Jahreskreis A

22. Sonntag

Erste Lesung

Jer 20,7-9

Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich. Ja, sooft ich rede, muss ich schreien, "Gewalt und Unterdrückung!" muss ich rufen. Denn das Wort des Herrn bringt mir den ganzen Tag nur Spott und Hohn. Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich, es auszuhalten, und konnte nicht.

Zweite Lesung

Röm 12,1-2

Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst. Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.

Evangelium

Mt 16,21-27

In jenen Tagen begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen!
Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.
Jeremia

Du hast mich verführt (Jer 7)

Immer wieder sagt Jeremia im Namen Gottes der Stadt Jerusalem und dem Königreich Juda den Untergang voraus. Doch in der Stadt herrscht Sorglosigkeit. Die Menschen ahnen nichts von dem Unheil, das über sie kommen soll. Zwar wurde das Nordreich Israel vor einiger Zeit erobert, ein Teil der Bevölkerung hat sich in alle Winde verstreut, ein anderer Teil ist nach Juda geflohen. Doch es herrschte schon immer Feindschaft zwischen den Königreichen Juda und Israel. Allein Jerusalem war die Stadt Davids und der Tempel in Jerusalem der Ort der Wohnung Gottes auf Erden. Man sah im Nordreich Israel Abgefallene, die nun durch die Eroberung die gerechte Strafe erlangt haben.
In Jerusalem aber vertraute man auf den Tempel. Kann Gott denn die Stadt im Stich lassen, in der sein Tempel steht? Dabei nahm man es aber nicht so genau mit der Verehrung Gottes. Äußerlich hielt man natürlich zum Gott Israels, aber an seine Gebote hielt man sich nicht wirklich. Man fand nichts dabei, auch anderen Göttern zu opfern, mit dem Sabbatgebot nahm es auch nicht so genau, und vor allem galt in der Gesellschaft das Recht des Stärkeren und die Oberschicht beutete die einfache Bevölkerung gnadenlos aus.
Jeremia muss im Namen Gottes reden, muss Worte sagen, die niemand hören will, Worte, die keiner verstehen will. Er sagt der Stadt und dem Tempel den Untergang voraus. Das ist doch Gotteslästerung! Rufen die Priester im Tempel und die Vornehmen können es nicht ertragen, dass er ihr Streben nach Reichtum und Luxus kritisiert. Sie alle verfolgen Jeremia, er wird mit Redeverbot belegt, eingesperrt, man will ihn sogar töten, doch Jeremia lässt sich nicht einschüchtern, sobald er wieder auf freien Fuß ist, beginnt er wieder, prophetisch zu reden. Er muss reden, weil Gott es ihm aufgetragen hat.
Doch all die Anfeindungen gehen nicht spurlos an Jeremia vorbei. Er kommt in die Not, in die alle Menschen kommen, die Gott nahe sind, sie erfahren die größte Gottferne und Verlassenheit. Jeremia beginnt mit sich und seinem Geschick zu hadern, er fragt sich, wer dieser Gott ist, in dessen Namen er auftritt. Wie erfahren von Jeremia wie von keinem anderen Propheten, wie sehr er unter der Last leidet, die ihm sein Prophetenamt aufbürdet. Er ist aus der Gesellschaft ausgegrenzt, sogar seine Familie distanziert sich von ihm. Kaum jemand hält zu ihm. Fünf Abschnitte gibt es im Buch Jeremia, in denen der Prophet über sein Schicksal klagt, mit Gott hadert, sein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringt, wie Gott mit ihm umgeht. Wie kann Gott seinen Propheten in solch ausweglose Situationen bringen, in eine solche Verzweiflung?

Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören.

Der Prophet Jeremia spricht diesen Satz, als er sich in der größten Not von allen Menschen verlassen fühlt und wegen seines Dienstes für Gott von den Menschen geschmäht wird. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diesen Satz zu übersetzen.

Du, Herr, hast mich betört.
Du, Herr, hast mich getäuscht.
Du, Herr hast mich betrogen.
Du, Herr, hast mich verführt.

