
Jesus und die Kinder
Wieder stehen heute Kinder im Mittelpunkt des Evangeliums:
"Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran!"
Die Offenherzigkeit der Kinder, die ohne Vorbehalte und ohne Scheu auf Jesus zugehen, um sich von ihm in die Arme nehmen zu lassen, wird zum Vorbild für die Jünger:
"Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, wird nicht hineinkommen."
Über die Ehe
Diese Episode folgt unmittelbar auf eine längere Belehrung Jesu über die Ehe. Wenn Markus diese beiden Episoden so eng miteinander verknüpft, hat das sicher seinen Grund. Kinder sind die lebendige Frucht der Beziehung zwischen Mann und Frau und eine gute Ehe ist eine der wichtigsten Grundlagen dafür, dass Kinder glücklich aufwachsen können.
Im Christentum hat man schon sehr früh den Stand der Jungfräulichkeit höher geschätzt als die Ehe. Seit dem Zweiten Vatikanum entdeckt die Kirche die Bedeutung der Eheleute für das religiöse Leben wieder neu. Jesus im Kreis der Kinder zeigt uns, dass auch für ihn die Familien wichtig waren. Er freut sich über die Kinder und es liegt ihm am Herzen, dass sie ein erfülltes Leben haben.
Was aber lehrt Jesus über die Ehe zwischen Mann und Frau, aus der diese Kinder hervorgehen? Die strenge Ehelehre der Kirche ist nicht erst in unserer modernen Zeit in Kritik geraten. Rein menschlich gesehen ist es eine enorme Herausforderung, dass zwei Menschen ein Leben lang zusammen bleiben und dabei noch glücklich sind. Aber ist die Unauflöslichkeit der Ehe deshalb schon unnatürlich oder gar unmenschlich?
Im Judentum war es üblich, dass der Mann, wenn ihm seine Frau "nicht mehr gefällt, weil er an ihr etwas Anstößiges entdeckt" (Dtn 24,1) - eine Aussage, die einen weiten Interpretationsspielraum lässt - ihr eine Scheidungsurkunde ausstellt und sie aus der Ehe entlässt. Scheidung war hier allein das Recht des Mannes, der somit frei über seine Frau verfügen konnte. Die Frau hatte weder die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, noch andererseits von ihrer Seite die Ehe aufzukündigen, wenn ihr der Mann nicht mehr gefällt.
Dieses Recht auf Ehescheidung wird aber nicht durch das Gesetzt des Mose eingeführt, sondern an der zitierten Stelle übernimmt das Gesetz ein bereits bestehendes Gewohnheitsrecht, das als gültig vorausgesetzt wird. Daher kann Jesus diesen Usus als Zugeständnis an die Hartherzigkeit des Menschen bezeichnen, das nicht dem ursprünglichen Willen Gottes entspricht.
Für Jesus ist nicht die Unauflöslichkeit der Ehe sondern vielmehr die Ehescheidung etwas Unnatürliches und Unmenschliches. So wie sie in Israel praktiziert wurde, ist sie eine Degradierung der Frau. Doch auch in anderen Situationen ist die Scheidung kein Zeichen menschlicher Liebe und Freiheit, sondern eine Folge von Egoismus und Hartherzigkeit.
Wie war Gottes ursprünglicher Schöpfungsplan? Im ursprünglichen Text zitiert Markus nach der griechischen Übersetzung der Heiligen Schrift und dann hört sich der Text noch einmal ganz anders an, als wir ihn üblicherweise kennen:

"Am Anfang der Schöpfung hat Gott sie als Mann und Frau erschaffen. Darum wird der Mensch Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden zu einem Fleisch. Was aber Gott zusammengespannt hat, das darf der Mensch nicht trennen."
Jesus hat mit seinen Worten die Trumpfkarte ausgespielt. Der Verweis auf Gen 2,24 sticht alle anderen Aussagen über Ehe, weil hier die Grundlage schlechthin definiert wird. Sehen wir uns den Text in der vorliegenden Form etwas genauer an:
Während im gewohnten Text vom Mann die Rede ist, der Vater und Mutter verlässt und sich an seine Frau bindet, steht hier allgemein Mensch. Beide als, sowohl der Mann als auch die Frau verlassen ihre Familie und verschmelzen zu einer neuen Einheit. Mann und Frau sind in der Ehe nicht mehr zwei, sondern eins. Ein Fleisch. Stellen wir uns vor, wie schwer, ja geradezu unmöglich es ist, das, was zu einem lebendigen Körper zusammengewachsen ist, wieder in zwei Teile zu zertrennen.
Noch ein Wort ist hier interessant.
"Was Gott zusammengespannt hat ..."
Die Bibel gebraucht hier ein Bild aus der Landwirtschaft. Mehrere Zugtiere werden gemeinsam vor einen Wagen gespannt, damit sie sich die Last teilen und die Zugkraft erhöhen. Ehe bedeutet nicht, dass einer die Zügel in der Hand hat und der andere den Karren zieht, sondern dass beide gemeinsam ziehen, gemeinsam durch Dick und Dünn, durch Freude und Leid gehen.
Eine solche Ehe, in der die Partner gemeinsam das Leben angehen, schafft dann auch den Raum dafür, dass aus ihr Kinder hervorgehen, die dann wieder selbst in der Lage sind, das Leben zu meistern. Kinder, die Jesus liebevoll zu sich nimmt und denen er das Reich Gottes verheißt.
Was aber, wenn das gemeinsame Leben doch nicht funktioniert? Wenn einer der Partner - um im Bild zu bleiben - vom gemeinsamen Joch ausschert und den anderen alleine ziehen lässt, wenn er das gemeinsame Fleisch zerschneidet und somit gerade auch dem anderen eine tiefe Wunde zufügt?
