Die Heiligen

12.8. Johanna F.v.Chantal

Johanna Franziska von Chantal

Johanna Franziska von Chantal
1572-1641
Ordensgründerin

Johanna Franziska war eine Dame aus gutem Haus. Geboren wurde sie 1572 in Dijon als Jeanne-Francoise Fremyot. Ihr Vater war burgundischer Parlamentspräsident und gehörte damit der oberen Gesellschaftsschicht an. Sie war eine sehr hübsche und lebensfrohe junge Frau, die es verstand, sich in Gesellschaft zu bewegen. Mit dem ihr eigenen positiven Denken pflegte sie aus jeder Lage das Beste zu machen. Sie stellte sich jedoch entschieden gegen die Verführung zu einem damals in besseren Kreisen teilweise üblichen leichtfertigen Lebenswandel.
Auf Wunsch ihres Vaters heiratete sie im Jahr 1592 den jungen, vermögenden und lebenslustigen Baron Christoph de Rabutin-Chantal. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, von denen die ersten beiden kurz nach der Geburt starben. Auf ihrem Schloss gab es zahlreiche gesellschaftliche Feiern, an denen die junge und attraktive Baronin beteiligt war. Sie entwickelte sich auch zu einer strengen, aber dennoch von den Untergebenen geliebten Gutsherrin, die sich um Ordnung in den Besitzungen ihres Gatten kümmerte. Es war für sie ein schwerer Schicksalsschlag, als ihr Mann im Jahr 1601 nach nur neun Jahren Ehe durch einen Jagdunfall unerwartet verstarb.
In den nächsten Jahren war Johanna Franziska weitgehend auf sich allein gestellt. Sie musste nicht nur den Tod ihres Ehemannes verkraften und alleine mir vier kleinen Kindern zurechtkommen, sondern auch auf das Schloss ihres Schwiegervaters übersiedeln und dort tätig sein. Es waren für sie sehr schwierige Jahre in denen sie manche Demütigung ertragen musste. Ihr religiöses Leben war von Glaubenszweifeln und übertriebener Ängstlichkeit geprägt. Sie suchte nach geistlicher Führung, konnte aber lange keinen dazu geeigneten Priester finden, bis Gott ihr inniges Gebet erhörte:

Herr, schenke meiner Berufung einen Führer!

Am 5. März 1604 hielt Franz von Sales, damals Bischof von Genf, in Dijon eine Fastenpredigt. Johanna Franziska war unter den gläubigen Zuhörern. Franz von Sales war damals 37 Jahre alt. Johanna Franziska suchte das Gespräch mit Franz von Sales. Es dauerte nicht lange und beide wussten, dass Gott sie füreinander geschaffen hatte. Johanna Franziska fühlte sich zum ersten Mal wirklich verstanden. Der Bischof war der Erste, der ihr zuhörte und sie in ihrem Leid und ihrer Suche nach ihrem Platz in der Welt ernst nahm. Zwischen den beiden entwickelte sich nach dieser Begegnung eine innige Freundschaft.
Franz von Sales wurde zum geistlichen Begleiter von Johanna Franziska von Chantal. Es entstand ein reger Briefwechsel. Durch den geistigen und geistlichen Austausch wuchsen beide im Glauben und in ihrer Berufung und lernten voneinander. Johanna Franziska hat später die Briefe verbrannt, die sie an Franz von Sales geschrieben hat, somit bleiben uns nur seine Briefe, um diesen Austausch zu rekonstruieren. In seinem ersten Brief schrieb Franz von Sales:

Gott, so scheint es mir, hat mich Ihnen gegeben; dies wird mir mit jeder Stunde mehr zur Gewissheit. Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen vermag. Empfehlen Sie mich Ihrem Schutzengel.

Und im zweiten Brief heißt es:

Ich habe in Ihrer Seele den Baum des Verlangens nach Heiligkeit wahrgenommen, den der Herr selbst gepflanzt hat. Ich liebe diesen Baum sehr und betrachte ihn mit Freude, jetzt noch mehr als bei unserem Zusammensein.

