Österliche Bußzeit

1.Fastensonntag A

Erste Lesung

Gen 2,7-9;3,1-7

Gott, der Herr, formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von gut und böse.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.
Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.
Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.
Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.

Zweite Lesung

Röm 5,12-19

Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist.
Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheim gefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden.
Anders als mit dem, was durch den einen Sünder verursacht wurde, verhält es sich mit dieser Gabe: Das Gericht führt wegen der Übertretung des einen zur Verurteilung, die Gnade führt aus vielen Übertretungen zur Gerechtsprechung.
Ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus. Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.

Evangelium

Mt 4,1-11

In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.
Apfel

Die Versuchung Jesu

Am Ersten Fastensonntag hören wir in allen drei Lesejahren das Evangelium von der Versuchung Jesu, im Lesejahr A aus dem Matthäusevangelium (Mt 4,1-11). Daher finden Sie Gedanken zur Auslegung dieses Geschehens auf einer die Lesejahre übergreifenden Seite zum Ersten Fastensonntag.
Jesus wird zu Beginn seines öffentlichen Wirkens vor die Wahl gestellt, ob er ein sensationeller Wunderprediger sein will, dem die Menschen in Scharen nachlaufen und der sich selbst in den Mittelpunkt stellt, oder ob er sich zum Diener Gottes und der Menschen machen möchte, der dem Willen Gottes gehorsam ist bis in den Tod.
Exemplarisch wird das Wesen der Versuchung an drei Beispielen dargestellt. Durch die Verwandlung von Steinen zu Brot soll Jesus dazu versucht werden, ein Wunder allein zu seinen Gunsten zu wirken, ein Wunder das allein die menschliche Gier befriedigt, aber nicht zu einer Begegnung mit Gott führt. Alles Tun Jesu ist aber darauf hin gerichtet, den Willen des Vaters zu erfüllen. Davon lebt er, nicht vom Brot allein.
Wenn sich Jesus vor aller Augen von der Zinne des Tempels stürzen würde und heil am Boden ankäme, würden ihn alle bewundern. Aber er würde zugleich den Vater herausfordern und auf die Probe stellen. Jesus zeigt seine Göttlichkeit nicht durch sensationelle Taten, vielmehr folgt der Erweis seiner Göttlichkeit nach seiner größten Erniedrigung am Kreuz in der Auferweckung durch den Vater.
Bestand die erste Versuchung im Missbrauch der Gabe Gottes zum Eigennutz, die zweite in der Versuchung Gottes, so ist das Wesen der dritten Versuchung die explizite Gotteslästerung. Der Satan verlangt, dass Jesus sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet. Dafür verspricht er ihm die Macht über alle Reiche der Welt. Doch welchen Preis hat diese Macht. Jesus wird über die ganze Erde herrschen, aber nicht nach dem Sinn Satans, sondern nach Gottes Willen. Die Herrschaft des Satans bringt der Welt das Verderben, die Herrschaft Jesu Christi aber bringt der Welt das Heil.

Die Versuchung des Menschen

Mit scheinbar frommen Sprüchen ist der Satan an Jesus heran getreten. Dabei hat er das Wort der Schrift verdreht. Jesus aber besiegt den Satan, indem er ihm die rechte Auslegung des Wortes Gottes entgegenhält. Gottes Wort zu verdrehen ist eine beliebte Taktik des Satans. Er war damit schon bei den ersten Menschen erfolgreich:

Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? (Gen 3,1)

Nein, so hat Gott nicht gesagt, das weiß auch Eva.

Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. (Gen 3,2-3)

Alles hat Gott für den Menschen gemacht. Wir hören in den vorangehenden Versen, dass Gott für den Menschen einen wundervollen Garten angelegt hat. Ein Garten, das war für den orientalischen Menschen etwas Wunderbares. Nur Könige und besonders reiche Menschen hatten die Mittel dazu, in den trockenen Ländern einen immergrünen Garten anzulegen. Ein solcher Garten war den Menschen von Gott geschenkt. Aber ein Baum sollte tabu sein. Von ihm durften die Menschen nicht essen. Aber gerade durch dieses Verbot bekommt der Baum eine unwiderstehliche Anziehungskraft, als die Schlange ihre verführerischen Worte an Eva richtet:

Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. (Gen 3,4-6)

Die Folgen aber sind fatal. Nicht die von der Schlange versprochene Göttlichkeit wird den Menschen zuteil, sondern Gott wird den Menschen aus dem Paradies vertreiben. Das Vertraute Miteinander der Menschen untereinander, zwischen Mensch und Gott und Mensch und Natur ist fortan gestört. Die einzige Erkenntnis, die Adam und Eva nach dem Verzehr der Frucht des Baumes gewinnen, ist die, dass sie nackt sind, und sie bedecken ihre Blöße mit Feigenblättern.

Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. (Gen3,7)

Altvater Poimen erzählte über den Altvater Johannes Kolobos: Er rief Gott an und die Leidenschaften wurden von ihm genommen, und er war ohne Sorgen. Er ging fort und sagte zu einem Greis: "Ich stelle fest, dass ich in Ruhe bin und keine Anfechtungen mehr habe." Der Greis sprach zu ihm: "Geh und rufe Gott an, dass ein Feind gegen dich aufsteht, und so auch die alte Zerknirschung und Demut, die du früher hattest, wieder zurückkehrt. Denn gerade durch die Anfechtung macht die Seele Fortschritte." Er bat also, und als der Feind kam betete er nicht mehr, dass er von ihm befreit werde, sondern sagte: "Gib mir Geduld, Herr, in den Kämpfen!" (Apophthegmata Patrum)
Apfel

Die Sache mit dem Apfel

Als ich mir überlegt habe, welches Bild ich für den Ersten Fastensonntag nehmen könnte, dachte ich spontan an den Apfel. Ist der Apfel heute nicht geradezu zu einem Symbol für eine gesunde und einfache Ernährung geworden? Vielleicht kann es für viele eine mögliche Form des Fastens sein, auf allzu üppigen Fleischgenuss zu verzichten und dafür mehr Obst und Gemüse zu essen - und eben auch Äpfel.
Aber so einfach ist es mit dem Apfel dann doch wieder nicht. Denn ist er nicht auch ein Symbol für den Sündenfall im Paradies? Auch wenn die verbotene Frucht in der Bibel nirgendwo genau benannt wird, hat sich in der Kunst doch der Apfel als Bild für diese Frucht durchgesetzt. Und somit sind wir mit dem Apfel mitten im Geschehen der Texte zum Ersten Fastensonntag, der Versuchung und der Möglichkeit, ihr zu widerstehen.
Adam und Eva sind ein Bild für die Anfälligkeit des Menschen für die Versuchung. Der Widerstand Jesu in der Versuchung lehrt uns, wie auch wir der Versuchung widerstehen können. Wenn wir selbst in Versuchungen geraten - was ja im Leben oft geschieht - dürfen wir auf Christus vertrauen, dann er weiß, wie es dann um uns steht und kann uns so wirklich beistehen. In seinem Tun hat er uns zugleich einen Weg gezeigt, wie wir die Versuchung überwinden können. Johannes Chrysostomus sagt:

Es sollte keiner, der die Taufe empfangen hat und einer ähnlichen schweren Versuchung ausgesetzt wäre erschrecken, so als ob das etwas ganz Unerhörtes wäre, vielmehr soll er alles mannhaft ertragen, da ihm ja nur das widerfährt, was dem Herrn auch geschah. Du hast ja zu diesem Zweck Waffen erhalten, damit du kämpfst, nicht damit du müßig dastehst. Deshalb verhindert es auch Gott nicht, dass Versuchungen über dich kommen.