Von Gott betrogen? Kann Gott einen Menschen betrügen? Gott betrügt nicht, er hält ewig die Treue. Aber er handelt anders, als wir Menschen es erwarten. Uns fällt es nicht leicht, den Willen Gottes zu verstehen. Wer könnte es Jeremia verdenken, wenn er an Gottes Treue zweifeln würde. Ähnlich fühlte sich auch der Prophet Jona von Gott betrogen, als Gott das Strafgericht nicht Wirklichkeit werden ließ, dass er prophezeit hatte. Wie stand der Prophet nun da. Er wartete auf den Untergang der Stadt und nichts geschah, und doch ist in den Augen Gottes sehr viel geschehen. Die Menschen haben sich bekehrt und Gott hat die Stadt nicht vernichtet.
Doch den Worten Jeremias glaubt keiner, Jerusalem rast blindlings auf sein Verderben zu. Die späteren Kapitel des Buches Jeremia berichten von der Belagerung Jerusalems, seiner Eroberung und der Verschleppung der Bevölkerung in das Exil nach Babylon. Vielleicht hätte die Geschichte ein anderes Ende genommen, wenn sich die Menschen auf Jeremias Ruf hin bekehrt hätten. Doch im Exil macht Israel eine ganz neue Erfahrung. Auch im fernen Land, fern vom Tempel, der nun zerstört ist, ist Gott seinem Volk nahe.

Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören.

Hat Gott Jeremia etwa getäuscht? Wozu musste Jeremia das alles ertragen, wenn doch keiner auf seine Worte hört, wenn Gott doch einen ganz anderen Plan hat, um seine Liebe zu seinem Volk zum Ausdruck zu bringen? Ist es dann nicht besser, wie die anderen zu feiern, solange es noch Wein gibt. Irgendwie geht es ja doch weiter. Sollen wir auch heute alle Mahnungen zur Umkehr in den Wind schießen, es uns einfach gut gehen lassen und nicht an morgen denken? Umweltzerstörung, Klimawandel, Hungersnöte, Krankheiten, Katastrophen, alles egal, solange es uns nicht trifft und wenn es uns trifft, dann hatten wir wenigstens eine schöne Zeit?
Wie viele Menschen mögen so denken? Auch Psalm 73 setzt sich mit dieser Frage auseinander. Dort heißt es:

Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück, häufen sie Reichtum auf Reichtum. Also hielt ich umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld. ...
Da sann ich nach, um das zu begreifen; es war eine Qual für mich, bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes und begriff, wie sie enden. Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund, du stürzt sie in Täuschung und Trug. Sie werden plötzlich zunichte, werden dahingerafft und nehmen ein schreckliches Ende. ...
Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten. Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit. Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde. Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig.

Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die sich um ein rechtschaffenes Leben bemühen und denen, die einfach sorglos in den Tag hinein leben, es sich gut gehen lassen und nicht nach Gott und ihren Mitmenschen fragen. Wer mit Gott lebt, der lebt aus einer anderen Zuversicht heraus. Auch Jesus sagt ja: "Sorgt euch um nichts." - Fügt aber hinzu: "Euch muss es zuerst um Gottes Reich und um seine Gerechtigkeit gehen" (vgl. Mt 6,31.33). Und an anderer Stelle: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?" (Mt 16,25f.).
Wer bereit ist, Gottes Willen zu tun, geht nicht auf dem weiten Weg des Überflusses und der Macht, sondern geht auf den engen Weg der Demut, der ihm auch Schmerz und Bedrängnis bringen kann. Aber trotzdem ist es der Weg des inneren Glücks, denn Gott ist überall bei ihm.

Man soll sich ganz den Armen Gottes überlassen. Will uns Gott in den Himmel heben, so sei es; will er uns in den Abgrund hinabführen, so empfinden wir darüber keinen Schmerz, wenn wir nur zusammen mit unserem höchsten Gut dorthin gehen. (Teresa von Avila)
Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören.