Die Lehre Jesu über die Ehe ist zweigeteilt. Die Worte, die wir bisher gehört haben, lehrt Jesus in der Öffentlichkeit. Dann aber zieht er sich mit seinen Jüngern in die vertraute Atmosphäre des Hauses zurück und die Jünger befragen ihn noch einmal zu diesem Thema. Hier folgt nun eine wichtige Ergänzung zu dem vorher Gesagten:
Bei Markus gesteht Jesus sowohl dem Mann als auch der Frau das Recht auf Scheidung zu. Sowohl der Mann als auch die Frau kann den anderen aus der Ehe entlassen. Ich denke, dass diese zunächst unscheinbare Parallelität der Verse 11 und 12 nicht zu unterschätzen ist.
Nicht die Trennung führt zum Ehebruch, sondern erst eine erneute Ehe. Eine solche gesteht Jesus den getrennten Partnern nicht zu, weder dem Mann noch der Frau. Der Platz an der Seite des Partners soll frei bleiben und somit stets die Möglichkeit für eine Wiederversöhnung.
Ist Jesus hier weltfremd? Während viele Jesus im ersten Teil seiner Rede Recht geben mögen, werden sich doch etliche an dem zweiten Teil stoßen. Wir sehen dies heute besonders an der Diskussion über den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen.
Wir sollten trotz allem menschlichen Scheitern zunächst einmal die positive Bedeutung der Ehe aus christlicher Sicht hervorheben. Ein Ehepartner ist etwas grundlegend anderes als der heute so beliebte "Lebensabschnittsgefährte". Ehe setzt die grundlegende Bereitschaft dazu voraus, sich zu einem gewissen Teil selbst aufzugeben und eine neue Einheit mit dem Partner zu bilden. Mit der Ehe entsteht etwas grundlegend Neues, das über die bloße Summe zweier Menschen hinausgeht.

Wir dürfen aber auch nicht den Blick auf die Realität verlieren. Ehen können scheitern. Die Ursachen dafür sind vielseitig. Hier gilt es, die tieferen Ursachen für Konflikte so früh wie möglich zu erkennen und alles Mögliche zu tun, die Einheit zu bewahren. Wenn aber der Fall eintritt, dass der Riss so tief geht, dass er das gemeinsame Fleisch durchschneidet, dann gilt es, dieses Problem jeweils individuell zu klären. Wie Jesus sich mit seinen Jüngern in das Haus zurückzieht und sie tiefer in seine Lehre einführt als die breite Öffentlichkeit, so gilt es dann auch hier in einem vertraulichen Rahmen nach Lösungen zu suchen.
Wir sollen uns immer wieder bewusst machen, dass Gott es ist, der die Verbindung der Eheleute schafft. "Was Gott verbunden hat ..." Nur, wenn wir ihm Raum geben in unserer Beziehung, kann er den Frieden und die Einheit wirken, die zusammenhält. Wenn wir seinem Wirken Raum geben, kann er Versöhnung schaffen, kann er einen Ausweg zeigen, wo eine Situation ausweglos erscheint.
Unterschätzen wir nicht, wie wichtig es ist, dass die Eheleute gemeinsam beten, dass sie füreinander beten und dass auch wir für die Eheleute beten, besonders dann - aber auch nicht erst dann - wenn wir sehen, dass eine Ehe in die Krise gerät.
Guter Gott, du hast uns geschaffen als dein Abbild, als Mensch, als Mann und Frau.
Du hast uns füreinander geschaffen. Du berufst Mann und Frau, dass sie gemeinsam ihren Lebensweg gehen.
Gott sah, dass es gut ist.
Dein Blick ruht auf uns, du willst, dass es uns gut geht, du bist für die Liebe zwischen Mann und Frau. Als Abbild Gottes wollen wir leben.
Deine Liebe, Gott, sei zwischen den Eheleuten und verbinde sie miteinander und mit dir.
Zu Beginn einer ehelichen Beziehung scheint alles leicht. Man entdeckt Gleiches und Gegenteiliges, ist fasziniert, Zuwendung fällt leicht.
Dann aber kommt der Alltag und die Erkenntnis, dass der andere auch "alltäglich" ist. Das bereitet Schmerz und ist eine Hürde auf dem gemeinsamen Lebensweg.
Herr und Gott, schenke den Eheleuten die Gnade, im Strom ihrer Zuwendung weiterleben zu können, und sich nicht innerlich voneinander abzuwenden.
Lass sie erkennen, dass du die Mitte ihrer Beziehung bist und hilf ihnen mit deiner Gegenwart. Hilf den Eheleuten, mit Konflikten in deinem Sinn umzugehen, und gerecht zueinander zu sein. Deine Liebe, Herr, wirke zwischen ihnen.
Trotz guten Willens verletzen wir einander, manchmal sind es große, schwere Verletzungen, oft aber sind es die kleinen, immer wiederkehrenden Verletzungen des Alltags. Wir wollen vergeben, aber wir spüren, etwas in uns rechnet auf und hält Verwundungen fest.
Nur du, Herr, kannst uns zeigen, wie wir wirklich verzeihen können. Versöhnung kommt von dir, wir können sie nicht machen, wir können bereit dafür sein, damit sie geschehen kann.
Sieh uns an, Herr, in unserer Verletzlichkeit. Sende uns deinen Geist des Friedens und der Versöhnung, der uns hilft, den getroffenen Stolz aufzugeben, die Verwundungen nicht festzuhalten und frei zu werden.
Und frei können sich Mann und Frau, die einander lieben, begegnen, können sich ihre Liebe zeigen, frei können sie ihre Entscheidungen treffen und den Lebensweg gemeinsam gehen.
Dazu gib deinen Segen, Herr.
Amen.