekommen sein. Ja genau der Jesus, von dem alle glaubten, ja mit eigenen Augen gesehen haben, dass er mausetot - wie man so sagt - ins Grab gelegt wurde. Aus, Ende, vorbei.
Irgendwie sind die anderen plötzlich so anders. Als ich vorhin aus dem Haus bin, da waren sie genauso niedergeschlagen und ratlos wie ich. Aber jetzt. Kein Vergleich. Sie sind voll Hoffnung und Freude. Jesus soll leben und bei ihnen sein. Ne, ich kann das nicht glauben. Freut euch nur, aber wenn Jesus wirklich lebt, dann muss er mir das schon selbst zeigen.
Eine ganze Woche ist nun schon vergangen. Unerträglich das alles. Die anderen ganz aufgeregt. Und ich, mich hat man wohl vergessen, dabei bin ich genau wie die anderen die ganze Zeit mit Jesus unterwegs gewesen. Ich komm nicht mehr mit. Vielleicht sollte ich doch wieder zu meiner Arbeit zurück, als weiterhin bei diesen Leuten zu sein. Sie scheinen etwas zu haben, was mir fehlt.
Aber ich kann euch sagen: Auf Jesus ist Verlass. Da stand er doch plötzlich wieder da, genauso, wie ihn die anderen damals gesehen haben und ruft gleich mich her zu sich. Ich denke erst, jetzt sagt er zu mir, geh weg, du Zweifler, oder so. Aber nein, mir war, als wüsste er genau, was ich die ganze Woche über durchgemacht habe. Ganz liebevoll zeigt er mir seine Wunden, damit ich auch ja erkenne, dass er selbst es ist und kein Schwindel dahinter steckt.
Ich schäme mich schon was, fall vor ihm auf die Knie und sage nur: Jesus, mein Herr und mein Gott. Und plötzlich verändert sich mein ganzes Leben. Ich weiß nun, dass mein Leben einen Sinn hat. Jesus lebt und das ist die Frohe Botschaft, die ich zusammen mit den anderen in der Welt verkünden muss. Seid nicht mehr ängstlich, es ist jemand da, der immer bei euch ist und durch dessen Liebe ihr das Leben habt. Ich bin mir sicher, Jesus wird auch jedem von euch, genau wie mir, sein ganz persönliches Ostererlebnis schenken.
Mein Herr und mein Gott. Thomas sieht und glaubt. Wie groß war Freude darüber, dass auch er dich als den auferstandenen Herrn sehen durfte!

Herr, wir preisen dich für deine Auferstehung. Durch sie hast du die Welt mit Jubel erfüllt. Du hast den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen. Du hast das getan für uns. Du lebst, damit wir mit dir leben. Dir sei Preis und Ehre! Amen.

Dann hören wir noch einmal von Thomas. Als Jesus den Jüngern am See von Tiberias erscheint, ist Thomas auch dabei. (Joh 21,2). Dann verlieren sich seine Spuren im neuen Testament. Lukas hat in seiner Apostelgeschichte nur Augen für die Welt in der er lebt, das Römische Reich, das zum Ziel der Mission vor allem des Apostels Paulus geworden ist. Die Mission im Nahen und Fernen Osten versinkt in den Bereich der Legenden, die viele heute nicht als glaubwürdige Quellen ansehen. Doch meist verbirgt sich hinter jeder Legende auch ein historischer Kern.
So erzählen die Legenden, die auf den apokryphen Thomas-Akten beruhen, dass Thomas in Indien zu König Gundisar gelangte, der ihn aufforderte, einen Palast im römischen Stil zu bauen. Thomas zeichnete auch einen Bauplan und erhielt große Schätze zum Bau, verteilte diese aber während der Abwesenheit des Königs an die Armen, predigte und bekehrte Unzählige. Dem zurückgekehrten empörten König, der Thomas in den Kerker warf, erschien sein vor kurzem verstorbener Bruder; der erklärte ihm, Thomas habe für ihn im Jenseits den prächtigsten Palast errichtet, worauf Gundisar sich bekehrte und Thomas in fernere indische Gebiete ziehen ließ.
Möglicherweise konnte Thomas sich bei seiner Reise auch auf die Kontakte jüdischer Gewürzhändler stützen, die nach Indien ausgesiedelt waren. Sieben große und einige kleine Gemeinden soll Thomas in Kerala gegründet haben und dann weiter bis nach Madras (dem heutigen Chennai) gekommen sein, wo er im Jahr 72 das Martyrium erlitten hat. Als Ort seines Martyriums geben viele Legenden Kalamina an, womit wohl Mailapur, der heutige Stadtteil Mayilapuram in Madras (Chennai) gemeint ist. Dort gibt es den "Großen Thomasberg", auf dem im Jahr 1547 eine Kirche zu Ehren des Hl. Thomas errichtet wurde, in der das Thomaskreuz aus dem 7. Jahrhundert aufbewahrt wird, dessen Inschrift von seinem Martyrium erzählt. 2004 hat der Vatikan den Berg als ersten internationalen Wallfahrtsort Indiens anerkannt.

Thomas gilt als der Apostel Indiens und noch heute berufen sich die dortigen Thomas-Christen auf ihn als ihren ersten Glaubensboten. Sie haben eine ganz eigene Tradition und sind indisch geprägt in ihrer Kultur, Christen in der Religion und orientalisch in der Liturgie. Im vierten Jahrhundert entstand eine Verbindung der indischen Christen mit der chaldäischen Kirche Syriens, die sich ebenfalls auf den Hl. Apostel Thomas beruft. Die ostsyrische und indische (malabarische) Liturgie verbanden sich zum syro-malabarischen Ritus, der in Indien bis zum Jahr 1962 in aramäischer Sprache und seither in der Landessprache Malayalam gefeiert wird. Die syro-malabarische und die syro-malankarische Kirche sind mit Rom uniert. Daneben gibt es die mit dem orthodoxen Patriachat von Antiochia verbundene Malankara Syrisch-Orthodoxe Kirche und die autokephale Malankara Orthodox-Syrische Kirche sowie weitere durch Aufspaltungen entstandene Kirchen.
Heute leben in Indien, vor allem in dem Bundesstaat Kerala, etwa 28 Millionen Christen, das sind trotz der großen Zahl nur etwa 2,3 Prozent der Bevölkerung. Obwohl eine Minderheit, leisten sie durch ihre Schulen, karitativen und medizinischen Einrichtungen einen wichtigen Beitrag. Seit die hindu-nationalistischen Bewegungen erstarkt sind, kommt es in Indien vermehrt zu Ausschreitungen auch gegenüber Christen.

Mehr zum Apostel Thomas finden Sie am 2. Sonntag der Osterzeit.