
Elija und die Witwe von Sarepta
Not-Zeit
König Ahab und seine Frau Isebel taten, was dem Herrn missfiel. Das Buch der Könige teilt die Könige Israels in gute und schlechte Könige ein, die meisten waren schlecht und König Ahab gehört zu den ganz schlechten. Seine Frau Isebel wurde zum Synonym für die Verführerin zum Abfall vom Glauben an den Gott Israels schlechthin. Sie ließ viele Priester und Propheten des Gottes Israels hinrichten und förderte den Kult des Gottes Baal.
Doch Gott lässt sein Volk nicht im Stich. Im Propheten Elija schickt er einen ebenso mächtigen Kämpfer für den wahren Glauben. Das Wort des Elija ist kraftvoll. Es ist Gottes Wort, das bewirkt, was es sagt:
"Es sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin." (1Kön 17,1)
Nun herrscht Dürre in Israel. Immer weitere Teile des Landes trocknen aus, die Not wird immer größer. Erst nach drei Jahren, nach einem triumphalen Erweis der Größe Gottes durch Elija (vgl. 1Kön 18) wird der Herr wieder Regen senden. In den dazwischenliegenden Jahren der Not spielt die Episode von Elija und der Witwe von Sarepta.
Auf nach Sarepta
Elija ist in Israel nicht mehr sicher. Ahab und Isebel setzten alles daran, diesen mächtigen Propheten zum Schweigen zu bringen. Gott schafft für Elija zunächst an dem Bach Kerit östlich des Jordan einen Zufluchtsort. Als aber schließlich auch dieser Bach austrocknet, schickt Gott den Elija nach Sarepta, einer kleinen Stadt am Mittelmeer, die zu Sidon gehört, das im Norden an Israel angrenzt und nicht mehr zum Herrschaftsbereich des Königs Ahab gehört.
Elija macht sich auf den Weg nach Sarepta. Er verlässt den vertrauten Boden des Landes Israel, um im Heidenland zu leben. Er ist ein Ausländer, ein Fremder, den niemand kennt. Und doch findet er schnell Anschluss, Gott sorgt auch dort für ihn:
"Ich habe dort einer Witwe befohlen, dich zu versorgen."
Begegnung
Elija kommt in Sarepta an und auch die Witwe ist dort. Sie hat keinen Namen, ein Mensch unter vielen. Sie sammelt Feuerholz zum Kochen, eine mühsame Angelegenheit in einem kargen Land, in dem es nur wenige Bäume gibt. Mühsam ist das ganze Leben der Witwe. Auch sie ist scheinbar am Ende, ebenso wie Elija, der aus seiner Heimat fliehen musste. Sie hat nichts mehr zu Hause außer einer Handvoll Mehl und einigen Tropfen Öl, das gerade noch reicht für ein letztes spärliches Mahl.
Sie wird mit sich selbst beschäftigt gewesen sein, mit ihren eigenen Sorgen, als da plötzlich der Fremde vor ihr stand:
"Bring mir ein wenig Wasser zum Trinken! Und bring auch noch einen Bissen Brot mit!"
Elija scheint das Gebot der Gastfreundschaft bis aufs letzte auszureizen. Es war der Witwe sicher anzusehen, dass sie arm war und selbst nichts hatte. Warum geht er nicht zu den Reichen, die ihm nur etwas von ihrem Überfluss abzugeben bräuchten? Warum verlangt er von dieser armen Witwe, dass sie mit ihm ihren letzten Bissen teilt?
Fürchte dich nicht!
Die Witwe hat schon abgeschlossen mit sich, mit der Welt, mit dem Leben. Ein letztes Mahl will sie für sich und ihren Sohn zubereiten und dann sterben. Sie sieht keinen Ausweg mehr. Wer soll ihr jetzt noch helfen? Wer weiß wie viele Menschen sie schon um Hilfe gebeten hat - vergeblich. Es ist niemand da, der ihr Elend sieht.
Doch Gott hat ihr Elend gesehen. Er hat schon Hilfe für sie im Sinn. Doch zuvor muss sie eine schwere Entscheidung treffen. Will sie sich in ihr Elend fallen lassen, das letzte Mahl bereiten und alle Hoffnung aufgeben, oder ist sie bereit, ihren letzten Bissen mit dem Fremden zu teilen? Ist sie bereit dafür, dass ihr Leben eine entscheidende Wendung nimmt? Elija sagt ihr:
"Tu, was du tun willst, nur bereite mir zuerst eine Kleinigkeit zu. Dann kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten."
