Die Heiligen

23.2. Polykarp v.Smyrna

Hl. Polykarp

Polykarp
um 81-um 167
Bischof
Märtyrer

Polykarp ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der frühen Kirche. Er kannte noch den Apostel Johannes und ist dessen Schüler gewesen. Der Apostel Johannes selbst soll Polykarp als Bischof von Smyrna in Kleinasien (dem heutigen Izmir) eingesetzt haben. Auf Grund seines langen Lebens gilt Polykarp als letzter Zeuge der apostolischen Zeit. Über sein Leben und seinen Tod sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet. Erhalten ist sein Brief an die Philipper, dessen Echtheit Ignatius von Antiochien bezeugt. Über sein Martyrium berichtet die Gemeinde von Smyrna in einem Brief, auf den ich weiter unter näher eingehen werde. Zudem ist ein Brief des Irenäus von Lyon an Florinus erhalten. Beide waren Schüler Polykarps. Irenäus versucht darin, Florinus durch die Erinnerung an den gemeinsamen Lehrer, zu dessen Füßen sie in Asien gesessen waren, vom Gnostizismus wieder zum rechten Glauben zurückzuführen. Er schreibt:

Ich könnte dir doch den Ort angeben, wo der selige Polykarp saß und lehrte und sein Ein- und Ausgehen und sein ganzes Verhalten und sein Aussehen und die Vorträge, welche er an das Volk richtete und wie er von seinem Umgang mit Johannes erzählte und mit den anderen, welche den Herrn gesehen hatten, und wie er deren Worte anführte und was er von ihnen über den Herrn und seine Wundertaten und seine Lehre gehört hatte.

Polykarp stand in Kontakt mit weiteren großen Christen seiner Zeit wie Ignatius von Antiochien. Als Bischof von Smyrna hatte er großen Einfluss auf die Kirche Kleinasiens. In deren Auftrag reiste er im Jahr 155 nach Rom, um dort mit Papst Anicet über den Termin des Osterfestes zu verhandeln. Polykarp beharrte auf der morgenländischen Praxis, Ostern am 14. Nissan selbst zu feiern, Anicet auf der abendländischen, das Fest am darauffolgenden Sonntag zu feiern. Aber trotz dieser Differenzen kam es zu keinem persönlichen Zwist, vielmehr ehrte Anicet seinen Kollegen dadurch, dass er ihm die Feier der Eucharistie in der römischen Kirche gestattete.
Polykarp hat gegen Irrlehren innerhalb der Kirche gekämpft und die Kirche gegen Feinde von außen verteidigt. Er war über den Kreis der Christen hinaus eine bekannte und angesehene Persönlichkeit. In den frühchristlichen Märtyrerakten ist das Martyrium des Hl. Polykarp überliefert. Er hat es im Alter von etwa 86 Jahren erlitten, wahrscheinlich im Jahr 167. Er ist der zwölfte und zugleich bedeutendste Blutzeuge der Gemeinde von Smyrna. Die Gemeinde berichtet davon in einem Brief "an die Kirche Gottes zu Philomelium und an alle Gemeinden der heiligen und katholischen Kirche allerorten."

Wir schreiben euch, Brüder, über das, was sich zugetragen hat mit den Märtyrern und besonders mit dem seligen Polykarp, der durch sein Zeugnis der Verfolgung gleichsam das Siegel aufgedrückt und ein Ende gemacht hat. Denn beinahe alles, was vorherging, geschah, damit uns der Herr noch einmal das Schauspiel des Martyriums, wie es im Evangelium erzählt wird, vor Augen führt. Denn er wartete, bis er ausgeliefert wurde, wie auch der Herr, damit auch wir seine Nachahmer werden, indem wir nicht nur unser eigenes Wohl, sondern auch das des Nächsten im Auge haben. Denn es ist ein Zeichen wahrer und starker Liebe, wenn man nicht nur sich selbst, sondern auch alle seine Brüder retten will.

Es war also zu einer Verfolgung von Christen gekommen, in der mehrere Märtyrer ihren Glauben mit ihrem Leben bezahlt haben. Unter ihnen ragte Germanikus durch besonderen Heldenmut hervor. Mit Stolz blickt die Gemeinde von Smyrna auf die Tapferkeit ihrer Mitglieder zurück. Als die tobende Menge sich am Blut der Christen sattgesehen hat, forderte sie auch das Blut des bekannten Bischofs Polykarp.

