Jahreskreis B

13. Sonntag

Erste Lesung

Weish 1,13f;2,23f

Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen, und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde; denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.
Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören.

Zweite Lesung

2Kor 8,7-15

Wie ihr aber an allem reich seid, an Glauben, Rede und Erkenntnis, an jedem Eifer und an der Liebe, die wir in euch begründet haben, so sollt ihr euch auch an diesem Liebeswerk mit reichlichen Spenden beteiligen. Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.
Denn es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich. Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen, wie es in der Schrift heißt: Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig.

Evangelium

Mk 5,21-43

In jener Zeit fuhr Jesus im Boot wieder ans andere Ufer hinüber, und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt.
Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt?
Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.



Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten (zu Jaïrus): Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?
Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur! Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus.
Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten, trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.
Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag. Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!
Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.
Lebensfreude

Zum Leben geschaffen

Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden.
Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. (Weish 1,13-14)

Wir staunen immer wieder über die Kraft des Lebens, die Gott in die Schöpfung gelegt hat. Selbst an den unwirtlichsten Plätzen unserer Erde gibt es Lebewesen, die sich den widrigen Bedingungen angepasst haben. Wenn wir bei uns ein Stück Landschaft unberührt lassen, erobert die Natur sich diesen Raum innerhalb kurzer Zeit zurück.
Leben, das will Gott auch uns schenken. Das Leben soll uns Freude machen. Gott will, dass wir froh und zuversichtlich in den Tag gehen, mit der festen Überzeugung, Kinder Gottes zu sein, die die Liebe des Vaters allezeit beschützt.
Doch wir sehen diese Freude getrübt. Krankheit und Tod bedrohen unser Leben. Das Buch der Weisheit sagt ganz deutlich: das hat Gott so nicht gewollt. Gott will uns befreien aus Krankheit und Tod. Das zeigt uns Jesus in den beiden Heilungsgeschichten, die wir im heutigen Evangelium hören.
Auch die Natur sehen wir bedroht. Es ist die Gier des Menschen, die zerstört um des schnellen Profits willen. Vertrauen wir darauf, dass die Kraft des Lebens stärker ist als die Macht des Todes, dass Leid und Tod nicht das letzte Wort haben, sondern Freude und Leben.

Heilung

Wie nahe Leid und Freude, Leben und Tod beieinander liegen, zeigt uns der heiligen Franziskus. Am Ende seines Lebens ist er schwer krank, fast blind und von vielen Leiden geplagt. In dieser Zeit aber dichtet er eines der schönsten Lieder des Lebens, seinen berühmten Sonnengesang. Darin wehrt er sich nicht gegen Krankheit und Tod, sondern er nimmt sie an, in der Hoffnung, dass sie nicht das letzte Wort behalten. So betet er in den letzten Versen des Sonnengesangs:

Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen
um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen
und Drangsal. Selig jene, die
solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster,
werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester,
den leiblichen Tod.
Ihm kann kein Mensch
lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in
tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet
in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod
wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm
mit großer Demut. Amen.
Heilung

Glaube entgegen alle Konventionen

Das Evangelium des 13. Sonntags umfasst zwei Heilungsgeschichten. In beiden ist der Glaube an den Gott, der Leben ist und Leben schenkt, der entscheidende Punkt.
Als Jesus mit seinen Jüngern wieder am jüdischen Ufer des Sees Gennesaret ankommt, kann er sich kaum vor dem Andrang der Menge retten. Mitten im Gedränge ragen zwei Menschen heraus, denen sich Jesus nun ganz besonders zuwendet.
Als erstes kommt zu ihm Jairus, der Vorsteher der Synagoge des nicht näher benannten Ortes. Der Synagogenvorsteher war eine angesehene Persönlichkeit, der sowohl religiöse als auch administrative Aufgaben innehatte und dessen Wort im Ort viel galt.
Ihm ist sicher bekannt, dass Jesus in den Augen der religiösen Führer der Juden, an denen er sich eigentlich orientieren sollte, nicht viel galt. Ebenso müsste auch er Jesus ablehnend gegenüberstehen, aber er wagt es, einen Schritt zu tun, der seinen offiziellen Amtspflichten widerspricht. Wahrscheinlich riskiert er, mit dem, was er nun tut, sogar seine Stellung zu verlieren.
Mitten durch die Menge hindurch geht er auf Jesus zu und bittet ihn darum, seine Tochter, die im Sterben liegt, zu heilen. Vielleicht ist Jesus der letzte Strohhalm, an den er sich klammert, um seine geliebte Tochter zu retten, aber es sieht mehr danach aus, dass er fest daran glaubt, dass Jesus der Gesalbte Gottes ist, der gekommen ist, um sein Volk von Sünde und Tod zu befreien. Er fällt vor Jesus auf die Knie und bittet ihn, mit ihm zu kommen.
Der Glaube des Jairus wird auf eine harte Probe gestellt. Schreiend wird er durch die Menge den Weg für Jesus gebahnt haben, damit er möglichst schnell in sein Haus zu seiner Tochter gelangt. Vielleicht ist er schon weit voraus gelaufen und merkt plötzlich, dass Jesus nicht mehr hinter ihm ist. Jesus hat es nicht so eilig. Er begegnet noch einem anderen Menschen, der seine Hilfe braucht, und nimmt sich auch für diesen Menschen Zeit. Mit Jairus bleiben wir in der bangen Erwartung, was nun mit seiner Tochter geschehen wird.

