Die Heiligen

7.11. Willibrord

Willibrord

Willibrord
658-739
Bischof, Glaubensbote

Die Völkerwanderung beendete im 5. Jahrhundert im Westen Europas die Ordnung, die durch das Römische Reich über lange Zeit hinweg bestanden hatte. An ihre Stelle traten einander abwechselnde Herrschaften. Erst im 7. Jahrhundert bildete sich mit dem Reich der Franken in der Mitte Europas wieder ein stabiles Herrschaftsgebiet. Während viele der in das ehemals römische Gebiet eindringenden Stämme meist Heiden oder waren oder dem christlichen Glauben in Form der arianischen Irrlehre anhingen (die Arianer lehnten die Trinitätslehre ab, für sie war Jesus Christus nicht Gott, sondern nur gottähnlich), übernahmen die Franken schon früh den christlichen Glauben, wie er vom Papst in Rom gelehrt wurde. Diese enge Verbindung von Frankenreich und römischer Kirche prägte fortan die Geschichte Europas.
Auch wenn das Reich der Franken, das sich von den Pyrenäen im Westen bald bis über den Rhein hinweg nach Osten hin ausbreitete, offiziell ein christliches Reich war, brauchte es doch einige Jahrzehnte, um das Christentum unter den ehemals heidnischen Stämmen zu festigen. In den ehemals römischen Gebieten konnten die Franken hier auf Strukturen zurückgreifen, die sich aus der römischen Zeit erhalten hatten. In den Städten Galliens hatte das Christentum bereits eine lange Tradition und es bestand ein Netz von Bischofssitzen. Zwar sank das Niveau der Städte während der Zeit der Völkerwanderung, aber vielerorts blieb die Grundstruktur dieser Städte erhalten, zusammen mit der gallo-römischen Bevölkerung, die sich allmählich mit den neuen Bewohnern vermischte.
Anders sah es in den Gebieten östlich des Rheins aus. Dort gab es bisher keine ausgeprägten Strukturen und das Heidentum war noch fest in den Herzen der Menschen verwurzelt. Es war besonders das Werk der beiden angelsächsischen Mönche Willibrord und Bonifatius, die Missionierung dieser Gebiete voranzutreiben und hier die Grundlagen für eine feste mit Rom verbundene Struktur der Kirche zu legen. Ihre angelsächsische Heimat war selbst erst vor wenigen Jahrzehnten christlich geworden, aber es hatten sich dort sehr schnell blühende Klöster entwickelt, von denen aus sich eine christliche Kultur verbreitete. Diese Mönche folgten schon früh dem Ideal der Pilgerschaft und machten sich auf, um in fernen Ländern zu predigen. Während die frühe Mission der iro-schottischen Mönche keinen festen Plan hatte und in keine festen Strukturen eingebunden war, suchten Willibrord und Bonifatius von Anfang an die Nähe zu Rom und den Frankenherrschern. Beide erhielten vom Papst den offiziellen Auftrag zur Missionierung und zur Errichtung kirchlicher Strukturen.

Willibrord wurde im Jahr 658 in Northumbrien geboren. Sein Vater Willigis gab den jungen Knaben in die Obhut des Klosters Ripon und zog sich selbst als Einsiedler zurück. Im Alter von 20 Jahren begab sich Willibrord nach Irland in das Kloster Rathmelsigi (dem heutigen Mellifont) und wurde im Jahr 688 zum Priester geweiht. Der hl. Egbert prägte die Frömmigkeit des jungen Mönchs und er war es auch, der Willibrord im Jahr 690 zusammen mit elf weiteren Mönchen zur Missionierung auf den Kontinent aussandte.
Willibrord und seine Gefährten sollten unter den Friesen missionieren, einem rauen, kriegerischen Volk, das zwischen Rhein und Elbe an der Küste der Nordsee wohnte und sich bisher standhaft gegen alle Versuche der Einflussnahme durch die Franken gewehrt hatte. Im Bereich der Rheinmündung grenzt das Gebiet der Friesen an das der Franken und Pippin war bereits die Eroberung des grenznahen Territoriums der Friesen in der Gegend um Utrecht gelungen. Dort im fränkisch kontrollierten Teil Frieslands begann Willibrord unter dem Schutz Pippins mit der Missionierung.
In den Jahren 692 und 695 unternahm Willibrord die beschwerliche Reise nach Rom, zunächst um sich vom Papst den offiziellen Auftrag für die Missionierung der Friesen einzuholen, sodann um das Pallium und die damit verbundene Würde und Autorität eines Erzbischofs zu empfangen. Zugleich erhielt er vom Papst den Ehrennamen Clemens. Nach seiner Rückkehr errichtete Willibrord das Bistum Utrecht, das als Zentrum seiner Missionierung unter den Friesen gedacht war und dem weitere friesische Bistümer folgen sollten. Jedoch hatte Willibrord nur in den fränkisch kontrollierten Gegenden Frieslands Erfolg, da sich die Friesen unter ihrem Herrscher Radbod gegen alle Versuche der Missionierung, in der sie wohl nicht zu Unrecht auch das Einfallstor fränkischer Herrschaft sahen, widersetzten.