Der bewunderungswürdige Polykarp aber erschrak nicht, als er davon hörte, und wollte zunächst in der Stadt bleiben, aber viele rieten ihn zur Flucht. Da zog er sich auf ein Landgut zurück, das nahe bei der Stadt lag, und hielt sich dort mit einigen wenigen auf, ohne Tag und Nacht etwas anderes zu tun als zu beten für alle Menschen und für die Kirchen der ganzen Welt, wie er es gewohnt war. Und als er so betete, hatte er drei Tage vor seiner Gefangennahme ein Gesicht, er sah sein Kopfkissen von Feuer ergriffen; da wandte er sich an seine Umgebung und sprach prophetisch: "Ich muss lebendig verbrannt werden." Da man unermüdlich nach ihm suchte, flüchtete er sich in ein anderes Landhaus, und sofort waren die, welche ihn suchten, ihm auf der Spur.

Ein junger Sklave hat Polykarp schließlich verraten. Er wird dem Judas gleichgesetzt, der einst Christus verraten hat.

Mit dem jungen Sklaven zogen nun an einem Freitag zur Stunde der Mahlzeit die Häscher mit einer Abteilung Reiterei in ihrer gewohnten Bewaffnung gegen ihn wie gegen einen Räuber los. Sie kamen zu später Stunde an und fanden ihn im oberen Stockwerk eines kleinen Hauses. Von dort hätte er wohl an eine andere Stelle fliehen können, aber er wollte es nicht und sagte: Der Wille Gottes geschehe! Als er von ihrer Anwesenheit hörte, stieg er hinab und sprach mit ihnen; sie aber waren betroffen über sein hohes Alter, seine Ruhe und darüber, dass sie sich eine solche Mühe gegeben hatten, einen so alten Mann aufzugreifen. Sofort gab er Auftrag, ihnen zur selben Stunde Speise und Trank vorzusetzen, soviel sie wollten; er bat sie aber auch, ihm noch eine Stunde zum ungestörten Gebeten zu gewähren. Als sie ihm dies zusagten, betete er stehend voll der Gnade Gottes so, dass er zwei Stunden lang nicht fertig werden konnte und dass die Häscher staunten, mehrere es auch bereuten, gegen einen so gottgefälligen Greis ausgezogen zu sein.
Endlich beendete er sein Gebet, in dem er all jener gedacht hatte, die er jemals kennen gelernt hatte, Kleiner und Großer, Berühmter und Unberühmter und der ganzen katholischen Kirche auf dem weiten Erdenrund. Als nun die Zeit des Aufbruchs kam, setzte man ihn auf einen Esel und brachte ihn so zur Stadt: es war an einem großen Sabbat. Der Irenarch Herodes und sein Vater Niketes kamen ihm entgegengefahren; sie nahmen ihn zu sich auf den Wagen und suchten ihn, während sie neben ihm saßen, zu überreden mit den Worten: "Was ist es denn Schlimmes, Herr Kaiser zu sagen, zu opfern und ähnliches zu tun und so sein Leben zu retten?" Anfangs gab er ihnen keine Antwort; da sie ihn aber nicht in Ruhe ließen, sagte er: "Ich bin nicht gewillt zu tun, was ihr mir ratet." Als sie nun ihr Vorhaben gescheitert sahen, sprachen sie Drohworte gegen ihn aus und stießen ihn mit solcher Hast hinunter, dass er sich beim Absteigen vom Wagen das Schienbein verletzte. Doch er achtete nicht darauf und ging, als wäre ihm nichts geschehen, heiter mit schnellen Schritten weiter. Dann wurde er in die Rennbahn geführt; es war dort aber ein so großer Lärm, dass man nichts verstehen konnte.
Als Polykarp die Rennbahn betrat, erscholl eine Stimme vom Himmel: "Mut, Polykarp, halte dich männlich!" Den Redenden sah niemand, die Stimme aber hörten alle, die von den Unsrigen anwesend waren. Wie schon gesagt wurde, war bei seinem Eintreten der Lärm groß, da man gehört hatte, dass Polykarp ergriffen worden war. Als er nun vorgeführt wurde, fragte ihn der Prokonsul, ob er Polykarp sei. Er bejahte das, worauf jener ihn überreden wollte, seinen Glauben zu leugnen und sagte: "Bedenke dein hohes Alter", und anderes derart, wie sie zu sprechen gewohnt sind: "Schwöre beim Glücke des Kaisers! Gehe in dich, sprich: Weg mit den Gottlosen!" Polykarp aber schaute mit finsterer Miene über die ganze Masse der in der Rennbahn versammelten heidnischen Scharen hin, streckte die Hand gegen sie aus seufzte sah den Himmel und sprach "Weg mit, den Gottlosen!" Der Prokonsul aber drang noch mehr in ihn und sprach: "Schwöre und ich gebe dich frei, fluche Christo!" Da entgegnete Polykarp: "Sechsundachtzig Jahre diene ich ihm, und er hat mir nie ein Leid angetan; wie könnte ich meinen König und Erlöser lästern?"
Als er aber aufs Neue in ihn drang und sagte: "Schwöre beim Glück des Kaisers", antwortete er: "Wenn du dir mit dem Gedanken schmeichelst, ich würde, wie du es nennst, beim Glück des Kaisers schwören, und dich stellst, als wüsstest du nicht, wer ich bin, so höre mein freimütiges Bekenntnis: Ich bin ein Christ. Willst du aber die Lehre des Christentums kennenlernen, so bestimme mir einen Termin zur Aussprache." Der Prokonsul sagte: "Rede zum Volk!" Polykarp antwortete: "Dich habe ich einer Erklärung für würdig gehalten; denn man hat uns gelehrt, den von Gott gesetzten Obrigkeiten und Gewalten die gebührende Ehre zu erweisen, wenn sie uns keinen Schaden bringt; jene aber halte ich nicht für wert, mich vor ihnen zu verteidigen."