Am ehesten drückt dieser Satz also die Leidenschaft aus, mit dem der Prophet seinem Gott folgt. Vor einigen Jahren lief der Film "Die große Stille" und der Vers des Propheten Jeremia wurde darin zum Schlüsselwort. Der Mönch geht in die Einsamkeit, entsagt der Welt und lebt ein einfaches Leben in Gebet und Stille, weil er von dieser Leidenschaft nach Gott gezogen wird. Er lässt sich von Gott verführen, wie ein Mann von einer schönen Frau.
In der Geschichte Israels erscheint Gott oft als liebender Bräutigam, der sein Volk, die Braut, verführen möchte. Ganz besonders wird dies im Hohenlied deutlich oder auch beim Propheten Hosea. Gott will uns verführen, will uns verzaubern, dass wir so den Weg zu unserem höchsten Glück finden, auf ewig bei Gott zu sein.
Gott will uns verführen. Er will uns das ewige Leben "schmackhaft" machen. Nachfolge ist keine fade Angelegenheit, keine Sache für Menschen, die es sonst im Leben zu nichts gebracht haben. Nachfolge ist eine Herausforderung, ein Liebesspiel der ganz besonderen Art für Menschen, die das Leben suchen. Gott will den Menschen für sich gewinnen. Der Mensch soll erkennen, dass er bei Gott mehr findet, als die Welt ihm zu bieten hat. Gott allein kann den Lebens- und Liebeshunger des Menschen stillen.
Wir müssen aufmerksam sein, die zarten Verführungen Gottes in unserem Leben zu entdecken. Wenn ein Mensch sich aber einlässt auf das Werben Gottes, wenn er sich einlässt auf das Liebesabenteuer mit Gott, dann wird er erkennen, wie sehr sich Gott nach jedem einzelnen Menschen sehnt und wie sehr er uns beschenken möchte.

Nachfolge

Nachfolge (Mt 16)

Du, Herr, hast mich verführt und ich habe mich verführen lassen.

Was hat der Satz des Propheten Jeremia mit dem heutigen Evangelium (Mt 16,21-27) zu tun? Drei wichtige Dinge geschehen im heutigen Evangelium. Zunächst kündigt Jesus an, dass er nach Jerusalem gehen müsse, um dort zu leiden und zu sterben. Dem stellt sich sogleich Petrus entgegen und sagt: "Das soll Gott verhüten!" Doch Jesus weist ihn, den er noch kurze Zeit vorher "in den Himmel gelobt" hat, mit harten Worten zurecht: "Satan, geh mir aus den Augen!" Dann richtet sich Jesus an alle Jünger und auch an uns:

Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. (Mt 16,24-25)

Diese Worte Jesu sind eindeutig und radikal. Wer Jesus nachfolgen will, muss zum Äußersten bereit sein. Er riskiert dabei sogar sein Leben. Doch Jesus verlangt nicht mehr als das, was er selbst gelebt hat. Sein Weg auf Erden hat ihn ans Kreuz geführt.
Sicher denken wir auch wie Petrus: Das soll Gott verhüten. Das ist ja geradezu brutal, unmenschlich. Das kann Gott doch nicht verlangen. Wie Petrus damals, so sind auch wir oft noch nicht bereit für das, was Jesus von uns will. Wir hängen an dieser Welt, denken noch zu sehr in den Kategorien dieser Welt. Langes Leben, Gesundheit, Wohlergehen, das ist uns wichtig. Es kann doch auch so schön sein auf dieser Welt.
Doch alles Irdische ist vergänglich. Die schönsten Momente dauern nicht ewig. Man kann nichts festhalten auf dieser Welt. Was wirklich zählt, ist so zu leben, wie Gott es will. Doch was bedeutet dies? Es bedeutet nicht, dass jeder Christ wie ein Bettler leben soll. Auch der Christ muss sich in dieser Welt betätigen, ja er soll seine Fähigkeiten einsetzen, um am Aufbau der Gesellschaft mitzuwirken. Das steht außer Frage. Doch Gott will, dass diese Welt nicht das letzte Ziel für uns bleibt. Worauf es wirklich ankommt ist, bereit zu sein für das Reich Gottes. Das ist der Maßstab, nach dem unser Handeln gemessen wird.
Was aber befähigt den Menschen zu der Bereitschaft, Jesus nachzufolgen, für das Reich Gottes zu arbeiten und dann sogar, wenn es nötig ist, alles für Christus herzugeben? Es ist nichts anderes als das, was Jesus dazu bereit gemacht hat, für uns Menschen zu sterben: die Liebe.

