Advent Lesejahr C

4. Adventssonntag

Erste Lesung

Mi 5,1-4a

Du aber, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung liegt in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. Darum gibt der Herr sie preis, bis die Gebärende einen Sohn geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder heimkehren zu den Söhnen Israels. Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des Herrn, im hohen Namen Jahwes, seines Gottes. Sie werden in Sicherheit leben; denn nun reicht seine Macht bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.

Zweite Lesung

Hebr 10,5-10

Christus spricht bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun.
Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun. So hebt Christus das erste auf, um das zweite in Kraft zu setzen. Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für alle Mal geheiligt.

Evangelium

Lk 1,39-45

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme:
Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Maria

Advent - Zeit der Begegnung

Beim Evangelist Lukas hören wir von der Begegnung Marias mit Elisabeth:

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. (Lk 1,39-40)

Nur wenige Tage, nachdem der Engel bei Maria eingetreten war, und ihr verkündet hatte, dass sie den Sohn Gottes gebären werde, macht sie sich auf den Weg. Sie kann nicht still in ihrer Kammer sitzen. Dieses Ereignis hat sie aufgewühlt. Sie braucht jemand, mit dem sie teilen kann, was sie erlebt hat, jemanden, dem sie sich mit-teilen kann.
Die Dynamik, die in diesem Aufbruch steckt, wird in einer wörtlichen Übersetzung noch deutlicher. Im Originaltext ist zudem das erste Wort des Satzes "aufbrechend", was im Deutschen so nicht wörtlich wiedergegeben werden kann.

Maria aber brach auf in jenen Tagen und ging mit Eile weg in das Bergland in eine Stadt Judäas und trat ein in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.

An erster Stelle steht der Aufbruch, dann heißt es, dass Maria weg geht, in Eile, wie besonders hervorgehoben wird. Sie geht ins Bergland. Ein nicht unbeschwerlicher Weg mit manchen Steigungen. Da geht man ja eher langsam, aber Maria nicht. Schon ist sie im Haus des Zacharias, sie tritt ein und begrüßt Elisabeth und es kommt zur Begegnung der beiden Frauen.
Es geht alles sehr schnell. Maria weiß, wo sie hin will, sie weiß, was sie will. Sie hält sich unterwegs nicht auf. Irgendwie zeigt uns dieser eine Satz Maria als eine Frau, die anpackt, voller Entschiedenheit und mit Durchsetzungskraft. Das ist ein ganz anderes Bild, als es uns oft vermittelt wird. Es ist aber ein Bild das anspricht, besonders heute.
Maria drängt es zu ihrer Verwandten Elisabeth. Sie will ganz dringend zu ihr. Mit Elisabeth verband Maria eine so innige Freundschaft, dass sie sicher sein konnte, dass diese auch das Unbegreifliche, das an ihr geschehen ist, verstehen wird. Elisabeth selbst hatte ja sechs Monate zuvor in hohem Alter ihren Sohn empfangen, als nach menschlichem Ermessen eine Schwangerschaft bereits unmöglich war. Die Schwangerschaft Mariens aber übertrifft dieses Wunder bei weitem. Maria ist noch jung, aber ihr Kind nicht von einem Mann, sondern empfangen durch den Heiligen Geist.
Nach Franz von Sales ist der Grund für den Besuch Marias bei Elisabeth ein zweifacher:

Sie ging hin, um das große Wunder oder die große Gnade zu sehen, die Gott dieser betagten und unfruchtbaren Frau erwiesen hatte, dass sie trotz ihrer Unfruchtbarkeit einen Sohn empfing. Sie wusste ja sehr wohl, dass es im Alten Bund eine Schande war, unfruchtbar zu sein. Da aber die gute Frau alt war, ging sie auch hin, um ihr in ihrer Schwangerschaft zu dienen und ihr jede Erleichterung zu verschaffen, die ihr möglich war. Zweitens geschah es, um ihr das tiefe Geheimnis der Menschwerdung mitzuteilen, das sich in ihr verwirklicht hat.