In Folge der Wirren nach dem Tod Pippins im Jahr 714, gelang es den Friesen unter Radbod im Jahr 716, die bereits fränkischen Gebiete um Utrecht zurückzuerobern. Willibrord musste fliehen und suchte bei Karl Martell Schutz, der sich schließlich als Nachfolger Pippins durchsetzen konnte. Im Jahr 719 starb Radbod, woraufhin Willibrord nach Utrecht zurückkehren konnte. In den folgenden Jahren gelang es Karl Martell, die Friesen weiter zurückzudrängen und er eroberte bis 734 den gesamten westlichen Teil Frieslands, was eine Ausweitung der Mission Willibrords ermöglichte.
Die südlich der Friesen lebenden Sachsen bildeten bis zu ihrer Eroberung unter Karl dem Großen im Jahr 785 ein Bollwerk gegen die Ausbreitung des Frankenreichs und die christliche Missionierung. Willibrord versuchte die an Friesland angrenzenden Gebiete der Sachsen zu missionieren, hatte damit aber keinen Erfolg, genauso wenig wie bei den nördlich der Friesen lebenden Dänen. Die Bekehrung der Friesen blieb weiterhin eine schwierige Aufgabe, die Willibrord nicht abschließen konnte. Bereits im Jahr 719 unterstützte Bonifatius Willibrord bei der Mission in Friesland, bevor er nach Südosten weiterreiste. Nachdem er erfolgreich in den von den Franken beherrschten Gebieten des heutigen Hessen, Thüringen und Bayern missioniert und eine kirchliche Struktur errichtet hatte, kehre Bonifatius im Jahr 753 zurück, um die Friesen nordöstlich des fränkisch kontrollierten Bereichs zu missionieren und erlitt dort im Jahr 754 das Martyrium. Erst Karl dem Großen gelang es, ganz Friesland zu erobern und der Missionierung zugänglich zu machen.

Bereits im Jahr 697, kurz nach seiner Rückkehr aus Rom, bekam Willibrord von Irmina von Oeren (von Trier), der Schwiegermutter Pippins, und anderen Adligen Land in Echternach (im heutigen Luxemburg) geschenkt, auf dem er das Kloster Echternach errichten ließ. Bis heute ist nicht ganz klar, warum Willibrord hier etwa 300 km von Utrecht und seinem Missionsgebiet entfernt, ein Kloster errichtet hat. Das Kloster war für ihr ein wichtiger Rückzugsort und es entwickelte sich schnell zu einem religiösen Zentrum, aus dessen Skriptorium bedeutende Werke wie das Evangeliar von Echternach hervorgegangen sind.
Das Kloster Echternach wurde auch zum Altersruhesitz Willibrords und hier starb der Heilige im Jahr 739 im gesegneten und für die damalige Zeit außergewöhnlichen Alter von 81 Jahren. Schon bald strömten die Pilger zu seinem Grab, so dass die von Willibrord erbaute Klosterkirche einem größeren Bau weichen musste. Bis heute wird der Todestag des Heiligen in Echternach mit einer Oktav begangen und am Dienstag nach Pfingsten findet jedes Jahr die bekannte Echternacher Springprozession statt, bei der die Pilger nicht, wie es klischeehaft oft behauptet wird, zwei Sprünge nach vorne und einen zurück machen, sondern bei der man nach links und rechts und vor allem nach vorne springt auf die Basilika des Heiligen zu.