
Der Sabbat
Gedenke des Tags der Feier,
ihn zu heiligen.
Ein Tagsechst diene
und mache all deine Arbeit,
aber der siebente Tag
ist Feier IHM, deinem Gott.
So übersetzt Martin Buber das dritte der Zehn Gebote. Es erscheint zunächst ungewöhnlich, wenn wir das gewohnte "Gedenke des Sabbats" hier mit "Gedenke des Tags der Feier" übersetzt finden. Tag der Feier - Feiertag - so ungewöhnlich ist es dann aber auf den zweiten Blick doch nicht.
Der Wechsel zwischen Arbeitstagen und Feiertag schafft einen Freiraum im Leben des Menschen, der erst wahres Menschsein möglich macht. Fehlt der Feiertag im Leben, gerät der Mensch immer mehr in die Abhängigkeit von Arbeit und Terminen.
Wofür leben wir? Leben wir nur dafür, um zu arbeiten und Geld zu verdienen, und um dieses dann wieder auszugeben? Was wissen wir mit einem Tag der Feier in der Woche anzufangen?
Im Judentum wurde die Freiheit des Feier-Tags, des Sabbats bald dadurch massiv eingeschränkt, dass man durch genaue Vorschriften regelte, was an diesem Tag erlaubt ist und was nicht. Sicher, es sollte verhindert werden, dass die Menschen den Feiertag zu einem Werktag machten. Dabei hat man aber zu sehr das Negative, das, was nicht getan werden darf, betont und das, wozu dieser Tag befreien sollte, manchmal übersehen. So greift Jesus auch in seinem Tun oft die unsinnigen Sabbatvorschriften an.
Heiligung eines Tages bedeutet, dass dieser Tag aus der Verfügungsgewalt der Zwänge dieser Welt herausgenommen wird und ganz Gott geweiht ist. Gott aber will den Menschen nicht knechten, sondern er will dem Menschen Freiheit und Heil schenken. Wenn ein Tag ganz für Gott da ist, dann ist dieser Tag auch ganz für den Menschen da.
Heilig, das bedeutet auch Heil. Der Mensch soll einmal abschalten können von den Sorgen des Alltags, den Zwängen der Arbeit. Ganz Mensch sein, weil Gott das Glück und das Heil des Menschen will. Ich darf mich ganz in Gottes Hände legen und einmal ganz ausruhen in seiner Nähe. Ich darf loslassen, was mich beschäftigt und einmal ganz Gott wirken lassen. Dann sehen manche Dinge vielleicht ganz anders aus.

Jesus und der Sabbat
Und es geschah, dass er am Sabbat durch die Saaten zog, und seine Schüler begannen beim Gehen die Ähren zu raufen. Und die Pharisäer sagten ihm: Schau, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
Mit seinem Anspruch, Sünden zu vergeben, seiner eigenwilligen Deutung der Fastenpraxis und seinem Umgang mit Zöllnern hat Jesus die Führer der Juden bereits gegen sich aufgebracht. Ein weiterer Punkt, an dem Jesus mit den gewohnten jüdischen Traditionen bricht, ist die Definition dessen, was der Sabbat bedeutet. Das im Gesetz des Mose grundgelegte Sabbatgebot wurde im Laufe der Zeit durch viele Einzelvorschriften präzisiert. Es wurde genau festgelegt, was als Arbeit galt und damit am Sabbat verboten war und was am Sabbat erlaubt war. So galt beispielsweise das Abreißen und Essen von Korn, das seine Jünger praktizieren, um ihren Hunger zu stillen, als Arbeit und war somit am Sabbat verboten. Jesus aber erlaubt seinen Jüngern, dies zu tun. Er setzt sich damit bewusst über die menschlichen Ausführungsbestimmungen zum Sabbat hinweg und provoziert damit den Konflikt mit den religiösen Führern.
Und er sagt ihnen: Habt ihr niemals gelesen, was David tat, als er Mangel hatte und Hunger litt - er selbst und die mit ihm? Wie er hineinging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und die Schaubrote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab?
Mit einem Beispiel aus der Heiligen Schrift will Jesus zeigen, dass es zu allen Vorschriften auch Ausnahmen gibt. König David durfte beispielsweise ungestraft das Verbot, die Schaubrote im Haus Gottes zu essen, übertreten. Wichtiger als dieses Verbot war, dass David seinen Hunger stillen konnte und so die Kraft hatte, seinen Auftrag als König zu erfüllen. Ebenso dürfen auch die Jünger mit einer verbotenen Handlung am Sabbat ihren Hunger stillen, um Kraft zu haben für ihren Dienst in der Nachfolge Jesu.
Es geht Jesus nicht darum, den Sabbat, abzuschaffen. Der Sabbat ist göttliches Gesetz. Jesus will vielmehr den Sabbat auf die von Gott gewollte Bestimmung zurückführen: einen Tag, an dem der Mensch frei ist von der Last der Arbeit, frei für das Gute und Schöne im Leben und frei für Gott. Der zentrale Satz bei Jesus ist:

Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.
Schon in seinem Vergleich mit David hat Jesus deutlich gemacht, dass er mit einem Anspruch und einer Vollmacht auftritt, die nicht aus ihm selbst kommt. Nun bezeichnet er sich auch noch als Menschensohn und Herr über den Sabbat. Den Sabbat hat nach der Schrift Gott selbst eingesetzt, als er am siebten Schöpfungstag von seinen Werken ruhte. Jesus stellt sich somit dem Weltenschöpfer gleich. Er ist der, durch den Gott die Welt erschaffen hat, und wie der Sabbat durch ihn in die Welt kam, so kann er auch frei darüber bestimmen, wie die Heiligung des Sabbat auszusehen hat.
Mit diesem Anspruch geht Jesus noch über die Vollmacht, Sünden zu vergeben, die er zu Beginn des Kapitels gezeigt hat, hinaus. Nun bedarf es nur noch einer weiteren Handlung Jesu, damit den religiösen Führern endgültig der Kragen platzt und sie ihn nicht mehr nur verbal ausschalten möchten, sondern seine Hinrichtung anstreben.
Herr, lass mich heute an diesem Sonntag ruhen in deiner Hand. Lass mich spüren, dass ich bei dir geborgen bin. Ja, du verlangst von mir, dass ich mein Leben in die Hand nehme, aber du hast mich an deiner Hand und führst mich durch mein Leben. Ja, ich muss mich mühen und arbeiten, aber deine Hilfe begleitet auch all mein Tun. Ich darf mich dir ganz anvertrauen.