Nicht allein um ihrer selbst willen eilt Maria zu Elisabeth. Nicht nur wegen der großen Wunder, die mit den beiden Frauen geschehen sind. Franz von Sales holt die Begegnung zwischen den beiden Frauen auf den Boden des Alltags. Maria hat eben erst empfangen, Elisabeth aber ist im sechsten Monat. Und in Maria bleibt drei Monate bei Elisabeth, wie wir später erfahren (Lk 1,56). Maria bleibt bei Elisabeth für die letzten Monate der Schwangerschaft, die Zeit, in der Elisabeth besonders nötig Hilfe brauchte.
Heiligkeit ist kein Schweben auf den Wolken. Heiligkeit ist vollendeter Alltag. Sie bedeutet, „das Gewöhnliche außergewöhnlich tun“, wie Franz von Sales sagt. Über die drei Monate, die Maria bei Elisabeth war, schreibt Lukas nichts, aber wir können uns vorstellen, wie sie ausgesehen haben. Maria hat Elisabeth beim Haushalt geholfen, beim Kochen, Putzen, Waschen. Wir sehen die beiden in der Küche beisammen sitzen, mit der Hausarbeit beschäftigt. Zwei ganz normale schwangere Frauen.
Heiligkeit lernen wir, wenn wir die Geheimnisse des Alltags entdecken. Gott finden in allen Dingen. In jeder noch so kleinen Kleinigkeit können wir Gott entdecken, jedes noch so kleine Tun kann ein Dienst für Gott sein. Alles was geschieht, kann uns Gott näher bringen. Mit offenen Augen durchs Leben gehen. Das Große zu entdecken, das sich hinter dem Unscheinbaren verbirgt, schult meine Dankbarkeit. Ich werde sensibel dafür, dass es viel mehr Gutes in der Welt gibt, als ich wahrnehme. So werde ich dann auch fähig, selbst das Gewöhnliche so zu tun, als wäre es etwas Außergewöhnliches: mit Freude und Liebe.
„Begegnen wir lieben Menschen, so freuen wir uns, sie zu sehen. Wir können also über die Begegnung mit einem lieben Menschen gar nicht anders als erfreut und glücklich sein“, sagt Franz von Sales. Begegnungen gehören zu unserem Alltag. Sobald wir auf die Straße gehen, begegnen wir anderen Menschen. Ein Großteil von ihnen geht an uns vorüber, ohne dass es zu einer wirklichen Begegnung kommt. Über manche Menschen ärgern wir uns vielleicht, sie stören uns, wenn sie unseren Weg kreuzen. Aber manchmal bleibe ich vielleicht stehen und es kommt unerwartet zu einem Gespräch.
Kann ich achtsamer werden gegenüber den Menschen, denen ich begegne? Wenigstens ein Lächeln schenken, statt eines teilnahmslosen oder gar mürrischen Blicks? Es hängt von mir ab, wie sich Begegnung ereignet. Begegnung kann das Leben bereichern. Ein kurzer Austausch mit einem fremden Menschen kann Fragen beantworten, die ich mir schon lange stelle, kann mir eine neue Sichtweise eröffnen. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, hat Martin Buber einmal gesagt.
Begegnungen können ganz unscheinbar sein, und doch tiefe Wirkungen hervorrufen. Ein Mensch kann sich ein Leben lang dankbar an eine kleine Hilfe erinnern. Vielleicht können wir im Gedränge des Alltags auch Gott begegnen, wenn wir die Menschen um uns herum bewusst wahrnehmen. Unser Leben mit Gott ist immer auch Begegnung. Wir können Gott nur erfahren, wenn wir ihm begegnen. Unser Alltag bietet dafür mehr Gelegenheiten, als wir für möglich halten.
Gerade der Evangelist Lukas berichtet uns immer wieder von Begegnung, der Begegnung von Menschen mit Jesus von Nazaret. Diese Begegnung verändert das Leben meist tiefgreifend. Auch bei der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth ist Jesus schon dabei im Leib Mariens. Johannes im Schoß der Elisabeth hüpft vor Freude und auch Elisabeth erkennt das Geheimnis, das Maria birgt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“

Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. (Lk 1, 41-45)

Freude liegt in der Begegnung dieser beiden schwangeren Frauen. Es ist eine vollkommene Freude, die nur Menschen erfahren, die ihre Freude in Gott suchen. Meine Freude ist es, deinen Willen, Gott zu tun, sagt der Psalmist. Das Kind in Mariens Schoß ist die Frucht dieser Freude am Ja zu Gottes Willen. Diese Freude spürt auch das Kind im Schoße Elisabeths.