Doch sollte man sich stets auf diesen Kampf vorbereiten. Sportler können nur gute Leistungen bringen, wenn sie ausdauernd trainieren. So sollten auch wir den Kampf gegen die Versuchungen nicht auf die leichte Schulter nehmen und sagen, das schaffe ich schon irgendwie. Der Versucher hat alle möglichen Tricks auf Lager, um uns zu verwirren und zu Fall zu bringen. Es ist daher sehr hilfreich, immer wieder bewusst einen Verzicht auf sich zu nehmen, um den Willen zu schulen und sich selbst so immer mehr in Griff zu haben.

Aus diesem Grunde also hat auch der Herr vierzig Tage lang gefastet, und uns dadurch ein Heilmittel zu unserer Genesung gezeigt. (Johannes Chrysostomus)

Nutzen wir die vierzig Tage der österlichen Bußzeit, um es dem Herrn gleich zu tun und an Leib und Seele zu gesunden.

Geduld

In seiner Auslegung der Texte zum Ersten Fastensonntag spricht Klaus Berger davon, dass es gerade die Ungeduld des Menschen war, die zum Sündenfall geführt hat. Gott hat Adam und Eva ein Verbot ausgesprochen, nicht vom Baum des Lebens und vom Baum der Erkenntnis zu essen. Gott tat dies nicht, um dem Menschen etwas vorzuenthalten. Es ließe sich sicher nicht zu Unrecht behaupten, dass Gott dieses Verbot nur für eine gewisse Zeit ausgesprochen hat. Sicher hätte er dem Menschen einmal gewährt davon zu kosten - wenn die Zeit dafür reif gewesen wäre. Doch der Mensch hatte keine Geduld. Alles und jetzt sofort, dieses Streben steckt in jedem Menschen und daher hatte der Versucher leichtes Spiel.
Kennen wir das nicht auch an uns, dass wir ungeduldig sind, alles haben möchten und zwar am liebsten sofort? Wir können nicht warten, bis uns etwas geschenkt wird. Doch viele Dinge kann man nur als Geschenk erhalten. Das größte Geschenk ist die Liebe. Sie lässt sich nicht erzwingen und nicht kaufen. Liebe kann nur freiwillig geschenkt werden.
Um wirklich liebende Menschen zu werden, müssen wir lernen, Geduld zu haben - mit uns und mit anderen. Geduld mit uns, dass wir im Leben vieles lernen müssen, Erfahrungen sammeln, um so zu reifen Menschen zu werden. Geduld mit anderen, da jeder Mensch eine eigenständige Persönlichkeit ist und eben manchmal anders denkt und handelt als wir es erwarten. Geduld lernen, könnte das nicht ein Vorsatz für diese Fastenzeit sein?
Wir aber sind oft zu sehr in uns gefangen, können nicht loslassen, sind ungeduldig. Viele Dinge im Leben - besonders die wichtigen - brauchen aber ihre Zeit, um zu reifen. Wir brauchen Ausdauer, wenn wir wirklich vorankommen wollen im Leben. Manchmal geben wir vielleicht kurz vor dem Ziel auf. Manchmal mag eine Lebenssituation so anstrengend und quälend sein, dass wir einen schnellen Ausweg suchen, der uns aber nicht weiter bringt. Später erkennen wir dann vielleicht, dass sich durch eine unerwartete Wendung der Umstände ein großer Gewinn für uns ergeben hätte - wenn wir doch etwas geduldiger gewesen wären.
Abwarten können, den richtigen Zeitpunkt erkennen, aber auch erkennen können, wann es sich nicht lohnt, etwas zu verfolgen - auch das gibt es ja, dass wir unsere Ausdauer in Dinge stecken, die einfach unerreichbar oder nicht wirklich erstrebenswert sind. Hier müssen wir immer wieder lernen, auch einmal umzudenken, müssen bereit sein, gewohnte Strategien im Leben zu hinterfragen, ob sie wirklich zielführend sind. Wer kennt das nicht, dass man immer wieder in dasselbe Fettnäpfchen tritt. Hier läuft etwas falsch in unserem Kopf, das müssen wir erkennen und ändern, auch das braucht Geduld.
Wir müssen aufhören, wie ein Huhn mal da und mal dort zu picken, um schnell ein Korn zu erwischen. Wenn wir wirklich den großen Gewinn im Leben machen wollen, müssen wir erkennen, was wirklich wichtig ist, was wir wirklich wollen, wohin unser Sehnen geht, ein Ziel, das zu erreichen uns wirklich glücklich macht. Und dann gilt es, unsere ganze Kraft dazu aufzubringen, dieses Ziel zu erreichen - und die nötige Ausdauer und Geduld.