Sie soll das letzte hergeben für den Fremden, und dann für sich und ihren Sohn kochen. Aber was, wenn das letzte Häufchen Mehl und der letzte Tropfen Öl weg sind? Kann man den Worten des Fremden trauen:
"So spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet."
Was ist das für ein Mann und was ist das für ein Gott? Haben sie nicht in Sidon ihre eigenen Götter? Was haben sie mit dem Gott Israels zu schaffen? Wenn ihre Götter nicht auf sie schauen, warum sollte dann ein fremder Gott für sie sorgen? Ist die Witwe bereit, auf diesen Gott Israels zu vertrauen?
Sie tut, was Elija ihr sagt. Sie wird nicht enttäuscht. Im Teilen erfährt die Witwe einen Reichtum, wie sie ihn bisher nicht kannte. Alle drei - Elija, die Witwe und ihr Sohn haben viele Tage genug zu essen.
Vom Glauben
Hier könnte die Geschichte von Elija und der Witwe zu Ende sein. Doch ihr Glaube wird noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Ihr Sohn wird plötzlich krank, steht kurz vor dem Tod.
"Was habe ich mit dir zu schaffen, Mann Gottes?"
Wir können die Wut der Frau verstehen. Sie hatte schon abgeschlossen mit dem Leben, dann neue Hoffnung geschöpft und jetzt soll ihr das Kostbarste, das sie besitzt, ihr Kind genommen werden? Dann hätten sie ja gleich beide an Hunger sterben können. Auch Elija versteht Gott nicht.
"Herr, mein Gott, willst du denn auch über die Witwe, in deren Haus ich wohne, Unheil bringen, und ihren Sohn sterben lassen?"
Doch Elijas Glaube ist stark. Er weiß sich in jeder Situation von Gott beschützt. Er weiß, dass Gott die Seinen nicht im Stich lässt. Voll Vertrauen betet er flehentlich für den Sohn der Witwe. Und Gott erhört das Gebet Elijas, das Leben kehrt in den Knaben zurück und Elija gibt ihn seiner Mutter wieder. Nun ist auch der Glaube der Witwe gefestigt:
"Jetzt weiß ich, dass du ein Mann Gottes bist und dass das Wort des Herrn wirklich in deinem Mund ist."
Was König Ahab und seine Frau Isebel nicht erkennen, das wird dieser einfachen namenlosen Witwe offenbar. Gott sorgt für sein Volk. Wer dem Gott Israels vertraut, dem wird es an nichts mangeln. Wer aber den nichtigen Götzen vertraut, der richtet sich und das ganze Land zugrunde.
Reich durch Teilen
Wer im Vertrauen auf Gottes Fürsorge mit anderen teilt, der wird nicht ärmer, sondern reicher. Gott gibt der armen Witwe die Möglichkeit, durch ihr freigebiges Schenken, mehr von Gott geschenkt zu bekommen, als sie selbst zu Geben in der Lage ist.
Ich denke, es ist ein großes Problem, an dem viele Menschen leiden, vielleicht sogar unsere ganze Gesellschaft: wir haben zu wenig Vertrauen in Gott. Wir denken zu vernünftig, wir meinen, dass wir durch unser Machen und Planen alles erreichen könnten. Wir rechnen nur mit Fakten und Zahlen. Wir meinen, dass es nur dann einen Fortschritt geben kann, wenn wir durch immer mehr Rationalisierung die Leistung optimieren. Freilich herrschen in der Wirtschaft eigene Gesetze, die ein Unternehmen befolgen muss, wenn es auf dem Markt Bestand haben will. Aber wir sollten doch nicht vergessen, dass es auch eine Welt gibt jenseits unserer Kosten- Nutzenrechnung.