Heimsuchung

Als Maria bei Elisabeth eintritt, spricht diese als Gruß an Maria die Worte, die wir bis heute im Ave Maria beten: Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Elisabeth preist Maria selig, weil sie geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr durch den Engel sagen ließ. Diesen ihren Glauben besingt Maria unmittelbar nach der Begrüßung im Magnificat (Lk 1,46-55). Die Freude über das Leben, das Gott so wunderbar in ihrem Schoß gewirkt hat, das verbindet die beiden Frauen Maria und Elisabeth. Dieses Leben ist nicht der Besitz dieser Frauen. Sie stehen beide im großen Zusammenhang des göttlichen Heilswirkens an den Menschen. Durch die Kinder dieser beiden Frauen will Gott der ganzen Welt Heil und Leben schenken.
An Weihnachten feiern wir den Anbruch der Zeit des Heils durch die Geburt des Kindes in der Krippe von Betlehem. Dieses Kind ruft auch uns zur Begegnung mit ihm. Bereiten wir uns auf diese Begegnung vor. Nur noch wenige Tage und dann feiern wir das Fest der lebendigen Begegnung, wenn Gottes Sohn auf Erden kommt, um unter den Menschen zu sein. Er ist immer nahe, gerade da, wo Begegnung geschieht, wie er selbst gesagt hat:

Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt 18,20)

Weihnachten - Fest der Begegnung. Finden wir in all dem Weihnachtstrubel Raum für echte Begegnung, mit unseren Familien, Freunden und Verwandten - und mit Gott.

Advent

Advent - Zeit der Erfüllung von Gottes Willen

Darum spricht er bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir bereitet; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Siehe, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun. (Hebr 10,5-7)

Der Hebräerbrief vertritt eine kritische Haltung gegenüber dem jüdischen Gesetz und seinen Vorschriften. Es wird hier ein Prozess deutlich, in dem sich das Christentum allmählich von seinen jüdischen Ursprüngen löst. Für Judenchristen war es nicht einfach, sich von den gewohnten Ritualen zu trennen. Wollte Christus nur eine Erneuerung der jüdischen Religion, oder hat er etwas Neues gebracht? Hat das Gesetz auch für Christen Geltung, oder gründet der neue Bund Gottes nicht mehr auf dem Gesetz, sondern allein auf Jesus Christus? Er ist es, der die Vergebung der Sünden durch SEIN Blut gewirkt hat und den direkten Zugang der Menschen zu Gott durch IHN ermöglicht hat.
Der Hebräerbrief verwendet hier ein Zitat aus dem Psalm 40, um seine Argumentation zu stützen:

An Schlacht- und Speiseopfern hattest du kein Gefallen, doch Ohren hast du mir gegraben, Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da habe ich gesagt: Siehe, ich komme. In der Buchrolle steht es über mich geschrieben. Deinen Willen zu tun, mein Gott, war mein Gefallen und deine Weisung ist in meinem Innern. (Ps 40,7-9)

Auch der Beter des Psalms erkennt, dass es nicht auf Opfer ankommt, sondern die Erfüllung des Willens Gottes. Für ihn sind die Ohren das Medium, das es ermöglicht, Gottes Willen wahrzunehmen. Der Beter des Psalms denkt aber hierbei auch an das Gesetz Gottes, die Tora, die er sich so sehr Verinnerlicht hat, dass er ihre Vorschriften im Herzen trägt und sie so sicher erfüllt. Das Gesetz Gottes ist für ihn Ausdruck seines Willens, die Erfüllung des Gesetzes die Erfüllung des Gotteswillens. Die Opfer aber sind für ihn kein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes.
Anders, der Hebräerbrief, er sieht gerade im äußeren Vollzug von Opfern und jüdischen Vorschriften den Wesensbestandteil des jüdischen Glaubens und macht deutlich, dass es einen Gegensatz gibt zwischen diesen Äußerlichkeiten und der konkreten Erfüllung des Willens Gottes. Genau wie Jesus Christus wendet er sich gegen eine Ritualisierung des Gesetzes, bei der es nur um eine herzlose wortgetreue Erfüllung der Vorschriften geht, die deren eigentliche Bedeutung als Zeichen gläubigen Lebens übersieht.
Nicht am Gesetz an sich wird also Kritik geübt, sondern an dessen falscher Umsetzung. Auch Jesus bekräftigt, dass er keinen noch so kleinen Buchstaben vom Gesetz streichen will. Aber er zeigt immer wieder, dass die Auslegung der jüdischen gelehrten seiner Zeit nicht dem Willen Gottes entspricht. Nicht der Buchstabe zählt im Gesetz, sondern Liebe und Barmherzigkeit. Mit dem Gesetz wollte Gott sein Volk Liebe und Barmherzigkeit lehren und nur wenn das Gesetz in den Dienst der Liebe und Barmherzigkeit gestellt wird, erfüllt es seinen Sinn.

Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun. Er hebt das Erste auf, um das Zweite in Kraft zu setzen. Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi geheiligt - ein für alle Mal. (Hebr 10,8-10)

Noch einen weiteren wesentlichen neuen Gedankengang bringt der Hebräerbrief hier zum Ausdruck. Er ändert im Zitat die "Ohren", die Gott dem Beter gegeben hat, damit er seinen Willen aufnimmt, in "Leib". Gottes Wort und Gottes Wille wird "Leib", wird ein Mensch, und offenbar sich so der Welt. Somit vermittelt Gott nun seinen Willen nicht mehr vorrangig im Hören des Beters, sondern in der Nachahmung dessen, der als Gottes Wort den Willen Gottes gelebt hat.
Jesus Christus zeigt der Welt den Willen Gottes und er macht die Menschen fähig, diesen Willen zu erfüllen, indem er sich selbst zum Opfer gibt, dass die Sünde der Menschen, die den Weg zu Gott versperrt, hinwegnimmt. Jesus Christus führt die Menschen zur Heiligkeit. Heiligkeit bedeutet nun nicht mehr die Erfüllung des Gesetzes, sondern das Gleichwerden mit Jesus Christus.
So funktioniert Christentum: durch die Taufe erhält der Mensch Anteil am neuen heil, der Vergebung der Sünden, die Jesus Christus in seinem Tod gewirkt hat. So tritt der Mensch ein in ein neues Leben, in dem er den Willen Gottes so erfüllt, wie Jesus Christus es in seinem Leben gezeigt hat. Der Christ lebt in seinem Leben das, was Jesus Christus ihm gezeigt hat. Die Menschwerdung Gottes wird so zum Vorbild wahren Menschseins.
Bereiten wir uns in der Zeit des Advent neu darauf vor, das zu sein, was Gott für uns geworden ist, ein wahrer Mensch, dessen Tun allein bestimmt ist von Gottes Liebe.

Komm, Herr, und gib uns Kraft, immer deinen Willen zu tun!
Komm

Der König der Völker

Die O-Antiphon am 22. Dezember hebt an mit dem Ruf nach dem rettenden König, den schon die Propheten verheißen haben:

O König der Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht; Schlussstein, der den Bau zusammenhält: o komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet!

Jesaja 7,14 und 11,1 und Micha 5,1 verheißen die Geburt eines Herrschers aus dem Spross Isais (Jes 11,1) - Isai war der Vater des Königs David - und aus Betlehem (Mi 5,1), der Geburtsstadt Davids. Diese Verheißungen greift der Evangelist Matthäus auf und sieht sie in Jesus Christus erfüllt. In seinem Stammbaum zeigt er, dass Jesus ein Nachkomme Isais und Davids ist, in Jesu Geburt erfüllt sich die Weissagung von der Jungfrauengeburt aus Jes 7,14 und als die Sterndeuter vor Herodes stehen, weisen die Schriftgelehrten ihnen anhand von Mi 5,1 den Weg nach Betlehem, wo sie dann tatsächlich den neugeborenen König der Juden finden.
Der Glaube sieht in Jesus Christus die sehnsüchtige Erwartung des Volkes Israel nach dem Messias erfüllt. Doch er ist nicht wie David allein der König von Israel. Seine Herrschaft reicht über die Grenzen des Volkes hinweg über die ganze Erde. Paulus greift im Epheserbrief diesen Gedanken auf, indem er zeigt, dass Jesus Juden und Heiden - also alle Menschen - in dem einen gemeinsamen Glauben vereint und somit auch die mit dem Messias verbundene Friedensverheißung der Propheten erfüllt.