Da erklärte der Prokonsul: "Ich habe wilde Tiere, denen werde ich dich vorwerfen lassen, wenn du deinen Sinn nicht änderst." Der aber entgegnete: "Lass sie kommen; denn unmöglich ist uns die Bekehrung vom Besseren zum Schlimmeren; ehrenvoll aber ist es, sich vom Schlechten zur Gerechtigkeit hinzuwenden." Jener aber fuhr fort: "Wenn du dir aus den Tieren nichts machst, lasse ich dich vom Feuer verzehren, sofern du deine Meinung nicht änderst." Darauf sagte Polykarp: "Du drohst mir mit einem Feuer, das nur eine Stunde brennt und nach kurzem erlischt; denn du kennst nicht das Feuer des zukünftigen Gerichtes und der ewigen Strafe, das auf die Gottlosen wartet. Doch was zögerst du? Hole herbei, was dir gefällt!"
Hl. Polykarp
Während Polykarp dieses und noch anderes sprach, war er voll Mut und Freude und sein Antlitz strahlte von Anmut, so dass er nicht nur nicht bestürzt über das ihm Angedrohte die Fassung verlor, sondern dass vielmehr der Prokonsul staunte; dieser schickte seinen Herold und ließ mitten in der Rennbahn dreimal verkünden: "Polykarp hat sich als Christ bekannt!" Als der Herold das ausgerufen hatte, schrie die ganze Menge der Heiden und Juden, die in Smyrna wohnten, in unverhohlener Wut und mit lauter Stimme: "Dieser ist der Lehrer Asiens, der Vater der Christen, der Zerstörer unserer Götter, der durch seine Lehre viele bewegt, nicht zu opfern und anzubeten." So schrien sie und verlangten von dem Asiarchen Philippus, er solle einen Löwen auf Polykarp loslassen. Der aber erklärte, das sei ihm nicht gestattet, weil die Tierhetzen beendigt seien. Da fanden sie es für gut, einstimmig zu schreien, Polykarp solle lebendig verbrannt werden. Es musste ja auch das an seinem Kopfkissen ihm geoffenbarte Gesicht sich erfüllen; er hatte dieses beim Gebet brennen sehen und zu den Gläubigen, die bei ihm waren, hingewandt die prophetischen Worte gesprochen: "Ich muss lebendig verbrannt werden."
Das wurde schneller ausgeführt, als es erzählt werden kann. Die Volksmassen trugen auf der Stelle aus den Werkstätten und Bädern Holz und Reisig zusammen; die größten Dienste leisteten dabei bereitwilligst die Juden, wie sie es gewohnt sind. Als der Holzstoß errichtet war, legte er alle seine Oberkleider ab, löste seinen Gürtel und versuchte, auch seine Schuhe auszuziehen. Das hatte er früher nicht getan, weil allezeit die Gläubigen wetteiferten, wer zuerst seinen Leib berühre; denn wegen seines guten Wandels war er schon vor seinem Martyrium mit aller Tugend geschmückt. Sofort nun wurde das Material, das für den Scheiterhaufen zubereitet war, um ihn herumgelegt; als man ihn auch annageln wollte, sagte er: "Lasst mich so; denn der mir verliehen hat, den Feuertod geduldig zu leiden, wird mir auch die Kraft geben, ohne die durch eure Nägel gebotene Sicherheit unbeweglich auf dem Scheiterhaufen auszuharren."
Sie nagelten ihn also nicht an, banden ihn aber fest. Er aber, die Hände auf dem Rücken festgebunden, wie ein ausgezeichneter Widder aus einer großen Herde zur Opfergabe, zum wohlgefälligen Brandopfer für Gott, auserlesen, blickte gen Himmel und sprach: "Herr, allmächtiger Gott, Vater deines geliebten und gebenedeiten Sohnes Jesus Christus, durch den wir Kenntnis von dir erlangt haben, Gott der Engel, der Mächte, der gesamten Schöpfung und der ganzen Schar der Gerechten, die vor deinem Angesichte leben! Ich preise dich, dass du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast, teilzunehmen in der Gemeinschaft deiner Märtyrer an dem Kelche deines Christus zur Auferstehung ins ewige Leben nach Leib und Seele in der Unvergänglichkeit des Heiligen Geistes. Unter diesen möchte ich heute vor dir aufgenommen werden als ein fettes und wohlgefälliges Opfer, sowie du, untrüglicher und wahrhafter Gott, mich dazu vorbereitet, wie du es mir vorherverkündet und wie du es jetzt erfüllt hast. Deswegen lobe ich dich auch für alles, ich preise dich und verherrliche dich durch deinen ewigen und himmlischen Hohenpriester Jesus Christus, deinen geliebten Sohn, durch den dir mit ihm und dem Heiligen Geist Ehre sei jetzt und in alle Ewigkeit. Amen."
Als er das Amen ausgesprochen und sein Gebet vollendet hatte, zündeten die Heizer das Feuer an. Mächtig loderte die Flamme empor; da schauten wir, denen diese Gnade gegeben war, denen es auch vorbehalten war, das Geschehene den anderen zu verkünden, ein Wunder. Denn das Feuer wölbte sich wie ein vom Wind geschwelltes Segel und umwallte so den Leib des Märtyrers; dieser aber stand in der Mitte nicht wie bratendes Fleisch, sondern wie Brot, das gebacken wird, oder wie Gold und Silber, das im Ofen geläutert wird. Auch empfanden wir einen Wohlgeruch wie von duftendem Weihrauch oder von einem anderen kostbaren Rauchwerk.
Als endlich die Gottlosen sahen, dass sein Leib vom Feuer nicht verzehrt werden konnte, befahlen sie dem Konfektor, hinzuzutreten und ihm den Dolch in die Brust zu stoßen. Als das geschah, kam eine solche Menge Blut hervor, dass das Feuer erlosch und das ganze Volk erstaunt war über den großen Unterschied der Ungläubigen und der Auserwählten. Einer von diesen ist der bewunderungswerte Blutzeuge Polykarp gewesen, der in unserer Zeit durch seine Lehre ein Apostel und Prophet geworden ist, der Bischof der katholischen Kirche zu Smyrna; denn jedes Wort, das aus seinem Munde kam, hat sich erfüllt und wird sich erfüllen.