Die Väter sprachen: Wenn dir an einem Ort, an dem du wohnst, eine Versuchung zustößt, so verlasse diesen Ort nicht, solange sie währt. Denn wenn du auch fortgehst, so wirst du doch, wohin du auch gehst, auch dort schon wieder das finden, vor dem du geflohen bist. Warte daher geduldig, bis die Versuchung vorüber ist. (Apophthegmata Patrum)
Versuchung

Versuchung und Sünde

Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. (Röm 5,12)

Typisch Kirche, werden viele denken. Da bekommen wir es am ersten Fastensonntag gleich so richtig dick. Der Sündenfall von Adam und Eva in der ersten Lesung und die entsprechende Auslegung des Paulus dazu im Römerbrief. Wer dann noch etwas mehr theologisch gebildet ist, der weiß, dass der heilige Augustinus auf dieses Zitat aus dem Römerbrief seine Erbsündenlehre aufgebaut hat, die noch dazu auf einem Übersetzungsfehler zu beruhen scheint, denn Augustinus las statt "weil alle sündigten" den Satz "in dem alle sündigten", der sich dann auf den einen Menschen Adam bezieht. Augustinus ist auch nicht ganz unschuldig daran, dass in dieser ersten Sünde vornehmlich eine sexuelle Verfehlung gesehen wird. Näher auf die Erbsündenlehre einzugehen, würde eine längere Diskussion erfordern. Dazu sei deshalb nur soviel gesagt, dass die Erbsündenlehre nicht allein an diesem Übersetzungsfehler bei Augustinus festzumachen ist. Auch moderne Forscher bestätigen, dass der Mensch nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt kommt und dass es nicht zu leugnen ist, dass dem Menschen an sich eine Tendenz zum Bösen innewohnt.
Beim Menschen scheint sich alles nur um die Sünde zu drehen. Wie das, werden Sie fragen, wo wir doch im Schöpfungsbericht lesen, dass Gott die ganze Welt und auch den Menschen gut, ja sehr gut geschaffen hat? Es gibt also etwas, das den guten Menschen zum Bösen verführt. Wir nennen das die böse Schlange, die Teufel oder Satan heißt (vgl. Offb 20,2). Kurz gesagt ist darunter ein geistiges Wesen zu verstehen, ein gefallener Engel, der von Gott gut geschaffen wurde, der wie der Mensch Freiheit hat, aber seine Freiheit gegen Gott gewandt hat. Weil Gott aber die Freiheit respektiert, auch wenn sie gegen ihn gerichtet ist (sonst wäre es ja keine wahre Freiheit), lässt er zu, dass der Böse auch den Menschen versucht.
Worin besteht die Versuchung? Das mit dem Apfel im Paradies ist zu wenig und die Beschränkung auf die Sexualität ist zu einseitig. Es geht um viel mehr. Der Mensch hat von Gott Freiheit bekommen, damit er sich frei aus Liebe Gott zuwendet und in dieser Zuwendung zu Gott hin glücklich wird. Die Hinwendung zu Gott kommt darin zum Ausdruck, dass der Mensch die Gebote Gottes hält.
Jetzt halten Sie einmal kurz inne und spüren Sie in sich hinein, welche Empfindungen Ihnen bei dem Wort Gebote Gottes gekommen sind. Ich muss selbst zugeben, dass das Wort Gebote Gottes negativ belegt ist. Die Gebote sind schwer, da kann sich doch niemand dran halten, wir wollen doch ein freies Leben haben und nicht durch solche Gebote eingeschränkt sein, wir wollen Spaß und Freude und das wollen uns die Gebote nur vermiesen. Die Gebote Gottes scheinen also dem zu widersprechen, was sich viele Menschen vom Leben erwarten.