Doch wir brauchen nicht gleich auf die globale Wirtschaft zu blicken. Es kann schon sehr gewinnbringend sein, wenn jeder bei sich selbst einmal aufmerksam hinsieht, wo er seine eigene Kosten- Nutzenrechnung aufstellt. Freilich muss gerade in unserer Gesellschaft jeder durch sinnvolle Planung in die Zukunft blicken. Aber wir dürfen nicht meinen, dass das alles ist. Wir dürfen nie vergessen, dass unser Leben in Gott seinen Ursprung und sein Ziel hat und dass er uns führt. Es gibt für jeden Menschen in seinem Leben Momente, in denen er aufgefordert ist, selbstlos zu schenken, nicht nur von seinem Geld, sondern auch von seiner Zeit, seinen Fähigkeiten und Talenten. Wer einen solchen Moment nicht verpasst, hat die Chance, auf eine andere Weise mehr zurückzubekommen, als er je geben könnte. Diese Bilanz ist nicht kalkulierbar. Ihre Posten lassen sich nicht gegeneinander verrechnen. Der Gewinn ist nicht für ein bestimmtes Quartal einplanbar. Mag sein, dass sich das lange Zeit hindurch als Verlustrechnung erweist. Sicher ist aber eines, es wird die Zeit kommen, in der die Rechnung aufgehen wird und der Gewinn ausgeschüttet wird, vielleicht manchmal nur im kleinen, vielleicht auch einmal ganz groß.
Wer loslassen kann, der erhält, was er zu verlieren fürchtet, wer schenkt, der bekommt mehr zurück, als er gibt. Je größer der Verlust auf den ersten Blick erscheint, desto größer wird der Gewinn sein. Dieses Gesetz ist für uns schwerer zu verstehen, als unsere scheinbar so logisch-en Berechnungen. Es braucht dazu das Vertrauen auf Gott, das Wagnis, dort wo es notwendig ist, eine andere Rechnung zu machen, als wir es vielleicht sonst gewohnt sind. Jesus stellt uns im Evangelium eine arme Witwe als Vorbild hin, die in einem kleinen Geldstück ihren ganzen Lebensunterhalt opfert. Wenn es auch im Verborgenen geschieht, es gibt einen, der es sieht, und der steht zu seiner Verheißung. Gott will nicht nur etwas von unserem Überfluss, sondern er will uns ganz, dass er sich uns auch ganz schenken kann.
Herr, lass uns erkennen, wo du unsere Freigiebigkeit erwartest und gib uns im Vertrauen auf deine Verheißung die Kraft, das zu geben, was du von uns erwartest.

Das Vorbild der armen Witwe im Evangelium
Gerne stellt Markus den scheinbar unbelehrbaren "Großen" als Vorbild die "Kleinen" gegenüber, die verstanden haben, worum es Jesus geht. So wurde der Blinde Bartimäus zum Vorbild für die Jünger. Heute hören wir von einer armen Witwe.
Der Text steht am Ende einer langen Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern in Jerusalem. Harte Worte findet Jesus gegen die Schriftgelehrten, die ihre Frömmigkeit zur Schau tragen und dafür von den Menschen Ansehen genießen. Doch was sie Gott als scheinbar großzügiges Opfer bringen ist nichts anderes als ein kleiner Teil von dem, was sie anderen - auf ganz legalem Weg - weggenommen haben.
Das Opfer der Witwe ist in materieller Hinsicht wertlos, einen Cent gibt sie nach heutiger Rechnung, was ist das schon. Und doch ist es im Verhältnis zu dem, was diese Frau besitzt, sehr viel. Sie, die so gut wie überhaupt nichts besitzt, musste sich diesen Cent noch mühsam vom Mund absparen.
Ein nach außen hin frommes Leben kann sehr bequem sein, wenn man dafür das Ansehen der Menschen gewinnt, auch wenn man dafür doch ach so viel entbehren muss ... Soll ein geistliches Leben wirklich fruchtbar werden, so muss es etwas kosten, es muss ein wirkliches Opfer bedeuten, einen wirklichen Verzicht.
Was das für jeden einzelnen bedeutet, lässt sich nicht grundsätzlich sagen. Da muss sich jeder selbst immer wieder prüfen - und dabei immer wieder an die Worte Jesu denken:
Sie haben nur etwas von ihren Überfluss gegeben - diese Frau aber hat alles gegeben.
Gott will von uns
nicht nur einen Teil
von unserem Überfluss,
Gott will
nicht nur am Rand in
unserem Leben mitspielen,
Gott will uns ganz,
weil er selbst sich uns
ganz schenken möchte.
Nur wer bereit ist,
loszulassen, der bekommt
das wahre Gut geschenkt,
und wer bereit ist,
sein Leben zu geben,
erlangt Leben in Fülle.