Du, Herr, hast mich verführt und ich habe mich verführen lassen.

Gott will uns verführen. Er will uns das ewige Leben "schmackhaft" machen. Die Nachfolge Christi ist keine fade Angelegenheit, keine Sache für Menschen, die es sonst im Leben zu nichts gebracht haben. Die Nachfolge Christi ist eine Herausforderung, ein Liebesspiel der ganz besonderen Art für Menschen, die das Leben suchen. Gott will den Menschen für sich gewinnen. Der Mensch soll erkennen, dass er bei Gott mehr findet, als die Welt ihm zu bieten hat. Gott allein kann den Lebens- und Liebeshunger des Menschen stillen.
Gott hat aber Mühe damit, dies den Menschen verständlich zu machen. Für viele ist das, was sie konkret vor sich haben, viel wichtiger als ein Gott, der sich doch so ganz im Verborgenen hält. Die Verführungen des Satans sind viel konkreter und sprechen den Menschen mehr an, als die zarten Verführungen Gottes.
Wenn ein Mensch sich aber einlässt auf das Werben Gottes, wenn er sich einlässt auf das Liebesabenteuer mit Gott, dann wird er erkennen, was Jesus uns heute sagen möchte. Für Petrus war es ein weiter Weg, bis er erkannt hat, was Jesus wirklich wollte, für jeden Menschen ist es ein weiter Weg, den Willen Gottes zu erkennen. Dieser Weg dauert ein ganzes Leben lang. Es ist ein Weg mit Höhen und Tiefen, wie sie jede Liebesbeziehung mit sich bringt. Am Anfang steht ein Ja zu Gott. Ja, Gott, ich will lernen zu leben, ich will lernen zu lieben. Gott verführe mich und führe mich auf diesem Weg.

Denn wenn einer nicht sich selbst loslassen kann, dann kann er nicht zu dem kommen, der über ihm ist. Doch wohin außerhalb unserer selbst können wir gehen, wenn wir aus uns herausgehen? Und wer ist es denn, der geht, wenn einer sich selbst verlässt? Nun: der durch die Sünde gefallene Mensch ist etwas anderes als der, der er von Natur aus geschaffen war. Dann also verlassen und verleugnen wir uns selbst, wenn wir das meiden, was der alte Mensch war, und nach dem streben, wozu wir als neue Menschen berufen sind. (Gregor der Große)
Geduld

Loslassen

Wir hören in den Lesungen dieses Sonntags von einer für uns Christen wichtigen Eigenschaft, die sicherlich nur sehr mühsam zu erlernen ist. Es geht darum, loslassen zu können, immer wieder neu dazu bereit zu sein, das zu tun, was Gott von uns möchte, Glaube als Umkehr - Metanoia. Wer kennt das nicht, ein schönes Erlebnis, eine freudige Begegnung mit anderen Menschen festhalten zu wollen. Ach, wenn es doch immer so schön bleiben könnte! So will auch Petrus die schöne Zeit mit Jesus festhalten, möchte ihn immer bei sich haben und mit ihm umherziehen. Doch der Plan Gottes ist ein anderer, der Weg Jesu führt ans Kreuz. Das heißt für Petrus loslassen können, Abschied nehmen, bereit sein für etwas Neues. Er hat lange gebraucht, um das zu lernen, er wird Jesus noch verleugnen, bei der Kreuzigung davonlaufen. Doch Jesus weiß, dass Petrus einmal soweit sein wird, den Willen Gottes zu verstehen. "Wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder." (Lk 22,32) So müssen auch wir lernen, es uns nicht in der Welt bequem zu machen, sondern immer wieder neu nach dem Willen Gottes zu fragen.

Unser Herr selbst hat uns den Weg zur Vollkommenheit gezeigt, als er sagte: "Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir." Er ist unser Vorbild, wer ihm folgt, hat nichts zu fürchten. (Teresa von Avila)

Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um Jesu willen verliert, wird es gewinnen. Die wahre Erfüllung finden wir nur, wenn wir dazu bereit sind, diesen Weg der Hingabe zu gehen, unser Leben ganz Gott zu schenken, unser Kreuz auf uns zu nehmen und nachzufolgen. Mag dieser Weg auch beschwerlich sein, so ist das dort zu findende Glück größer als alles, was wir auf Erden erlangen können. Wir dürfen uns als Christen nicht dieser Welt angleichen.