Heilung

Mut entgegen alle Schranken

Mitten im Gedränge und mitten in der Bewegung der Menge, die mit Jesus zum Haus des Jairus eilt, tritt eine Frau heimlich, von hinten, an Jesus heran. Sie leidet seit zwölf Jahren an Blutfluss. Blutungen machten in den Augen der Menschen damals eine Frau unrein. Während der Zeit ihrer Regelblutung galt eine Frau als unrein und musste sich zurückziehen und durfte erst nach Einhaltung bestimmter Reinigungsrituale wieder unter die Menschen gehen.
Diese Frau nun leidet unter ständigen unkontrollierbaren Blutungen. Neben den körperlichen Schmerzen dieser Krankheit kommt bei ihr das ständige Ausgegrenztsein aus der Gesellschaft hinzu. Mit ihrer Krankheit ist sie nicht in der Lage, ein normales Leben zu führen. Wahrscheinlich ist sie unverheiratet, ohne Kinder und lebt am Rande der Gesellschaft.
Niemand konnte ihr bisher helfen. Ihr ganzes Vermögen hat sie für Ärzte ausgegeben, die ihr aber keine Heilung gebracht haben. Wir können uns vorstellen, wie sie geduckt und unauffällig, um möglichst nicht erkannt zu werden, durch die Menge huscht. Sie traut sich nicht, offen auf Jesus zu zu gehen. In ihr steckt eine Scheu vor Begegnung, die in ihr die jahrelange Krankheit und ständige Ablehnung bewirkt haben.
Doch sie hat einen festen Glauben. Sie denkt nicht, ach versuchen wir es einmal mit Jesus. Sie weiß sicher, dass er sie heilen kann. Nicht vielleicht, sondern ganz sicher.

Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.

Wie sie so in ihrem festen Glauben Jesus berührt, merkt sie, dass sie geheilt ist. Auch Jesus merkt die Glaubenskraft der Frau und wendet sich um. Doch die Frau hat sich wieder in der Menge versteckt und Jesus muss erst danach fragen, wer ihn berührt hat. Die Frau ist wohl wirklich im Gedränge völlig unbemerkt ihn herangetreten.
Jesus aber will keine anonymen Heilungen. Er sucht die Begegnung mit den Menschen, die an ihn glauben. Zum Glauben gehört auch der Mut, vor die Menge zu treten und für die empfangene Heilung Zeugnis abzulegen. Die Berührung hat die Frau zwar körperlich geheilt, doch Jesus will sie auch von ihrer Menschenfurcht befreien, damit sie wieder ganz ins Leben zurückkehrt und frei unter den Menschen leben kann.
So kommt die Frau auf Jesus zu, zitternd und vor Furcht. Wahrscheinlich war sie selbst überwältigt von der Kraft, die sie erfahren hat, von dem großen, das Gott an ihr gewirkt hat. Liebevoll geht Jesus auf sie zu und entlässt sie mit seinem Segen in ihr neues Leben.

Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen, geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
Heilung

Leben, stärker als der Tod

Jairus wird in der Zwischenzeit vor Aufregung fast geplatzt sein. Seine Tochter liegt im Sterben und Jesus lässt sich Zeit. Nun folgt die zweite Prüfung seines Glaubens. Leute aus seinem Haus kommen zu ihm mit der Nachricht: "Deine Tochter ist gestorben." Sie hätten Jesus vielleicht noch zugetraut, dass er das kranke Mädchen heilt, aber jetzt, wo sie tot ist, meinen sie, kann Jesus nichts mehr ausrichten. Jairus soll Jesus seine Wege gehen lassen. Sicher haben die Leute aus seinem Haus von Anfang an an Jesus gezweifelt, haben über Jairus den Kopf geschüttelt, dass er sich wegen diesem Jesus zum Narren gemacht hat vor allen Leuten.
Wie wird Jairus reagieren? Wird auch er den Glauben verlieren, die Hoffnung aufgeben, dass Jesus seiner Tochter helfen kann? Jairus bleibt fest im Glauben und Jesus bestärkt ihn darin.