Im Jahr 1607 vertraute Franz von Sales der mittlerweile 35-Jährigen an, er wolle einen Frauenorden gründen. Johanna Franziska war von diesem Plan begeistert. Nach dem Tod ihres Ehemannes sehnte sie sich nach einem Leben im Kloster, zugleich aber war sie um die Zukunft ihrer Kinder besorgt. Im Jahr 1609 kam es zu einem Familientreffen, bei dem die Zukunft der Kinder geklärt wurde. Die älteste Tochter Marie-Aimee wurde mit dem jüngsten Bruder des Franz von Sales, Bernard, verheiratet. Der älteste Sohn Celsus-Benignus kam in die Obhut seines Großvaters, des Vaters von Johanna Franziska, und sollte am französischen Königshof in Paris ausgebildet werden. Die beiden jüngeren Töchter Franziska und Charlotte sollten zunächst der Mutter ins Kloster folgen, Charlotte verstarb jedoch im Januar 1610.
Bald darauf verließ Johanna Franziska ihr Schloss - es wird berichtet, dass ihr 15-jähriger Sohn auf der Türschwelle lag, um den Fortgang der Mutter zu verhindern - und gründete am 6. Juni 1610 zusammen mit Franz von Sales in Annecy, einer Stadt südlich von Genf in den französischen Alpen, den Orden der Schwestern von der Heimsuchung Mariens (Ordo Visitationis Beatissimae Mariae Virginis OVM, auch Salesianerinnen oder Visitandinnen genannt). Im Jahr 1618 erhielt die Gemeinschaft die volle kirchenrechtliche Anerkennung und breitete sich rasch aus. Die Kongregation widmete sich zunächst der Pflege der Armen und Kranken, später auch der Erziehung der Jugend. Im Laufe der Zeit prägte sich dem gegenüber das kontemplative Element des Ordens stärker aus.
Im Oktober 1622, nur wenige Wochen vor dem Tod des hl. Franz von Sales, kam es in Lyon zu einer letzten schicksalhaften Begegnung zwischen den beiden Heiligen. Nachdem sich die beiden lange Zeit nicht gesehen hatten und nur in Briefkontakt standen, wollte Johanna Franziska nun ausführlich das besprechen, was sie persönlich bewegt. Doch Franz von Sales wies sie schroff mit den Worten zurück: „Sie haben noch hastige Wünsche? Ich glaubte sie bereits engelgleich zu finden“. Diese Worte haben Johanna Franziska sehr getroffen.
Johanna Franziska ist trotz ihres religiösen Lebens als Oberin einer Ordensgemeinschaft menschlich geblieben. Das zeichnet die Heiligen aus. Oft werden sie in ihren Lebensbeschreibungen verklärt und eben engelsgleich entrückt dargestellt. Doch das sind Wunschbilder einer einseitigen Frömmigkeit. Heiligkeit bedeutet kein engelgleiches Entrücktsein von dieser Welt, sondern die volle Entfaltung des Menschseins nach dem Willen Gottes, der uns als Menschen geschaffen hat.

Johanna Franziska war ihren Mitschwestern nicht nur geistlich, sondern auch menschlich sehr nahe. Sie reiste viel zwischen den einzelnen Klöstern hin und her. Wo sie gerade war, packte sie mit an, betete das Offizium mit den Schwestern, bewerkstelligte Hausarbeiten und pflegte kranke Schwestern. In jenen Jahren begann ihr später so genanntes Martyrium der Liebe. Sie selbst sagte von sich:

Märtyrer der Liebe behalten ihr Leben, um den Willen Gottes zu tun.