Um der Welt zu dienen, muss man sie kritisieren, muss man sie verändern. ... Nicht die Ideologie der Anpassung rettet das Christentum; ... was ihm helfen kann, ist allein der prophetische Mut, seine eigene Stimme gerade in dieser Stunde entschlossen und unverwechselbar zur Geltung zu bringen. (Bendedikt XVI., Theologische Prinzipienlehre, S. 59)

Auch wenn es uns dann geht, wie es der Prophet Jeremia von sich in der ersten Lesung sagt und wir nur Spott erfahren. Als Christen müssen wir immer wieder zur Umkehr bereit sein, stets neu unseren Kompass auf Jesus hin ausrichten.

Die restlose Veränderungsbereitschaft ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Empfängnis Christi in unserer Seele. (ebd. S. 64)

Im Christen bleibt "das Gegeneinander zweier Gravitationskräfte: die Gravitation des Egoismus und die Gravitation der Wahrheit, der Liebe." (ebd. S. 65) Unser Leben bleibt ein ständiges Mühen darum, uns nicht von unserem Egoismus und der Anpassung an die Welt fortreißen zu lassen, sondern uns immer neu auf Christus hin auszurichten. Der Christ muss lernen "sich von sich selbst weg und in Christus hinein umprägen zu lassen." (ebd.) Dies kann nur gelingen, wenn wir uns bemühen, still zu werden vor Gott und auf seine Stimme zu hören und nur so finden wir unsere Erfüllung und das wahre Leben.

Römerbrief

Leben aus Gottes Erbarmen (Röm 12)

Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst. (Röm 12,1)

Nach den langen theologischen Ausführungen über Gottes Gerechtmachung aus dem Glauben und über die Rettung Israels angesichts dessen Unglaubens kommt Paulus nun zum praktischen Teil des Römerbriefes. Die Gläubigen sind gerecht gemacht vor Gott, sind von der Sünde befreit und durch die Taufe zu Kindern Gottes geworden. Sie sind das neue Volk Gottes, das in der Gemeinde vor Ort erfahrbar wird.
"Angesichts des Erbarmens Gottes", mit diesen Worten fasst Paulus alles vorher im Brief Gesagte zusammen. Gott hat sich der Menschen erbarmt und schenkt allen, die an Jesus Christus glauben und durch die Taufe in das neue Volk Gottes eintreten, Erlösung und Vergebung der Sünden. Was dieses Erbarmen bedeutet, bringt Teresa von Avila mit wenigen Worten auf den Punkt:

Der Herr muss uns keine großen Geschenke geben. Es genügt, dass er uns seinen Sohn gesandt hat, der uns den Weg weisen soll. (Teresa von Avila)

Somit wir Erlösung konkret durch ein Leben aus dem Glauben nach der Weisung des Herrn, indem sich der Gläubige "als lebendiges und heiliges Opfer darbringt, das Gott gefällt." Er stellt sich ganz, mit Leib und Seele, mit allem Denken und Tun, Gott zur Verfügung, um seinen Willen zu tun. Lebendig und heilig soll ein solches Opfer sein, nicht tot und verdorben. Die Werke dieser Welt, Unzucht, Heuchelei, Grausamkeit, führen zum Tod. Die Werke Gottes aber führen zum Leben. Wie diese Werke konkret aussehen, wird Paulus in diesem Kapitel noch näher darlegen: Liebe ohne Heuchelei, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Einmütigkeit, Vergebung sind hier nur einige Schlagworte. Johannes Chrysostomus erklärt dieses Opfer folgendermaßen:

Das Auge schaue nichts Sündhaftes an, und es ist zum Opfer geworden; die Zunge rede nichts Schlimmes, und sie ist zur Opfergabe geworden; die Hand tue nichts Verbotenes, und sie ist zum Opfer geworden. Aber das genügt noch nicht, sondern es bedarf auch guter Taten. Die Hand gebe Almosen, der Mund spreche Segenswünsche gegen Widersacher aus, das Ohr sei stets zum Anhören von Reden über göttliche Dinge bereit. Denn das Opfer darf nichts Unreines an sich haben, das Opfer soll ein Erstling von allem sein. So lasst denn auch uns Gott die Erstlinge der Hände, der Füße, des Mundes und aller andern Glieder darbringen! Ein solches Opfer ist Gott wohlgefällig, ... die Art, zu opfern aber ist dabei eine ganz neue, und darum ist auch die Art des Feuers eine ganz eigene. Es braucht nämlich kein Holz oder sonstigen Brennstoff, sondern unser Feuer hat seine Lebenskraft aus sich selbst. Es verzehrt auch nicht die Opfergabe, sondern gibt ihr vielmehr Leben. (Johannes Chrysostomus)

Wer das neue Leben im Glauben an Jesus Christus lebt, der unterscheidet sich grundlegend von einem Weltmenschen. Auch wenn das Leben der Weltmenschen auf den ersten Blick als gut erscheinen mag, wenn sich sogenannte Gutmenschen als die Retter der Welt fühlen mögen, so entdeckt man hinter der äußeren Fassade oft gewaltige Schwachpunkte. Viel Dünkel und Eigennutz stehen dahinter und was zunächst so selbstlos erscheint, kann sich schnell zu einer totalitären Forderung und der Ausgrenzung Andersdenkender entwickeln.
Doch auch im Christentum ist selbstlose Liebe nicht allgegenwärtig. Immer wieder treten in der Kirche Machtstreben und Selbstsucht in den Vordergrund. Paulus ruft die Gläubigen zur Heiligkeit auf. Nicht nur Gutes zu tun, sondern es auch selbstlos zu tun, nicht nur nach außen den Anschein der Güte zu wecken, sondern auch im Inneren gütig zu sein. Zu seiner eigenen Überzeugung stehen, aber auch den Andersdenkenden anerkennen und annehmen in seiner Andersheit. Christliche Liebe muss tiefer gehen und weiter blicken als das Gutmenschentum. Das heißt vor allem, sich stets dessen bewusst zu sein, dass Gott uns zuerst geliebt hat, dass er uns sein Erbarmen erwiesen hat, und daher all unser Tun in seinem Dienst steht.

Römerbrief
Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist. (Röm 12,2)

Paulus fordert die Gläubigen dazu auf, anders zu denken, nicht im Sinn dieser Welt, sondern im Sinne Gottes. Das Denken dieser Welt beschäftigt sich damit, wie es möglich ist, den Reichtum zu vermehren, mehr Profit zu machen, eine bessere Stellung als andere zu erlangen, sich selbst groß zu machen. Christliches Denken aber muss demütig sein und sich darin vertiefen, wie es möglich ist, den Willen Gottes auf Erden immer mehr Wirklichkeit werden zu lassen.
Christliches Denken muss in die Tiefe gehen, muss hinter die äußeren Dinge blicken. Es darf sich nicht treiben lassen von diesem und jedem, von den blinkenden Anzeigen der Werbung oder dem äußeren Glanz. Christliches Denken muss still werden und versuchen, zum Zentrum zu gelangen, zu Gott, der unserem Denken zwar verborgen ist, der sich uns aber offenbart hat, vor allem in der Heiligen Schrift. Somit heißt christliches Denken vor allem auch, die Heilige Schrift zu meditieren, aus ihren Worten zu leben, und sich vom Heiligen Geist inspirieren zu lassen.
Wenn wir Gott zuerst denken und nicht uns selbst, verlieren wir nichts, denn was Gott will ist auch das, was für uns am besten ist. Nur wer sich dieser Tatsache bewusst geworden ist, kann auch sich wirklich ganz Gott hingeben.

Seien wir überzeugt, dass alles zu unserem Besten geschieht. Gott führt uns den Weg, der ihm gefällt, ihm gehören wir, nicht mehr uns selbst. Er erweist uns Gnade, indem er unseren Willen lenkt, in seinem Garten zu graben und in seiner Gegenwart zu bleiben.
Liebe besteht nicht im Streben nach größerem Glück, sondern in der größeren Entschlossenheit, Gott in allem erfreuen zu wollen, und sich mit ganzer Kraft darum zu bemühen, dass wir ihn nicht betrüben. (Teresa von Avila)