Sei ohne Furcht, glaube nur!

Jesus schickt alle aus dem Haus, die schon die Totenklage um das Mädchen singen. Hier hat nicht der Tod die Macht, sondern das Leben. Jetzt ist nicht die Zeit für Jammern und Klagen, jetzt ist die Zeit des Glaubens und der Hoffnung. Hier wirkt der Gott des Lebens und wer seiner Macht nicht glaubt, den kann Jesus jetzt nicht gebrauchen.
Nur die Eltern und seine drei wichtigsten Jünger, Petrus, Jakobus und Johannes, nimmt Jesus mit in das Haus. Sie werden Zeugen für die Leben schaffende Macht Gottes. Jesus tritt auf das Mädchen zu und weckt es auf aus dem Schlaf.

Talita kum! Mädchen, steh auf!

Gottes Wort, das die Welt ins Dasein gerufen hat, schenkt auch diesem Menschen neues Leben.

Hoffnung gegen alle Hoffnungslosigkeit

Eine blutflüssige Frau, die Jesus - entgegen alle Vorschrift - heimlich berührt und ein Synagogenvorsteher, dessen Tochter im Sterben liegt. Beide tun sie auf ihre Weise ihren unerschütterlichen Glauben an Jesus kund und beide werden sie von ihm nicht enttäuscht.
Eine Frau, die schon zwölf Jahre krank ist und vergebens nach Heilung gesucht hat - was kann man da noch machen?
Ein zwölfjähriges Kind, das im Sterben liegt - bei der hohen Kindersterblichkeit zur Zeit Jesu war auch das (anders als heute) ein aussichtsloser Fall.
Und doch steckt in beiden noch Hoffnung. Die Frau hat nicht aufgegeben, um ihr Leben zu kämpfen, und der Vater glaubt fest daran, seine Tochter nicht an den Tod verloren zu haben.
Beide tun sie etwas Außergewöhnliches, um Jesus ihr Vertrauen und ihre Hoffnung kundzutun.
Die Frau, die nach damaliger Ansicht durch ihre Krankheit unrein ist und sich von anderen Menschen fern halten muss, tut das Verbotene und berührt Jesus.
Der Vater des Kindes, ein Synagogenvorsteher, müsste von Amts wegen die ablehnende Haltung der religiösen Führer der Juden gegenüber Jesus teilen, aber er macht genau das Gegenteil und bekennt sich zu Jesus.
Jesus enttäuscht die Hoffnung von beiden nicht. Er heilt die Frau, die ihn heimlich berührt, fordert sie dann aber auf, ihre Heilung offen kund zu tun. Alle sollen wissen, dass sie nicht mehr unrein, sondern wieder gesund und "gemeinschaftsfähig" ist.
Die Tochter des Synagogenvorstehers heilt Jesus in der Verborgenheit des Hauses. Die Angehörigen, die nicht auf Jesus vertrauen und ihn auslachen, wirft er schroff hinaus.

Das gläubige Vertrauen auf Jesus führt vom Tod zum Leben, von der Ausgegrenztheit zur Gemeinschaft. Um dieses Mehr an Leben, das Jesus schenkt, erlangen zu können, müssen wir manchmal auch bereit sein, die Schranken des Gewohnten und der Konvention zu durchbrechen.

Wenn du bei dir etwas entdeckst, das ein Geschenk Gottes ist, musst du es für dich in Anspruch nehmen und es dir nicht nehmen lassen. Menschen, die dein Herz nicht kennen, wird manchmal die Bedeutung von etwas, das zu deinem innersten Selbst gehört, völlig entgehen. Sie mögen dich nicht genug kennen, um deinen echten Bedürfnissen gerecht zu werden. Dann musst du dein Herz sprechen lassen und deinem innersten Ruf folgen. (Henri Nouwen)

So werden wir uns immer mehr dessen bewusst, dass wir Kinder Gottes sind. Wir gehören nicht dieser Welt, sondern ganz Gott. Das Große, das Gott uns schenken will, werden wir umso mehr erfahren, je mehr wir uns Gott und seinem Willen überlassen.

Du bist ein Kind Gottes: das ist deine wahre Identität. Diese Identität musst du akzeptieren. Hast du sie einmal akzeptiert und dir verinnerlicht, lebst du in einer Welt, die dir viel Freude, aber auch Schmerz gibt. Sie macht dich frei, weil sie jenseits allen menschlichen Lobes und Tadels verankert ist. Du gehörtst Gott und bist als ein Kind Gottes in die Welt gesandt. (Henri Nouwen)