Franz von Sales hatte sich bald nach der Gründung immer mehr von der Leitung der Frauenklöster zurückgezogen und Johanna Franziska die Führung überlassen. Nach seinem Tod im Jahr 1622 trieb sie die Ausbreitung des Ordens alleine voran. Am Ende ihres Lebens gab es bereits über 80 Klöster. Als im Jahr 1629 in Annecy die Pest ausbrach, blieb Johanna Franziska in der Stadt, um sich aufopferungsvoll den Kranken und Sterbenden zu widmen.
Johanna Franziska war darauf bedacht, in den Klöstern den Geist des Gründers zu bewahren. Jedoch traf sie immer wieder auf Anfeindungen und Ablehnung. Auch ihr eigenes Glaubensleben blieb nicht frei von Dunkelheiten und Zweifeln. Doch in allem versuchte sie den Willen Gottes zu entdecken und sich ihm ganz hinzugeben. Sie sagte:

Wir müssen voll auf Gott vertrauen, der uns niemals im Stich lässt.
Ich kann und darf nichts anderes tun, als dich zu preisen.
Einfachheit bringt uns Gott am nächsten, denn Gott ist die Einfachheit.

Ihre umfangreiche Tätigkeit und die vielen Reisen zehrten an ihrer Gesundheit. Während einer Visitationsreise im Jahr 1641 erkrankte Johanna Franziska im Kloster von Moulins an einer Lungenentzündung. Sie starb dort am 13. Dezember des gleichen Jahres. Ihre letzten Worte waren:

Ja, mein Vater, ich komme! Jesus, Jesus, Jesus.

Zur selben Zeit sah der heilige Vinzenz von Paul, der nach dem Tod des Franz von Sales die geistliche Führung Johanna Franziskas und ihres Ordens übernommen hatte, in Paris in einer Vision eine kleine Kugel, die wie Feuer leuchtete und sich von der Erde zum Himmel erhob. Dort vereinigte sie sich mit einer größeren Kugel, die ihr entgegengekommen war. Vinzenz von Paul deutete diese Vision als ein Bild für die beiden Seelen der heiligen Johanna Franziska und des heiligen Franz von Sales, der ihr einst versprochen hatte, sie nach ihrem Tod zu empfangen.
Ihr Leichnam wurde in das Mutterhaus des Ordens nach Annecy überführt und dort in der Heimsuchungskirche neben ihrem Ordensmitbegründer Franz von Sales beigesetzt. Auch heute noch birgt die Basilika die Reliquienschreine der beiden Heiligen. Johanna Franziska von Chantal wurde 1751 selig gesprochen, Papst Clemens XIII. sprach sie 1767 heilig. Ihr Gedenktag wurde mehrmals verlegt und schließlich im Jahr 2001 auf Wunsch der französischen Bischofskonferenz auf den 12. August gelegt.

In der salesianischen Spiritualität taucht oft der Satz auf:

Vivat Jesus - Es lebe Jesus

Dieses Wort war das Lieblingsherzensgebet des heiligen Franz von Sales. Als Abkürzung oder ausgeschrieben findet es sich am Beginn fast aller Schriften des Heiligen, außerdem in Kombination mit unterschiedlichen Aussagen über Jesus. In seinem Buch Philothea schreibt er:

Darum möchte ich vor allem das erhabene und heilige Wort 'Es lebe Jesus!' in dein Herz schreiben. lch bin sicher, dann wird dein Leben ... als Früchte nur Handlungen hervorbringen, denen dieses Heilswort aufgeprägt und eingegraben ist.

In neuerer Zeit wird Vivat Jesus in der salesianischen Spiritualität auch mit "Jesus leben" übersetzt. Diese Interpretation bringt den Wunsch zum Ausdruck, Jesus Christus nicht nur zu preisen, sondern ihn durch das eigene Leben für die Menschen sichtbar und spürbar zu machen. Im Leben der Heiligen Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal ist dieser Satz, wie in vielen anderen Heiligen auch, Wirklichkeit geworden.

O Herr,
deine Augen, die die innersten Falten
meines Herzens durchdringen,
sehen, dass es mein größter Wunsch ist,
Deinen heiligen Willen zu erfüllen,
aber sie sehen auch meine Ohnmacht.
Deshalb, o mein Erlöser,
beschwöre ich dich bei deiner
unendlichen Barmherzigkeit,
schenke mir die Gnade,
deinen Willen vollkommen zu erfüllen,
damit ich dich ohne Ende lobe und preise.
Amen.