Er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder. ... Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und uns, den Nahen. ... Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. (Eph 2,14.17.19-21)

In seiner Enzyklika "Quas primas" zur Einführung des Christkönigsfestes schreibt Papst Pius XI.: "Die Herrschaft unseres Erlösers umfasst alle Menschen" - also nicht nur Christen - "sondern sie umfasst auch alle, die man zu den außerhalb des christlichen Glaubens Stehenden rechnet, so dass ganz wahrhaftig das gesamte Menschengeschlecht unter der Vollmacht Jesu Christi steht."
Wir fragen uns, ob heute in Zeiten der Religionsfreiheit eine solche Aussage noch tragbar ist. Und doch kennt das Reich Gottes keine Grenzen. Es ist nicht wie mit irdischen Reichen, deren Macht und Einfluss begrenzt ist. Überall auf der Erde ist es möglich, Christ zu sein, und in diesem Sinn können wir sagen, dass sich kein Reich oder kein Ort auf der Erde dem Einfluss Jesu Christi entziehen können. Aber ob einer bereit ist, in das Reich Gottes einzutreten und sich unter Christi Vollmacht zu stellen, das bleibt die freie Entscheidung jedes Menschen.
Als sich das Christentum in den ersten Jahrhunderten ausbreitete, war es die Antwort auf eine Sehnsucht der Menschen, die in den alten Kulten keine Heimat mehr fanden. Das Evangelium traf in die Herzen der Menschen. Heute sehen viele in der Kirche eine erstarrte Institution, von der nichts zu erwarten ist, was die Sehnsucht der Menschen stillt. Viele suchen anderswo ihre Erfüllung.
Als Christen müssten wir Menschen sein, die mit ihrer Freude an Jesus Christus andere anstecken, die zeigen, was Jesus Christus für sie bedeutet, dass er wirklich der ist, der die Sehnsucht unseres Herzens erfüllen kann.

Komm, Herr, entzünde in unseren lauen Herzen neu das Feuer, das uns voll Sehnsucht nach dir brennen lässt!
Frieden

Advent - Zeit des Friedens

Und er wird der Friede sein. (Mi 5,4)

Mit diesen Worten beschreibt der Prophet Micha den neuen König Israels. Zuvor hat er die Bedrängnis geschildert, in die Israel geraten ist und auch in diesen Versen klingt es an: Gott scheint Israel preiszugeben, seinem Schicksal zu überlassen. Doch es ist wie bei einer Gebärenden: Sie schreit und windet sich in ihren Wehen, doch die Freude über die Geburt lässt dann den Schmerz vergessen. Diese Wendung zeigt sich am Text, der mit "du aber ..." zu einer Verheißung anhebt und einen Friedensherrscher ankündigt.
Traditionsgemäß stammt der dem Volk Israel verheißene Herrscher aus dem Haus David. Auch wenn König David in diesem Text nicht erwähnt wird, so denkt doch jeder bibelkundige Leser bei der Erwähnung von Betlehem-Efrata sofort an David: "David war der Sohn eines efratitischen Mannes, der aus Betlehem in Juda war." (1Sam 17,12)
Wenn von "klein" die Rede ist, dann ist ebenso die Davidgeschichte präsent, wie etwa die Erzählung von David und Goliath oder dass Samuel gerade den jüngsten der Söhne Isais zum König salbte. Der neue Herrscher wird ganz nach Gottes Willen sein, was in dem Ausdruck "aus dir wird MIR einer hervorgehen" deutlich wird. Hier spricht Gott selbst, der stets in die Geschichte eingreift, indem er Menschen erwählt, die bereit sind, seinen Willen zu tun.
Vieles aus der Geschichte versteht man erst hinterher und was zunächst wie eine vernichtende Katastrophe aussieht, kann sich doch zum Guten kehren. So weckt der Prophet die Hoffnung, dass die schmerzhafte Verbannung in das Exil nach Babylon, das den Hintergrund des Textes bildet, zu einer umso herrlicheren Wiederkehr in das gelobte Land führen wird.
Damals wie heute ist Israel ein bedrohtes Land. Immer ist es von Feinden umgeben, die sich seiner bemächtigen wollen, und ist mit seiner außergewöhnlichen religiösen Tradition so etwas wie ein Fremdkörper im Nahen Osten. Diese Situation prägt das Volk und es wünscht sich nichts sehnlicher als den Frieden. Endlich einmal ohne ständige Bedrohung in Ruhe und Sicherheit leben zu können, das wünschten sich die Juden damals sicher ebenso wie heute.
Endlich Frieden. Das ist auch unser Wunsch. Warum schaffen die Völker es nicht, in Frieden miteinander zu leben? Warum schaffen es die Regierenden oft nicht, auf diesen Frieden hinzuwirken? Doch wie sollen die Völker in Frieden zusammenleben, wenn wir als einzelne Menschen das schon nicht schaffen. Soviel Streit in den Familien, in der Nachbarschaft, zwischen einzelnen Gruppen ... Weihnachten, das Fest des Friedens. Beten wir in diesen Tagen vor Weihnachten besonders darum, dass es friedlicher wird auf unserer Erde - und erwarten wir diesen Frieden nicht nur von anderswo her, sondern fangen wir selbst damit an, Friedensbringer zu sein.