Genau dieses Denken zeigt deutlich, was Versuchung ist. Das war es, was im Paradies vor sich ging. Gott hatte gesagt, es ist besser für euch, wenn ihr von dem einen Baum nicht esst. Der Teufel aber sagt, nur weil Gott euch nieder halten will und euch gängeln will hat er das gesagt. Der Teufel will uns glauben machen, dass die Gebote Gottes für uns nicht gut sind. Der Mensch fällt auf die List des Teufels herein. Und was passiert? Der Mensch verliert dadurch so ziemlich alles, was sein Leben angenehm gemacht hat. In den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte haben die Menschen nichts dazu gelernt. Es ist immer wieder dasselbe Spiel. Der Mensch meint, ohne Gottes Gebote glücklich werden zu können und stürzt damit sich und andere ins Unglück, oft nur im Kleinen, aber manchmal auch im Großen.
Auch Jesus bleibt vor dieser Versuchung Satans nicht verschont. Reichtum, Ehre und Macht verbergen sich hinter den drei Versuchungen Jesu, und vor allem der Eigennutz. Jesus soll es allein für sich machen. Der Teufel will ihn vor dem Volk groß machen, aber auf seine Weise. Doch Jesus erkennt, was dahinter steckt. Der Preis für Reichtum, Ehre und Macht, die auf der Gunst des Teufels beruhen, ist hoch, was der Blick auf die Versuchungsgeschichte im Paradies zeigt. Aber ich glaube, dass auch unsere Zeit anschauliche Beispiele dafür liefern kann. Ich will da nicht in die Stimme der Drohprediger einstimmen, aber ich meine, dass jeder Mensch selbst klug genug ist, so manches zu erkennen.
Wie ist das nun mit den Geboten Gottes? Es wäre schon damit geholfen, die negative Sicht darauf, die uns heute leider unzählige Stimmen glauben machen wollen, zu überwinden, und darüber nachzudenken, welchen positiven Gehalt sie haben. Sie versprechen nicht, dass das Leben einfacher wird. Wer die Gebote Gottes halten möchte, hat ständig mit Versuchungen im Inneren und von Außen und mit viel Gegenwind zu rechnen. Es gibt wohl keinen Menschen, der ganz der Versuchung widerstehen kann. Doch Jesus hat es uns gezeigt, wie es geht. Jesus Christus war dem Vater gehorsam - und wir wissen wie der Satz weitergeht - bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Jesus hat uns gezeigt, wie ein Leben ohne Sünde aussieht. Er hat die Versuchungen des Teufels durchschaut, die sich sogar hinter frommen Bibelzitaten verbergen können. Das ist die List der Schlange. Sogar scheinbar gute Dinge kann der Teufel zum Bösen verwenden. Seien auch wir schlau und fallen wir nicht auf platte Sprüche herein. Der Teufel verspricht irdisches Glück, verlangt dafür scheinbar nichts, fordert aber später dafür einen hohen Preis. Gott verspricht uns das wahre Glück, er verlangt viel - aber nicht mehr als wir können - nämlich dass wir seine Gebote halten. Er fordert aber darüber hinaus nichts, sondern schenkt uns das wahre Glück in seiner Güte und Liebe.

Wir müssen Geduld haben mit aller Welt, und in erster Linie mit uns selbst, da wir uns selbst lästiger fallen als irgendein anderer, seitdem wir zu unterscheiden wissen zwischen dem alten und dem neuen Adam, dem inneren und dem äußeren Menschen. (Franz von Sales)