Nach dem Tod des Polykarp sollte zunächst verhindert werden, dass die Christen an seine Gebeine kommen. Man wusste, dass diese eine besondere Bedeutung hatten, jedoch konnten die Heiden nicht das Wesen des Martyriums verstehen.

Sie begreifen nicht, dass wir Christus niemals verlassen werden, der für das Heil aller, die auf Erden gerettet werden, gelitten hat als ein Schuldloser für die Schuldigen, und dass wir auch keinen andern anbeten können. Denn ihn beten wir an, weil er der Sohn Gottes ist. Den Märtyrern aber erweisen wir als Schülern und Nachahmern des Herrn gebührende Liebe wegen ihrer unübertrefflichen Zuneigung zu ihrem König und Lehrer. Möchten doch auch wir ihre Genossen und Mitschüler werden!
Der Hauptmann aber ließ er ihn mitten auf den Scheiterhaufen legen und, wie es bei ihnen Brauch ist, verbrennen. Auf diese Weise haben wir hinterher seine Gebeine bekommen, die wertvoller sind als kostbare Steine und schätzbarer als Gold, und haben sie an geeigneter Stätte beigesetzt. Dort werden wir uns mit der Gnade Gottes nach Möglichkeit in Jubel und Freude versammeln und den Geburtstag seines Martyriums feiern zum Andenken an die, welche bereits den Kampf bestanden haben, und zur Übung und Vorbereitung für die, welche ihm noch entgegengehen.