Frieden

In einem lateinamerikanischen Psalm heißt es:

Die Füße der Welt trampeln
auf dem Asphalt der Städte voll von Gewalt,
doch die Herzen der Demütigen und Erniedrigten
sind stärker als Kanonen und Bomben.

Frieden für die Menschheit
wird kein Ereignis sein, das von außen kommt,
noch wird er durch Atomwaffen zu erringen sein,
auch nicht durch Unterzeichnung
von Regierungsabkommen.

Frieden ist gegenwärtig
im Herzen des Universums
und alles bewegt sich auf den Frieden zu
Wie die frische Morgendämmerung
wird er in unserer misshandelten
und erschöpften Welt erscheinen.

Von einfachen, demütigen und armen Menschen
auf Erden wird er ausgehen.
Die Stimmen der Kinder werden von ihm Kunde geben,
in den bewegenden Tönen
junger Menschen wird er erklingen.

Die Menschen haben Gottes Kommen als das eines machtvollen Herrschers erwartet - und doch hätten sie es besser wissen müssen. Nicht das Starke erwählt Gott, sondern das Schwache. Nicht den ältesten und stärksten von Isais Söhnen sollte Samuel zum König salben, sondern den jüngsten unter ihnen hatte Gott erwählt. Nicht eine mächtige und stolze Frau erwählt sich Gott zur Mutter seines Sohnes, sondern ein einfaches Mädchen namens Maria. Sie singt im Magnifikat:

Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

So kommt Gott selbst als Kind zur Welt im Stall von Betlehem, arm und gering. Hätten wir ihn damals erkannt?
Wir stellen in unseren Kirchen und Häusern Krippen auf, die uns das kleine Jesuskind zeigen. Doch haben wir daraus etwas gelernt?
Erkennen wir Jesus heute in den armen und geringen Menschen?
Der Friede, den Gott uns mit seiner Geburt bringen wollte, ist heute ebenso weit entfernt wie damals.
Noch immer schauen wir mehr auf das Große als auf das Kleine, beschenken die Reichen und beuten die Schwachen aus.
Wann werden wir endlich klug, dass Frieden werden kann in unserer zerrissenen Welt?

Hoffnung

Advent - Zeit der Hoffnung

Wenn wir auf unsere Welt blicken, so möchten wir manchmal schier verzweifeln. Wo ist der Friede, den wir uns so sehr wünschen? Wo ist die Liebe? Wo ist die Sehnsucht nach Gott? Und doch bleibt uns die Hoffnung, dass Friede möglich ist, dass die Liebe stärker ist als der Hass, dass Menschen warten auf Gott, der uns begegnen möchte. So heißt es in einer bekannten Geschichte:

Vier Kerzen brannten am Adventskranz. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte: "Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden." - Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte: "Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne." - Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
Leise und traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. "Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen." - Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: "Aber, aber, ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" - Und fast fing es an zu weinen.
Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: "Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung." - Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.